Selb/Hohenberg "Ich hab schon eine Inventarnummer im Nacken"

Petra Werner, die Hauptkuratorin des Porzellanikons, staatliches Museum für Porzellan Hohenberg an der Eger/Selb, hat es in den Ausstellungen gerne farbenfroh. Privat allerdings bevorzugt sie schlichtes, elegantes weißes Porzellan. Foto: Porzellanikon

Seit 1990 arbeitet und lebt Petra Werner mit Porzellan. Die Hauptkuratorin des Porzellanikons gilt als wandelndes Lexikon, wenn es um das "weiße Gold" geht.

 
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Selb/Hohenberg - So mancher, der drei Jahrzehnte in einem Beruf tätig ist, entwickelt mit der Zeit immer mehr Routine, lässt es vielleicht auch schon einfach mal laufen. Nicht so Petra Werner. Seit sie 1990 als Volontärin beim Gründungsdirektor des Porzellanikons Hohenberg an der Eger und Selb, Wilhelm Siemen, angefangen hat, engagiert sie sich mit Herzblut für Porzellan. Heute ist sie die Hauptkuratorin am Haus, und das Feuer brennt wie eh und je. Das wird jedem klar, der sich mit ihr unterhält.

Öffnungszeiten und mehr

Die beiden Häuser des Porzellani-kons in Hohenberg an der Eger und in Selb-Plößberg sind geöffnet dienstags bis sonntags und an Feiertagen jeweils von 10 bis 17 Uhr.

Die aktuelle Sonderausstellung

"Formvollendet - Keramikdesign von Hans-Wilhelm Seitz" ist noch bis zum 4. Oktober im Porzellani-kon in Hohenberg zu sehen.

www.porzellanikon.org


"Eigentlich hab ich ja schon meinen Traumjob", sagt die 57-Jährige und erzählt, wie sie angefangen hat, ihre Leidenschaft fürs Porzellan. In die Wiege gelegt war ihr diese Passion nicht gerade. Obwohl sie aus der Porzellanregion Fichtelgebirge stammt - sie besuchte das Otto-Hahn-Gymnasium in Marktredwitz - hatte sie von Haus aus keinen Kontakt mit dem Material: Keiner aus ihrer Verwandtschaft arbeitete in der Porzellanindustrie; lediglich ein Ferienjob hatte sie einmal kurz in die Porzellanfabrik Thomas geführt.

Ihr Interesse allerdings galt durchaus schon immer den schönen Dingen des Lebens: Sie studierte Kunstgeschichte, Denkmalpflege und Volkskunde an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. 1990, mit dem Magisterabschluss in der Tasche, wollte sie "eigentlich nicht gleich in die Region zurück". Doch dann las sie in der Zeitung eine Anzeige, in der ein zweijähriges Volontariat im 1982 gegründeten Porzellanikon in Hohenberg ausgeschrieben war. Sie bewarb sich und wurde eingeladen. Beim Vorstellungsgespräch sollte sie unter anderem ein Thema für eine Sonderausstellung vorschlagen. Dabei kam ihr auch ihre Kenntnis der Region zugute. Es klappte.

"Das war damals eine ganz andere Welt", erinnert sich Petra Werner an die Anfänge und berichtet von Themen-Recherche ohne Internet, von einer ganz kleinen Bibliothek des Hauses ("Heute haben wir eine der umfangreichsten zum Thema Porzellan überhaupt.") und von sehr wenig Platz für die Ausstellungen in der wunderschönen ehemaligen Direktorenvilla des Unternehmens C. M. Hutschenreuther. "Für jede Sonderausstellung mussten wir Teile der Dauerausstellung wegräumen." Die Volontärin durfte von Anfang an mitarbeiten: "Damals wurde eine Ausstellung über die Ludwigsburger Porzellanmanufaktur vorbereitet, und ich wurde sofort eingebunden."

Dass Porzellan mehr bietet als Teller, Tasse oder Schale, lernte Petra Werner damals schnell. "Porzellan ist viel mehr! Mein Beruf war immer interessant und spannend, weil die Themen so unterschiedlich sind. Es gibt nichts, was es in Porzellan nicht gibt." Und immer mehr davon gibt es im Porzellanikon. "1990 hatten wir 4000 Nummern im Inventarbuch, heute weist dieses ,Gedächtnis der Sammlung etwa 250 000 aus."

Wenn auch die Anfänge mühsam waren: "Das hat uns nicht geschadet. Wir haben alles selbst gemacht bis hin zum Zusammenstellen der Werbeplakate." Sie habe damals alles von Grund auf gelernt, und heute weiß sie: "Ich lerne nie aus."

Das verdankt sie natürlich zu einem großen Teil sich selbst. Die Frau, die so energiegeladen und mitreißend von ihrem Beruf und ihrer Berufung für Porzellan erzählt, sitzt Abende lang zu Hause auf dem Sofa bei einem Glas Rotwein und liest. Wenn sie ihr Büro in Selb verlässt, hat sie endlich Zeit, sich intensiv mit dem Thema der nächsten Ausstellung zu beschäftigen. Denn ein Thema, das sie mit Porzellan - nicht selten ausschließlich aus dem Eigenbestand des Porzellanikons - umsetzen will, von allen Seiten zu beleuchten, das ist ihr Ding.

Petra Werner gilt nicht nur bei ihren Kollegen in der Region als eine Art wandelndes Porzellan-Lexikon. Die eigene Sammlung kennt sie aus dem Effeff, kein Wunder, war sie es doch, die sie, sobald das Porzellani-kon über Computer verfügte, inventarisierte. Noch als Volontärin kuratierte sie ihre erste eigene Ausstellung zum ihrem Lieblingsthema "Die zwanziger Jahre. Deutsches Porzellan zwischen Inflation und Depression - Die Zeit des Art Deco?!". Immer noch schwärmt sie davon: "Das ist eine Zeit, die mich heute noch fasziniert. Unglaublich, was die Porzellanfabriken nach dem Ersten Weltkrieg alles unternommen haben, um aufs Porzellan aufmerksam zu machen und zu überleben!"

Im Zuge dieser Arbeit nahm sie damals Kontakt mit dem Rosenthal-Archiv Kontakt auf, um eventuell Leihgaben für die Ausstellung zu erhalten. "Ich war geflasht, was es da alles gab." Sie bekam die Leihgaben und arbeitete im Gegenzug ein paar Stunden in der Woche für das Archiv. Ihre Kenntnisse erweiterte sie auch durch eine stundenweise Tätigkeit im Töpfermuseum Thurnau. "Das war toll!", erinnert sie sich. "Dort habe ich eigentlich alles gemacht und viel über Keramik gelernt. Das war eine sehr schöne Lebenserfahrung. Heute noch fahre ich im Urlaub gerne dorthin." Das Rosenthal-Archiv wie das Hutschenreuther-Archiv befinden sich heute im Besitz des Porzellanikons. Nicht zuletzt wohl auch, weil die ursprünglichen Eigentümer die Sammlungen bei Petra Werner in guten Händen wussten.

Selbstverständlich ist es mit der Recherche für und der Präsentation von Ausstellungen für die Kuratorin nicht getan. Zu ihren Aufgaben gehört es auch, Artikel für Ausstellungskataloge und Texte für den Museumsführer zu schreiben. Außerdem kümmert sie sich zusammen mit den Kollegen - "Es ist ein sehr gutes Miteinander mit den Kollegen in allen Abteilungen" - auch um Gäste, die in der Bibliothek des Hauses forschen wollen; zudem betreut sie Praktikanten und Studenten bei Dissertationen. Das ist ihr wichtig, denn: "Ich bin selber dankbar für jedes gute Buch über Porzellan, das erscheint." Und natürlich hält Petra Werner Expertisen-Tage und Führungen für die Besucher durch die Ausstellungen, die wegen ihren lebendigen Erzählungen sehr beliebt sind.

30 Jahre umgeben von Porzellan, das ist, wie ihre Tochter kürzlich festgestellt habe, "mehr als mein halbes Leben", sagt Petra Werner. Doch sie nimmt es mit Humor: "Ich hab schon eine Inventarnummer im Nacken."

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