Die finden die Mitarbeiter. Auch wenn es nicht immer einfach ist. Was sagt und tut man, wenn Eltern im Jugendamt anrufen und mitteilen, sie hätten vier Kinder, und drei davon müssten weg? Auch einen solchen Fall habe es in Kulmbach bereits gegeben, erinnert sich Klaus Schröder. Nicht alle Konflikte sind so extrem. In den meisten Fällen gelingt es, gemeinsam mit den Eltern Bedingungen zu schaffen, die Kindern und Eltern ein weiteres Zusammenleben ermöglichen, manchmal auch mit dauerhafter aktiver Unterstützung des Jugendamts.
Seit 1. Oktober 2009 gibt es im Landkreis die Koordinierende Kinderschutzstelle. Sie verfolgt die Ziele, frühzeitig und präventiv Risiken und Gefährdungen im Aufwachsen von Kindern in Familien zu erkennen und den notwendigen Unterstützungsbedarf zu gewährleisten. 82 Betreuungsfälle gab es vergangenes Jahr, 69 davon waren sogenannte Erstkontakte.
Immer wieder sind es Nachbarn, Lehrer, Kindergärten oder auch Ärzte, die die Behörde einschalten, weil sie fürchten, dass es Kindern nicht gut geht. 121 solcher "Gefährdungsmeldungen hat es im vergangenen Jahr gegeben, 183 Kinder und Jugendliche waren davon betroffen. 327 Beratungskontakte mit Eltern und Kindern hat es in der Folge gegeben.
Wenn es, warum auch immer, in der Ursprungsfamilie nicht mehr klappt, muss das Jugendamt ein neues Zuhause für die betroffenen Kinder suchen. Das kann ein Heim sein, aber auch eine Pflegefamilie. 44 Pflegekinder aus der Obhut des Kulmbacher Jugendamts leben derzeit in 35 Familien. 25 Minderjährige aus dem Kreis Kulmbach lebten zum Jahresende 2017 in Heimen.
Die Dynamik in manchen Familien, sagt Jugendamtsleiter Schröder, könne man oft nicht nachvollziehen. Kinder würden zuweilen schlicht von ihren eigenen Eltern als "Störung" empfunden. Dass Eltern ihre Kinder nicht mehr wollen habe es in dieser Ausprägung früher nicht gegeben. "Verantwortung zu übernehmen und auch zu leben, daran mangelt es immer mehr. Es gibt Eltern, die bei uns anrufen und sagen, sie wollen ihre elterliche Sorge abgeben. Wir untersuchen jeden Einzelfall. Es gibt Wege, wo es dann mit Unterstützung einen Weg gibt, es gibt aber auch Fälle, wo man sagen muss, es gibt keine Lösung."
Die Kulmbacher Geschwister-Gummi-Stiftung mit ihren Einrichtungen arbeitet auf unterschiedlichen Ebenen sowohl mit Eltern als auch mit Kindern. Edeltraud Dahlhoff als Leiterin der Bereiche Familie und Erziehung erlebt eine massive Steigerung von Überforderungssituationen von Eltern und auch eine steigende Zahl von Gefährdungssituationen für Kinder. "Wer erleben eine deutliche Zunahme von Vernachlässigungen, vor allem auch bei noch ganz jungen Kindern."
Wenn Eltern sich nicht so um ihre Kinder kümmern, wie man sich das wünschen würde, gibt es vielschichtige Gründe, weiß Edeltraud Dahlhoff. "Wir haben immer mehr Erwachsene, die mit sich selbst beschäftigt sind, die eigene problematische Situationen haben, überlastet sind oder unter psychischen Erkrankungen oder unter einer Sucht leiden." Armut und die damit verbundenen Probleme seien eine weitere Ursache dafür, dass es zwischen Kindern und Eltern nicht funktioniert. "Wenn ohnehin schon so viele Probleme da sind, ist die Neigung, Kinder zu vernachlässigen, größer", weiß Edeltraud Dahlhoff. Sie erlebe aber auch Familien, in denen die Kinder materiell alles bekommen. "Aber was sie wirklich brauchen, Aufmerksamkeit, Liebe, Zeit, das kommt zu kurz."
Edeltraud Dahlhoff macht sich um die Kinder, die zum Beispiel im Heim der Gummistiftung gelandet sind, weniger Sorgen. Sie sind in Sicherheit, auch wenn sie aus ihrer Vergangenheit oft schwere Bündel zu tragen haben, und es Jahre dauert, bis sie nach ihren manchmal unvorstellbaren Erlebnissen wieder ein "normales" Verhalten zeigen. "Mir bereiten die vielen Kinder sorge, die in ihren Familien leben und leiden", sagt die Leiterin des Kinderheims. Es gebe viele Fälle, wo Kinder gerade so an der Grenze dessen leben, was gesetzlich noch toleriert wird. "Eigentlich wissen wir, dass es für die Kinder dort nicht gut ist, aber es reicht nicht, sie herauszunehmen." Das hinzunehmen fällt Edeltraud Dahlhoff schwer: "Wir Erwachsenen haben die Verantwortung dafür, dass das so läuft und Kinder unter solchen Bedingungen leben müssen."