Bayreuth/Kulmbach Gewaltexzess eines Gequälten

Manfred Scherer
Die oft wechselnden Bewohner der Obdachlosenunterkunft in der Kulmbacher Hermann-Limmer-Straße sind immer wieder für Schlagzeilen gut. Jetzt sind zwei Männer festgenommen, die verdächtigt werden, einen Mitbewohner regelrecht gefoltert und dabei schwer verletzt zu haben. Foto: Melitta Burger

Prozess am Landgericht: Ein 28-Jähriger soll einen Mitbewohner in einer Obdachlosenwohnung in Kulmbach brutal misshandelt haben.

 
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Bayreuth/Kulmbach - In einem mindestens einstündigen Gewaltexzess soll ein 28-Jähriger am Dreikönigstag in der Obdachlosenwohnung in der Hermann-Limmer-Straße in Kulmbach einen 18-Jährigen brutal misshandelt haben. Das Opfer sagt vor Gericht: "Zehn Minuten länger, und ich wäre tot gewesen." Der 28-Jährige steht seit Mittwoch vor Gericht - bestraft werden kann er aber vermutlich nicht. Ebenso wie ein mutmaßlicher 19-jähriger Mittäter, der mittlerweile gestorben ist.

Der Prozess ist ein sogenanntes Sicherungsverfahren: Auf Antrag der Staatsanwaltschaft verhandelt die große Strafkammer des Landgerichts in Bayreuth, ob der Beschuldigte wegen Gemeingefährlichkeit in der Psychiatrie untergebracht werden soll. Der Mann leidet nach einem vorläufigen psychiatrischen Gutachten an einer paranoiden Schizophrenie.

Deshalb gilt der 28-Jährige als nicht schuldfähig. Nach der Antragsschrift von Staatsanwalt Julius Klug soll der Mann am Dreikönigstag im ersten Stock der Unterkunft in der Hermann-Limmer-Straße in das Zimmer des Opfers eingedrungen sein und den jungen Mann dort gemeinsam mit dem inzwischen gestorbenen Mittäter mit einem Holzprügel, einem Draht und einem Kabel gequält und geschlagen haben. Überdies sollen die Angreifer ihm Faustschläge und Fußtritte verpasst und besonders erniedrigt haben: Auf ihn uriniert, ihn mit Zahnpasta eingeschmiert und ihn gezwungen haben, einen Becher Dreckwasser auszutrinken. Das nackte Opfer konnte schließlich fliehen und fand gegen 23.30 Uhr in einer Wohnung einen Stock tiefer Zuflucht. Dort war ein 23-Jähriger gerade zu Besuch bei seinem Vater. Vor Gericht sagt er: "Er hatte Striemen am ganzen Körper. Er blutete aus der Nase und aus den Ohren. Er hat geschrien und geweint."

Das Opfer berichtete als Zeuge vor Gericht, dass den überwiegenden Teil der Misshandlungen und Verletzungen der 28-Jährige ihm zugefügt habe. Der verstorbene Mittäter sei auf die Aggressionen "eingestiegen". Das Opfer lebte in einem Zimmer, das sich an das Zimmer des Verstorbenen anschloss. Der 28-Jährige habe durch das Zimmer des Verstorbenen hindurch müssen, um zu ihm zu gelangen. Im Zimmer des Verstorbenen sei noch dessen 17-jährige Freundin gewesen, die sich während der Folter durch anfeuernde Rufe wie "da geht noch was, der hält noch was aus" hervorgetan habe. Und die Angreifer hätten nach einiger Zeit richtig "Spaß" gehabt: "Sie haben gelacht." Der Misshandelte war mit einem sechsfachen Nasenbeinbruch, Prellungen und Wunden am ganzen Körper und zwei verstauchten Knöcheln für zwei Wochen im Krankenhaus.

Warum es zu dem Gewaltexzess aus heiterem Himmel kam? Aus den Aussagen des Beschuldigten kann man heraushören, dass er den Tod seiner Freundin nicht verkraftet hatte. Die junge Frau war Anfang Dezember 2017 bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Der Beschuldigte sagte aus, der 18-jährige Mitbewohner habe schlecht über seine tote Freundin "geredet" - was der 28-Jährige allerdings bestritt. Nach dem Tod seiner Freundin, sagte der Beschuldigte, habe das spätere Opfer ein Handy kaputt gemacht, auf dem die Erinnerungsfotos an die Tote waren. Da sei er geladen gewesen.

Bis es zum Gewaltexzess in der Nacht des Dreikönigstages kam, trauerte der Beschuldigte auf seine Weise um seine tote Freundin, indem er sich selbst quälte: "Ich soff. Ich schlief. Ich stand auf, um mir wieder Alkohol zu besorgen." Ob seine Paranoia erst in den traumatischen Wochen nach dem Tod seiner Freundin entstand, wird möglicherweise am Freitag beantwortet: Dann nimmt ein Psychiater zur Persönlichkeit und zur Schuldfähigkeit des Beschuldigten Stellung.

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