Kulmbach
Europa beginnt in der Heimat
Bernd Posselt, Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft, besucht die Bethlehemkirche in Mannsflur und die Basilika in Marienweiher. Dabei stellt er sein neues Europa-Buch vor.

Marienweiher - Mehr als 30 Gäste konnte Margret Schoberth zum Europa-Tag der Marktleugaster Frauenunion begrüßen. Bürgermeister Franz Uome sprach ein Grußwort. Prominenter Gast war Bernd Posselt, höchster Repräsentant der Sudetendeutschen Volksgruppe. Posselt war von 1994 bis 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments.
Ein historischer Rückblick auf die Nachkriegszeit leitete den Studientag ein. Wolfgang Schoberth erklärte in der Bethlehemkirche die Entwicklung der Flüchtlingssiedlung Mannsflur. Als europäisches Vorzeige-Projekt wurde sie 1954 im Vatikan vorgestellt. Bis heute hat sie ihren Charakter bewahrt. Besonders interessierte sich Posselt für die Landsmannschaften, die beim Aufbau der überregional bedeutsamen Flüchtlingssiedlung geholfen haben: Ungarndeutsche (Pillisszentivaner), Schlesier und Sudetendeutsche. Viele politisch Verantwortliche haben mitgeholfen, dass das Siedlungsprojekt verwirklicht werden konnte: Karl Theodor von Guttenberg stellte Land zur Verfügung, er und Lazar von Lippa-Sauermann gründeten die "Gemeinnützige Baugenossenschaft Mannsflur". Die Kette von Marktleugaster Bürgermeistern leistete ihren Beitrag für die Infrastruktur des Ortes.
Mustersiedlung sei die Mannsflur, erläuterte Schoberth, in architektonischer und ökologischer Hinsicht. Architekt Emil Schomberg und Josef Boese haben eine naturnahe Garten- und Waldsiedlung entworfen. Das Konzept sah vor, dass Einkaufmöglichkeiten und Arbeitsplätze zu Fuß erreichbar sein sollten. Zum wichtigsten Arbeitgeber entwickelte sich die Storchenmühle, die mit ihren Kindermode-Kollektionen und den legendären Kindersitzen internationalen Erfolg erzielte. Wolfgang Schoberth verwies darauf, dass das Religiöse für viele Kriegsheimkehrer und Flüchtlinge große Bedeutung hatte. 1960 haben es die evangelischen Neusiedler nach einem langen Kampf geschafft, die heutige Bethlehemkirche zu errichten.
Der Besuch der Basilika Marienweiher stand am Nachmittag auf dem Programm. Kirchenführer Norbert Schmidt ging auf die Egerer Wallfahrt ein, die bis 1745 zurückgeht. Als vor 25 Jahren auf dem Dachboden der Kirche eine arg zerfledderte Wallfahrer-Fahne aus Eger gefunden wurde, ließ sie Leopold Wala und seine Sudetendeutsche Landsmannschaft für 8000 Mark reparieren. Heute hängt sie rechts unter der Orgelempore. Sie zeigt auf der einen Seite die Nikolaus-Kirche von Eger, auf der anderen die Wallfahrtskirche Marienweiher. Obwohl die Tradition in der kommunistischen Ära völlig abgebrochen ist, organisiert Marienweiher wieder alljährlich eine Fußwallfahrt.
Die Ideengeber des Mannsflur-Projektes, Karl Theodor zu Guttenberg und Lazar von Lippa-Sauermann, braucht man Bernd Posselt nicht vorzustellen - er kennt sie. Rosa Sophie, die Frau von Karl Theodor, Enochs Mutter, habe ihn politisch gefördert, eine von Enochs Schwestern sei seine Assistentin gewesen. Die Familie Böse-Kudlich kennt er, selbstverständlich weiß er von Eckard Kudlichs berühmtem Vorfahren, dem Bauernbefreier von 1848, Hans Kudlich. Er kennt den 2016 gestorbenen Mannsflurer Leopold Wala und schätzt dessen jahrzehntelange Tätigkeit für die Sudetendeutsche Landsmannschaft. Posselt trägt seinen Spitznamen zu Recht: "Das Gedächtnis" nennen ihn seine Freunde.
Im Wirtshaus Ott in Marienweiher stellte Posselt schließlich sein Europa-Buch vor. Es geht um die "wichtigste Existenzfrage im 21. Jahrhundert - auch für die, die es nicht wissen. Heute sind wir Europäer sieben Prozent der Weltbevölkerung, Ende des Jahrhunderts, die Kinder, die jetzt geboren werden, werden es erleben, werden wir drei Prozent sein", rechnet Posselt vor. "Glaubt wirklich jemand, man könnte auf Dauer mit den großen Herausforderungen der globalen Wanderungsbewegungen, dem Klimawandel, dem Welt-Ernährungsproblem, dem internationalen Terrorismus, den Umwälzungen in Afrika, dem Vorherrschaftsstreben Russlands und des Islamismus, der Abwendung der USA von Europa und dem Aufstieg Chinas, Indiens und ganz Asiens auf der Basis von europäischen Nationalstaaten fertig werden, die einmal zusammenarbeiten und einmal nicht?" Die Nationalstaatlichkeit stehe im 21. Jahrhundert vor ihrem Scheitern. Selbst die großen Nationalstaaten Deutschland, Frankreich und Italien seien global gesehen Zwerge.
Ein Dorfwirtshaus, dessen Gastraum der Duft von nach Sauerbraten, frisch gekochten Klößen und Schäuferla durchzieht, ist für die Buchvorstellung ein ungewöhnlicher Ort, aber er passt. Weil eine Wirtschaft ein Stück fränkische Heimat ist. Heimat ist für Posselt ein Schlüsselbegriff. Ein zentralistischer Staat, der die regionalen Besonderheiten nicht achtet, ein Nationalstaat, der Minderheiten ausgrenzt und ihre Sprachen und Dialekte ausmerzt, zerstöre Heimat und verliere seine integrierende, friedensstiftende Kraft. Posselt will ein Europa der Regionen, ein "Europa als Heimat der Heimaten", wie der Tscheche Václav Havel formulierte. Eine föderale Struktur wie in Deutschland und Österreich könne Modell für Europa sein.
"Posselt erzählt Europa" ist ein irritierender Buchtitel, doch er ist Programm. Der Autor liest keine Zeile vor, obwohl er das Buch durchblättert von Kapitel zu Kapitel: 90 Minuten freie Rede, sehr reflektiert, in bilderreicher Sprache, mit Szenen, Zitaten, Porträts und Anekdoten.
Bernd Posselt greift Orte heraus, Bauwerke, Persönlichkeiten, Urkunden. Wie ein guter Reiseführer schaut er sie genau an, dann zieht er Vergleiche, verfolgt geschichtliche Fäden und wertet kritisch. Anders als der Reiseführer lebt der Autor Bernd Posselt mitten drin in dem Europa, von dem er erzählt.
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