Kulmbach IT-Experte im Rollstuhl

Von Manfred Biedefeld
Erfolgreich trotz Rollstuhl: Thomas Oetter mit seinen Kollegen (von links) Heiko Frankenberger, Herbert Hertl und Christoph Zettler in der IT-Abteilung der Firma Vitrulan International in Marktschorgast. Foto: Biedefeld

Menschen mit Behinderung können im Berufsleben sehr erfolgreich sein. Der querschnittsgelähmte Thomas Oetter aus Feuln arbeitet seit fast 15 Jahren bei der Firma Vitrulan in Marktschorgast. Sein Chef lobt ihn als überaus kompetenten und leistungsfähigen Mitarbeiter.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Marktschorgast/Feuln - Thomas Oetter aus dem Trebgaster Ortsteil Feuln ist behindert. Und er ist im Beruf erfolgreich. Der querschnittsgelämte IT-Spezialist genießt bei seinem Arbeitgeber, der Holding Vitrulan International GmbH in Marktschorgast, hohes Ansehen und ist beliebt, "weil er immer gut drauf ist", sagen seine Kollegen.

Begonnen hat alles 1991, als Thomas Oetter bei einer Kerwa-Gaudi einen schweren Unfall erleidet. Der 19-Jährige, der gerade eine Bauklempner-Lehre absolviert, ist querschnittsgelähmt. Nach sieben Monaten Behandlung in der Klinik Hohe Warte in Bayreuth und anschließender Reha beginnt Oetter eine Umschulung zum Industriekaufmann in Waldkraiburg.

Ein neuer Arbeitsplatz

Auch in dieser schweren Zeit verliert der junge Mann niemals den Lebensmut, auch wenn er so manches Hobby angesichts seines Handicaps an den Nagel hängen muss, beispielsweise das Musizieren im Musikverein Stadtsteinach. Unterstützung fand und findet er in seiner Familie und bei vielen Freunden.

Im September 1997 tritt Thomas Oetter seinen neuen Arbeitsplatz in der IT-Abteilung der Firma Vitrulan in Marktschorgast an. Der Hersteller von Glasdekogewebe musste dafür einige Voraussetzungen schaffen. Auch wenn das international aufgestellte Familienunternehmen heute insgesamt elf Mitarbeiter mit den verschiedensten Handicaps beschäftigt, Thomas Oetter war und ist der einzige Rollstuhlfahrer im Betrieb. So musste für ihn ein Aufzug gebaut werden, damit er die verschiedenen Stockwerke des Unternehmens erreichen kann. Es musste eine Toilette für den Rollstuhlfahrer eingebaut und ein auf seine Behinderung abgestimmter Arbeitsplatz geschaffen werden.

Positive Ausstrahlung

Doch für das Unternehmen hat sich die Investition ausgezahlt: Ganz abgesehen davon, dass es für die Umbauarbeiten zur Schaffung dieses speziellen Arbeitsplatzes einen Zuschuss von der damaligen Hauptfürsorgestelle der Regierung von Oberfranken gab, hat sich Thomas Oetter als Glücksgriff für das Unternehmen erwiesen. Der geschäftsführende Gesellschafter von Vitrulan International, Peter Cordts, sagt: "Wir sind absolut zufrieden mit Thomas Oetter. Er ist ein überaus kompetenter und unheimlich beliebter Mitarbeiter mit einer positiven Ausstrahlung."

Ausbilder am Netzwerk

Der heute 40 Jahre alte Oetter arbeitet zusammen mit zehn weiteren Kollegen in der IT-Abteilung der Holding und ist Administrator für Serversysteme und Netzwerke. In dieser Eigenschaft bildet er auch andere Mitarbeiter des Unternehmens - allein in Marktschorgast sind das 280 Personen - aus. "Sobald es ein neues IT-Projekt bei uns gibt, ist Thomas Oetter gefragt", sagt Cordts. Dabei umfasst die Computertechnik heute nahezu alle Bereiche des modernenen Betriebes, von der Telefonanlage bis in die Produktion oder die Einbindung von i-phones. Bei allen Neuerungen muss Thomas Oetter ran und den Umgang mit den neuen Systemen seinen Kollegen beibringen. Und natürlich bringt die Einbindung neuer Systeme auch Probleme mit sich, die der IT-Spezialist lösen muss. "Er hat ein hohes Fachwissen und kennt sich aus", lobt der Geschäftsführer den Mann im Rollstuhl.

Und der Personalleiter von Vitrulan Textile Glass, Axel Irmler, ergänzt: "Dabei ist Thomas Oetter ein überaus positiver Mensch, der immer einen Scherz auf den Lippen hat. Die Behinderung merkt man ihm nicht an und sie spielt auch beim Umgang mit den Kollegen keine Rolle."

Die Firma Vitrulan zählt zu den Unternehmen, die die Beschäftigungspflicht für Schwerbehinderte erfüllen und daher keine Ausgleichsabgabe zahlen müssen. Personalchef Irmler sagt, bei Vitrulan seien insgesamt elf gleichgestellte oder behinderte Menschen beschäftigt. Für das Unternehmen ist das eine grundsätzliche Frage: Auch Menschen mit Handicap sollten in den Arbeitsprozess integriert werden, was ihr Selbstwertgefühl steigere und ihre Lebensqualität erhöhe.

Es kann jeden treffen

Geschäftsführer Cordts ergänzt: "Das kann jedem von uns - beispielsweise durch einen Unfall - auch passieren. Dann wollten wir selbst auch das Gefühl haben, dass wir gebraucht werden." Thomas Oetter hat jedenfalls seinen Platz bei Vitrulan gefunden. Er ist zufrieden und zugleich dankbar, dass er zu der positiven Entwicklung des Unternehmens beitragen kann.

Dankbar ist er auch seiner Familie, besonders seiner Schwester Heidi Witzgall, die ihn seit fast 15 Jahren jeden Tag zur Arbeit fährt.

Die Ausgleichsabgabe

Alle Arbeitgeber in Deutschland, die 20 oder mehr Mitarbeiter beschäftigen, müssen nach dem neunten Sozialgesetzbuch fünf Prozent schwerbehinderte Menschen einstellen. Tun sie dies nicht, müssen sie ersatzweise eine Ausgleichsabgabe entrichten.

Mit diesen Geldern werden neue Arbeitsplätze für Schwerbehinderte geschaffen und bestehende Behinderten-Arbeitsplätze gefördert.

Nach Angaben des Zentrums Bayern Familie und Soziales in Bayreuth gab es im Jahr 2010 in Oberfranken knapp 2000 anzeigepflichtige Betriebe.

846 Arbeitgeber, das entspricht 41 Prozent, haben ihre Beschäftigungspflicht erfüllt oder übererfüllt.

884 Arbeitgeber (34 Prozent) haben die Beschäftigungspflicht teilweise erfüllt.

468 Arbeitgeber (25 Prozent) haben ihre Beschäftigungspflicht nicht erfüllt.

Die Ausgleichsabgabe beträgt je nach Beschäftigungsquote und Zahl der Mitarbeiter des Unternehmens im Jahr 2012 zwischen 115 und 290 Euro pro Monat und nicht besetztem Pflichtplatz. Die Abgabe wird jeweils am 31. März des Folgejahres fällig.


Bilder