Thurnau Nashorn Clara zu Besuch in Nürnberg

Harald Stark

Im Jahr 1741 ist ein Rhinozeros von Bengalen nach Europa gebracht worden. Daran erinnert eine Münze. Ein besonderes Exemplar gehörte den Grafen von Giech.

 
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Thurnau - Hand auf Herz, was sammeln Sie? Ich glaube, ich habe keinen unter meinen Bekannten und Freunden, der nicht irgend etwas sammelt. In jungen Jahren habe ich einmal angefangen, Briefmarken zu sammeln, doch war mein Interesse daran nicht von langer Dauer. Andere sammeln Bierdeckel oder Mineralien. Auch die Grafen von Giech teilten sich mit vielen anderen Menschen eine Leidenschaft: Sie sammelten Münzen.

Die ältesten in ihrer Sammlung enthaltenen Geldstücke dienten den alten Römern als Zahlungsmittel. Den Kern derselben bilden Kursmünzen aus Franken und den benachbarten wettinischen und reußischen Landen in Sachsen und Thüringen. Aber auch viele Gedenkmünzen und Medaillen befinden sich in ihrem Münzkabinett.

Ein kurioses Stück, das mich von Beginn meiner Beschäftigung mit der Giech’schen Münzsammlung an besonders interessierte, ist eine im Durchmesser knapp vier Zentimeter messende Silbermedaille, die auf der Vorderseite ein in einer sonnenbeschienenen Landschaft stehendes Panzernashorn zeigt. Es hat die gehörnte Nase neugierig in die Luft gereckt und scheint mit seinen kleinen Ohren zu spielen. Unter seinen massigen Füßen ist der Städtename Nürnberg in Großbuchstaben auf die Medaille geprägt.

Auf der Rückseite informiert folgender Text über die Ursache dieser Münzprägung: "Dieser Rhinoceros ist 1741 durch den Capitain David Mout von der Meer aus Bengalen in Europa gebracht und ist im Jahr 1747, als er 8 1/2 Jahr alt war, 12 Schuh lang und 12 Schuh dick und 5 Schuh 7 Zoll hoch gewest. Er frist täglich 60 lb Heu, 20 lb Brodt und sauft 14 Eimer Wasser, 1748." Ein Nürnberger Fuß entspricht nach heutigem Maß einer Länge von 30,397 Zentimetern. So war das achteinhalb Jahre alte Tier 1747 also 3,65 Meter lang, genau so dick (!) aber nur 1,80 Meter hoch gewesen. Das Kürzel "lb" steht übrigens für die Maßeinheit Pfund, wobei ein Nürnberger Pfund nach heutigem Maß einem Gewicht von 509,5 Gramm entspricht.

Doch wie kam dieses Nashorn vor 273 Jahren ins fränkische Nürnberg? Der aus Leiden in Holland stammende Seemann Douwe Mout van der Meer war 1740 im Auftrag der niederländischen Ostindien-Kompanie nach Bengalen, einer Region in Nordosten des indischen Subkontinents, gesegelt. Dort war die Mutter des Nashorns von Eingeborenen mit Pfeilen getötet worden.

Jan Albert Sichterman, der Direktor der Ostindien-Kompanie in Bengalen, hatte sich schließlich des Jungtiers angenommen, es großgezogen und gezähmt. Als das Nashorn, dem er den Namen Clara gegeben hatte, zu groß für Sichtermans Haushalt geworden war, verkaufte er es 1740 an Douwe Mout van der Meer, der mit ihm 1741 nach Holland zurückkehrte.

Hier hängte Mout van der Meer sein Ölzeug an den Nagel und wechselte seine Profession vom Seemann zum Schausteller. Nachdem das Tier zunächst an verschiedenen Orten in den Niederlanden zu sehen gewesen war, startete es mit seinem Besitzer 1746 zu einer großen Europatournee. Diese hatte der Kapitän hervorragend organisiert. Er hatte verschiedene Werbezettel drucken lassen, die meist mit einer gelungenen Darstellung Claras geziert waren und die Geschichte des Tieres darlegten.

Anfangs 1748 tourte Clara mit ihrem Herrn noch in der Schweiz. Dann kamen die beiden von Stuttgart über Augsburg, wo der berühmte Kupferstecher Johann Elias Ridinger Clara portraitierte, nach Nürnberg. Am 22. Juli hatte Clara ihren Einzug in Frankens Metropole gehalten. Ihr Herr hatte ihr auf der Schütt, einer von der Pegnitz umflossenen Insel im Osten der Nürnberger Altstadt, eine Bretterhütte errichten lassen, in der das Nashorn knapp einen Monat lang, bis zum 20. August, zu sehen war. Über Ansbach ging es dann weiter nach Würzburg, wo "Jungfer Clara" vom Hofmaler Anton Clemens Lünenschloss in seinem Skizzenbuch festgehalten wurde. Bis 1758 tourte Douwe Mout van der Meer mit seinem Rhinozeros kreuz und quer durch Europa, bis das arme Tier am 14. April 1758 im 21. Lebensjahr in London verendete.

Als Erinnerung an den Besuch Claras in Nürnberg hatte der Stempelschneider Peter Paul Werner fünf verschiedene Medaillen mit dem Konterfei des Panzernashorns prägen lassen, von denen eine durch ihre lange Rückseitenaufschrift aus dem Rahmen fällt. Und gerade dieses seltene Stück ist in der Giech’schen Münzsammlung vertreten.

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