Stadtsteinach/Neuenmarkt Mit dem Schlitten zum Wasserholen

Werner Reißaus

Herbert Walther erinnert sich an seine frühe Jugend in Stadtsteinach. Die Partheimühle ist ihm gut im Gedächtnis geblieben.

 
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Stadtsteinach/Neuenmarkt - Die Tageszeitung berichtet - wie der Name schon sagt - in der Regel über das Zeitgeschehen, aber mitunter ruft sie auch Erinnerungen an die Kindheit wach. So wie es vor wenigen Tagen bei dem heute 97-jährigen, früheren Bauingenieur Herbert Walther aus Neuenmarkt der Fall war, als er einen Bericht über die Sanierung der jahrhundertealten Partheimühle in der früheren Kreisstadt Stadtsteinach las: "Auf dem Bild erkannte ich an dem Gebotsschild ,Fußgänger’ genau die Ecke, wo der Fußweg hinunter zum Fußballplatz geht und wo ich als fast Fünfjähriger mit meiner Mutter Wasser aus dem Mühlbach holte."

Der zweigeschossige Walmdachbau der Partheimühle mit Sandsteinrahmung stammt aus dem zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts und gehört zu den bemerkenswerten Baudenkmälern der Stadt Stadtsteinach. Das Bild weckte bei Herbert Walther aber auch Kindheitserinnerungen an eine Wetterkatastrophe: "Es war der strenge Winter zur Jahreswende 1927/1928, mit tiefen und lang anhaltenden Minustemperaturen. Mit meinen Eltern wohnte ich in der Kronacher-Straße 26, damals eine Weberei mit Wohnhaus. Heute steht dort die Fachklinik Stadtsteinach. Sämtliche Wasserleitungen im Haus waren über Wochen immer wieder eingefroren. Die Leitungen lagen im Haus frei über Putz und waren zugänglich. Schlossermeister Knoll war dauernd im Haus unterwegs und versuchte die Wasserleitungen mit der Lötlampe aufzutauen. Den sehe ich heute noch, wie er mit seiner Lötlampe im Haus rumging und die Leitungen auftaute." Die Wände und Decken waren davon schon alle schwarz. Sogar die Hauptleitungen der Wasserversorgung der Stadt waren in der Straße in einer Tiefe bis zu 1,70 Metern eingefroren, sodass gar nichts mehr ging. Selbst die Ableitungen der damals üblichen Plumpsklos waren zugefroren. Der Herd in der Küche war Tag und Nacht in Betrieb, eine Zentralheizung gab es damals noch nicht, und um Heizmaterial zu ersparen, wurde nur die Küche geheizt.

Die altehrwürdige Mühle am Dammweg, die am Rand des Stadtsteinacher Stadtparks liegt, wurde schon um 1350 Pletzmul, um 1500 Beytzmule und um 1600 Plaitzmull genannt. Zwei Wasserräder trieben zwei steinerne Mahlgänge an, ein drittes Wasserrad bediente die Schneidmühle. Um 1775 errichtete ein Adam Pültz das heute denkmalgeschützte Walmdachgebäude, das mittlerweile dringend sanierungsbedürftig ist. Seinen Namen erhielt es im Jahr 1806, als ein Eduard Partheymüller aus der Kienmühle in Altenkunstadt in die Mühle eingeheiratet hatte. Die Mühle arbeitet heute noch in einem Teil des Hauptgebäudes; der Rest ist derzeit ungenutzt. Mehl aus der Partheimühle wird in den Regionalabteilungen von Supermärkten und an Bäckereien vertrieben. Die Mühle betreibt heute Dirk Parteimüller in der 18. Generation.

Ein Erlebnis blieb Herbert Walther bis heute in Erinnerung, und es ist bewundernswert, dass er sich in seinem hohen Alter sogar noch an Details erinnern kann: "Mein Herz hat höher geschlagen, als ich das Bild in der Zeitung sah. Da denkt man wieder an alte Zeiten, an die alten Kumpels, an Zeiten, die natürlich ganz anders waren als heute. Da gab es auch noch Bettler in Stadtsteinach. Früh um Sieben waren schon die ersten Bettler vor der Haustür gestanden, es waren häufig Musikanten aus Böhmen, die dann ein Ständchen spielten und dann für einen Teller Suppe Holzhacken mussten, weil mein Vater mit nur einem Arm das nicht konnte. Mit meiner Mutter holte ich mit meinem Rodelschlitten und einer Wanne darauf, Wasser aus dem vereisten Mühlbach am Turbinenhaus der Partheimühle. Damit deckten wir den täglichen Wasserbedarf für Küche und Körperpflege. Bei den tiefen Temperaturen war das beileibe kein Spaß, für mich als Kind schon gar nicht. Wir schöpften dort das Wasser aus dem Mühlbach und während ich den Schlitten zog, hielt meine Mutter die Wanne, wobei das Wasser auch mitunter überschwappte und sofort für einen eisigen Untergrund auf dem Weg sorgte."

Es sind aber noch andere Erinnerungen an seine Kindheit bei Herbert Walther im Gedächtnis geblieben: "Ich kann mich noch an die Weberei erinnern, denn als Buben spielten wir immer mit den kaputten Rollen der Weberei Schifflein im Mühlbach, einem Nebenarm der Steinach. Vor der Weberei war ein großes Wohnhaus, in dem drei Familien untergebracht waren und mein Vater war damals stiller Teilhaber der Weberei."

Diese Teilhabe war auch der Grund, warum die Familie Walther, die eigentlich aus Großenau bei Zell im Fichtelgebirge stammt, in dem Frankenwaldstädtchen nach dem Ersten Weltkrieg eine neue Heimat fand. Vater Max Walther hatte damals einen Bauernhof von den Eltern übernommen, doch als er mit dem Verlust seines linken Armes aus dem Krieg heimkehrte, war klar, dass er die Landwirtschaft aufgeben musste. Als Schwerkriegsbeschädigter fand der Vater dann am Bahnhof in Untersteinach eine Anstellung als Reichsbahnbeamter, während die Familie im benachbarten Stadtsteinach ihren Wohnsitz hatte, zunächst im Wohnhaus an der alten Weberei und danach noch zwei Jahre in einer Wohnung im "Weißen Rößl". Und Herbert Walther erinnerte sich auch hier noch ganz genau: "Die eine Wohnung war vom einzigen Stadtpolizisten der Stadt Stadtsteinach, einem Zwei-Meter-Mann bewohnt. Wir haben uns in Stanich wohl gefühlt." 1935 zog Herbert Walther mit seinen Eltern in die Eisenbahnergemeinde Neuenmarkt, wo der Vater am Bahnhof seine Arbeit hatte.

Als früherer Bauingenieur greift Herbert Walther mit Blick auf seine Kindheit nochmals die eiskalten Winter von damals auf: "Wir erlebten in den vergangenen Jahren mehrere warme Winter. Viele, die einen kalten Winter noch nicht selbst erlebt haben - meinen, das geht immer so weiter. Ein Winter wie 1927/1928 aber kommt über kurz oder lang wie das Amen in der Kirche wieder. Bei der Energiewende muss die Politik auf allen Ebenen darauf vorbereitet sein. Unsere modernen Heizungen sind alle auf die Grundenergie ,Strom’ angewiesen, um zu funktionieren, und zwar 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr. Die Energiewende mit Wind und Sonne muss auch dies gewährleisten. Die Speicherung ist dabei das Problem und eine Lösung ist nicht in Aussicht!"

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