Thurnau Mitten rein statt auf die grüne Wiese

Stefan Linß
Der Markt Thurnau will die Bebauung im Ortskern nachverdichten. In der Kirschenallee entsteht derzeit auf einem alten Firmengelände in zentraler Lage ein Neubaugebiet. Foto: Markt Thurnau

Die Thurnauer Strategie, das Zentrum zu beleben, trägt Früchte. Am Ortsrand will die Marktgemeinde keine neuen Flächen für Handel und Wohnhausbau ausweisen.

 
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Thurnau - "Nachverdichtung ist heute ein Riesenthema", sagt Martin Bernreuther. Der Thurnauer Bürgermeister und alle Fraktionen im Marktgemeinderat wollen den Dorfkern weiter stärken. Sie lassen Handel und neue Wohngebiete am Ortsrand auf der grünen Wiese nicht mehr zu. Stattdessen sollen die Leerstände im Zentrum verschwinden. Vor fünf Jahren ist der Entschluss dazu gefallen, heute ist der Erfolg der Strategie bereits sichtbar. Ein Förderprogramm hilft.

Nachhaltig und lebenswert: Während die Landverschwendung vielerorts voranschreitet, wollen die Thurnauer ihre Ressourcen nachhaltig schützen. Gleichzeitig ist es ihr Anliegen, einen lebenswerten Ort zu schaffen, der es auch älteren Einwohnern erlaubt, zu Fuß die Einkäufe zu erledigen. "Es ist ein Fehler, immer neue Baugebiete auszuweisen, statt den Bestand zu erhalten", betont der Bürgermeister im Gespräch mit der Frankenpost.

Er fordert: Kommunen sollen nicht länger zulassen, dass Investoren ihre Bedingungen diktieren und damit immer neue Flächen benötigt werden. "Es zerreißt sonst unsere Orte." Die Kommunalpolitik könne sich ruhig mehr Durchschlagskraft zutrauen. "Wir müssen selber sagen, was wir für einen Ort wollen. Wir dürfen uns nicht von Investoren das Handeln diktieren lassen."

Nahversorgung im Ortskern: Der Bürgermeister erinnert sich gut an die Situation vor fünf Jahren, als das Thema zum ersten Mal auf der Agenda stand. Damals wollte der große Verbrauchermarkt den Standort im Dorf aufgeben und am Ortsrand neu bauen. Damit wäre er für viele Bürger fußläufig nicht mehr zu erreichen gewesen, sondern nur noch mit dem Auto. "Wir haben einen Ausschuss für Gemeindeentwicklung gebildet, um generell die Frage zu klären, wie wir Thurnau voranbringen wollen", sagt Martin Bernreuther. Eines der vom Ausschuss definierten Ziele war es, die Nahversorgung im Ortskern zu halten.

Gemeinsame Lösung: In Zusammenarbeit mit einem Planungsbüro hat die Gemeinde auf der Karte dann einen Kreis um den Dorfkern gezogen. Innerhalb dieser Fläche sollten Einzelhandel, Busanbindungen, behindertengerechte Wohnungen, Bäcker, Metzger und Banken zu finden sein.

Der Investor, der den Verbrauchermarkt eigentlich woanders bauen wollte, war anfangs weniger begeistert. Am Ende haben alle Beteiligten eine gemeinsame Lösung gefunden. Es gab auch kritische Stimmen, aber die Mehrheit im Dorf habe die Idee des Gemeinderats unterstützt. Bis heute ist Thurnau von seiner Linie nicht abgewichen. "Das hatte einen ganz guten Effekt", sagt Bernreuther. Im Zentrum sind mittlerweile zwei Verbrauchermärkte auf ehemaligen Brachflächen neu entstanden. Gleich in der Nähe befindet sich der Busbahnhof.

Falsche Entscheidung: Die öffentlichen Verkehrsmittel sind wichtig, weil die demografische Entwicklung voranschreite. Der Bus bietet die Möglichkeit, im Alter mobil zu bleiben. "Unsere Bevölkerung wird älter und wir werden weniger", sagt der Bürgermeister. Studien zeigen, dass bis 2030 in Oberfranken der Anteil der Menschen im Alter über 65 Jahren um 25 Prozent steigen wird. Die Sterbefälle übertreffen die Geburten bei weitem. Der Landkreis Kulmbach wird in 15 Jahren voraussichtlich 7000 Einwohner verlieren. Deshalb sei es eine falsche Entscheidung, noch mehr Flächen auszuweisen.

Neue Baugrundstücke: Das gelte nicht nur für den Einzelhandel, sondern auch für die Wohnbebauung. Lücken sollen effizient genutzt werden. In der Kirschenallee, auf einem alten Firmengelände in zentraler Lage, hat ein privater Bauträger 15 neue Parzellen erschlossen. Nach und nach werden nun die Häuser gebaut. Das erste steht schon. Auf einer unbebauten Wiese in der Schorrmühlstraße sind zuletzt vier neue Baugrundstücke entstanden.

"Außerdem ist es uns sehr wichtig, dass die historische Bausubstanz erhalten bleibt", sagt der Bürgermeister. Viele Leerstände seien verschwunden. Die Gemeinde hat mit Fördermitteln für zwei Millionen Euro das alte Rathaus in der Ortsmitte revitalisiert. Dort ist unter anderem die Sparkasse eingezogen. Nebenan gibt es eine Bäckerei, ein Café, eine Eisdiele, einen Bioladen und eine Reihe weiterer Geschäfte.

Auch auf die Begrünung mit vielen Bäumen legt die Gemeinde Wert. In einer Gestaltungsfibel, die im vergangenen September erschienen ist, haben die Thurnauer die Leitlinien für weitere Sanierungen festgelegt. Einen ähnlichen Weg beschreitet nun auch der Markt Mainleus.

Schönere Häuser: Thurnau war in Oberfranken Vorreiter und hat Mittel der Nordostbayernoffensive genutzt, um ein kommunales Förderprogramm auf die Beine zu stellen, sagt Bernreuther. Private Hausbesitzer erhalten Zuschüsse, um leer stehende Häuser zu sanieren und zu revitalisieren. Auch die Erneuerung von Fassaden wird gefördert. Sieben Eigentümer haben sich seit 2018 schon angemeldet und Geld beantragt, um ihre Häuser schöner zu machen. Moderne Sanierungs- und Baumethoden sollen sich harmonisch mit historischen Elementen ergänzen. Gutes Bauen im Bestand - so heißt das Ziel der Thurnauer.

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