Thurnau Intensiv, impulsiv und intellektuell

Stephan Herbert Fuchs
Ein Abend für Beethoven: Der Pianist Ingo Dannhorn im Kutschensaal von Schloss Thurnau. Foto: Stephan Herbert Fuchs

Klänge für die Ewigkeit: Beim Wilhelm-Kempff- Festival in Thurnau präsentiert der international renommierte Pianist Ingo Dannhorn ein phänomenales Beethoven-Programm.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Thurnau - Wirklich Spaß machen sie aufgrund der Umstände nicht, die Konzerte zu Corona-Zeiten. Wenn allerdings ein derart versierter Pianist wie der Wahl-Kulmbacher Ingo Dannhorn mit einem solch anspruchsvollen wie ausgeklügeltem Programm auftritt, dann vergisst der Zuhörer alle Corona-Auflagen um sich herum.

Das abgespeckte Kempff-Festival im Kutschenhaus des Schloss Thurnau, das diesmal nur aus zwei Konzerten mit identischem Programm bestand, und zu dem wegen der unsicheren Lage und der fehlenden Planungssicherheit kein weiterer Künstler eingeladen werden konnte, bot diesmal eine "Auseinander-Setzung" mit Ludwig van Beethoven. Mit der "Grande Sonate Pathetique" (Nr. 8 c-Moll op.13) und der "Hammerklaviersonate" (Nr. 29 B-Dur op. 106) präsentierte Ingo Dannhorn seine Sicht auf Beethoven, dessen 250. Geburtstag in diesem Jahr Corona-bedingt leider ebenfalls viel zu kurz kommt.

Beethovens Klaviersonaten sind ein Kosmos für sich, Klänge für die Ewigkeit. Kaum einer der großen Pianisten, der sie nicht eingespielt hat. Zwei der bekanntesten und gleichzeitig herausforderndsten Sonaten hat Ingo Dannhorn ausgesucht. Nicht kleckern, sondern klotzen, das ist seine Devise, und die Rechnung geht auf. Wenn einer die "Pathetique" und die "Hammerklaviersonate" an einem Abend bewältigt, dann gehört er zu den ganz Großen. Ingo Dannhorn meistert die beiden Werke konditionell wie intellektuell und ist dabei auch noch für die eine oder andere Überraschung gut.

Nichts, was dieser Pianist nicht fertig bringen würde. Die "Hammerklaviersonate" hatte zu Beethovens Zeiten alles Dagewesene gesprengt. Vom "Jakobsweg" und vom "Mount Everest der Musikgeschichte" hat Ingo Dannhorn im Vorfeld gesprochen, und natürlich bezwingt er das fast 50 Minuten andauernde Werk mit epischer Gestaltungskraft. Gestalterisch souverän, schlüssig, nachvollziehbar und überzeugend sowie bestechend in der Klangfülle zeigt sich seine langjährige Beschäftigung mit dem Werk, das er bereits vor einigen Jahren auf CD aufgelegt hat.

Ausgesprochen farbenreich präsentiert er die vielen kleinen Details. Dabei zieht sich Ingo Dannhorn nicht auf die technische Bewältigung oder auf didaktisches Spiel zurück, er begeistert vielmehr mit seiner impulsiven Spontaneität und mit Temperament. Und das vom mächtigen ersten Satz an. Die ungeheure Ausdrucksfülle zwischen Eruption im Kopfsatz und Andacht im Adagio des dritten Satzes zeigt eine intensive Beethoven-Analyse. Dabei kostet er die Bandbreite bei den Tempi und in der Dynamik vollends aus.

Gleiches gilt für die "Pathetique". Auch hier sitzt bei Ingo Dannhorn jeder Akzent. Sein Ton ist singend und voluminös. So lauscht er den Themen nach, kommt dabei ohne verhuschte Klangflächen und ohne übertriebenes Pathos aus. Ingo Dannhorn lässt die Töne gerne auch einfach einmal dahinströmen, Beethoven hätte bestimmt seine Freude daran gehabt. Auch beim Allegro aus der Sonate F-Dur op.10/2, das er überraschend zwischen dem ersten und zweiten Satz der "Pathetique" spielt.

Zwischen den Sätzen des ersten Teils hatte Ingo Dannhorn sowohl Beethoven als auch Wilhelm Kempff in Texten und Bildern zu Wort kommen lassen. Vom Band eingespielt wurden Ausschnitte unter anderem aus Kempffs Autobiographie "Unter dem Zimbelstern", ein kleiner Interviewausschnitt mit dem großen Meister und schließlich Beethovens berühmtes "Heilgenstädter Testament", gelesen von Joffrey Streit.

Alles in allem ist Ingo Dannhorn ein fantastischer Pianist, mit Intellekt und technischem Vermögen gleichermaßen gesegnet. Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er das kleine aber feine Festival im Andenken an Wilhelm Kempff überhaupt ins Leben gerufen und auch im Corona-Jahr ein derart anspruchsvolles Programm geboten hat. Das Wichtigste spricht Ingo Dannhorn gleich zu Beginn des Abends aus: "In diesen Zeiten merken wir erst, wie sehr Kunst und Kultur zum Menschsein gehört. Kunst und Kultur sind nicht systemrelevant, sondern lebensrelevant."

Bilder