Stadtsteinach/Kulmbach Satire geht unter die Gürtellinie

Stefan Linß
Annegret Kramp-Karrenbauer hat nicht alle Lacher auf ihrer Seite. Die CDU-Politikern erlaubte sich im Karneval einen Scherz über intersexuelle Menschen und muss dafür viel Kritik einstecken. Foto: Patrick Seeger/dpa Quelle: Unbekannt

Über Annegret Kramp-Karrenbauers Büttenrede gibt es auch in Kulmbach und Stadtsteinach eine Diskussion.

 
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Stadtsteinach/Kulmbach - Das Publikum in Stockach am Bodensee soll über Annegret Kramp-Karrenbauers Karnevalsrede herzlich gelacht haben. Eine Passage lautete folgendermaßen: "Wer war denn von Euch vor Kurzem mal in Berlin? Da seht ihr doch die Latte-Macchiato-Fraktion, die die Toiletten für das dritte Geschlecht einführen. Das ist für die Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder noch sitzen müssen. Dafür, dazwischen, ist diese Toilette." Dass sich die CDU-Vorsitzende über die Minderheit der intersexuellen Menschen lustig macht, finden nicht alle Menschen spaßig. In den vergangenen Tagen haben sich viele Kritiker geäußert. Die Diskussion über die Grenzen der Satire wird auch in Kulmbach und Stadtsteinach geführt.

Ein Büttenredner habe natürlich schon einen Spielraum, sagt Andy Sesselmann, der Präsident der Faschingsgesellschaft Stadtsteinach. "Aber es gibt mit Sicherheit auch Grenzen." Es komme schon darauf an, wer etwas sagt. Ein Politiker sollte die Grenzen kennen. Annegret Kramp-Karrenbauers Aussage sei deshalb überzogen gewesen.

In Stadtsteinach stehe aus gutem Grund kein Politiker in der Bütt. Der Faschingsverein hat auch nicht vor, das zu ändern. Dass die bewährten Redner auch mal Witze machen dürfen, die unter die Gürtellinie gehen, sei üblich. "Wir diskutieren darüber, was in Ordnung ist und was nicht. Da haben wir genügend Disziplin im Verein und können ganz offen darüber reden", betont Andy Sesselmann.

Die Stadtsteinacher Narren seien eingespielt. Jeder wisse, wie weit er gehen kann. "Wir haben unseren Stil gefunden", sagt der Präsident. Wenn es nötig wäre, dann würde konsequent auch mal ein Witz gestrichen. Mit einem Maulkorb habe das nichts zu tun.

Ganz ohne Ausnahme geht es in Stadtsteinach aber nicht. Klaus Peter Söllner darf im Fasching hin und wieder sein schauspielerisches Können zeigen. Der Landrat ist bekannt für seine Parodie des österreichischen Volksschauspielers Hans Moser. Beschwert hat sich darüber noch niemand.

Jedoch müssen auch gelernte Komiker im Karneval Kritik einstecken. Bernd Stelter ist heuer in Köln auf der Bühne von einer Zuschauerin zur Rede gestellt worden, weil er sich über Frauen mit Doppelnamen lustig gemacht hat. Gabriele Möller-Hasenbeck hat mit ihrer öffentlichen Kritik eine Debatte ausgelöst. Im Internet wird "Steltergate" eifrig diskutiert. Nach Annegret Kramp-Karrenbauers Toiletten-Witz erhält der Streit über die Humor-Kultur beim Fasching nun neuen Zündstoff.

Bei Rüdiger Baumann hält sich die Empörung in Grenzen. Der Kulmbacher Theaterinhaber, Schauspieler und Regisseur kann die Aufregung nur bedingt nachvollziehen, zumal es offenbar wichtigere Themen zu diskutieren gäbe. "Kabarett und Satire sind ganz eigene Kommunikationsformen und schreien nach Überspitzung und Übertreibung", sagt Rüdiger Baumann. Auch eine Polarisierung, die teilweise ins Extreme gehen kann, sei durchaus gewünscht. Die Frage sei doch: Darf ein Politiker das auch?

"Die Politik ist ja selbst oft eine große Show. Wir erwarten, dass sich die Politiker gegenseitig zerfleischen", sagt der Kulmbacher. Seinen politischen Gegner niederzumachen, das sei erlaubt. Aber eine satirische Äußerung nicht. "Ich weiß nicht, ob das richtig ist."

Es komme oft genug vor, dass sich Politiker hinter Worthülsen verstecken und sehr allgemeine Formulierungen wählen. Wenn sie hingegen zugespitzt ihre Meinung äußern, dann müssen sie befürchten, dass sofort auf sie eingedroschen wird. "Annegret Kramp-Karrenbauers Äußerung ist ein Grenzfall. Aber es ist auch Kabarett. Und es ist eine Position, über die eine Diskussion möglich ist. Die politische Diskussion besteht aus solchen Positionen", sagt Rüdiger Baumann.

Politiker seien ja selbst eine Minderheit, über die sich viele oft genug lustig machen. "Sie dürfen vieles nicht, das wir dürfen. Das heißt, sie werden diskriminiert." Es sei deshalb ganz gut, dass aktuell darüber gesprochen wird, inwieweit sich Politiker auch als Kabarettisten versuchen sollen.

Die Grenze des Humors sei prinzipiell wohl dann erreicht, wenn andere Menschen schlecht gemacht werden. Aber es gibt immer Grauzonen und es komme auf die Darstellungsform an. Das Theaterstück "A schöna Leich" sei ein gutes Beispiel dafür. Die Figur des Vati lästert darin ganz offen über Ausländer und hat für sie politisch unkorrekte Ausdrücke parat. Jedem Zuschauer sei klar, dass das eine Rolle ist. "Und es ist natürlich auch eine anders verpackte Kritik an solchen Typen, die es in Wirklichkeit gibt und die genauso reden und denken wie es der Vati auf der Bühne tut", sagt Rüdiger Baumann.

Es gehe in solch einer Rolle darum, dem Volk aufs Maul zu schauen. Die Satire überzeichne die Situation, um die Wirklichkeit kritisieren zu können. Das sei beim Film, im Theater und bei einer Büttenrede im Fasching nicht anders. Es treten dort aber meistens Kunstfiguren auf und keine echten Politiker.

Hintergrund der Diskussion: Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat der Bundestag umgesetzt, dass neben "männlich" und "weiblich" im Geburtenregister auch der Eintrag der Option "divers" möglich ist. Intersexuelle Menschen haben uneindeutige Geschlechtsmerkmale.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar unserer Redakteurin: >>" target="_blank">

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