Und noch eine weitere technische Änderung gibt es für die Polizei im Einsatz zu beachten: Weil es auch ein neues Holster gibt, muss das Ziehen der Waffen neu geübt werden. Die neue Technik soll sicherstellen, dass bei einem Gerangel oder in einem Moment der Unachtsamkeit nicht ein anderer die Pistole unrechtmäßig an sich nehmen kann - so wie es im Juni 2017 auf einem Bahnsteig in Unterföhring geschah. Dort wurde einer junge Polizistin im Dienst mit der Waffe ihres Kollegen in den Kopf geschossen.
Trainer werden nun in den nächsten Wochen und Monaten allen Beamten den Umgang mit der SFP9 vermitteln. Dazu wird es Theorie- und Praxisunterricht geben. Und sogar Hausaufgaben. "Denn grundsätzlich sagt man, dass eine Bewegung 1200 Mal ausgeführt werden muss, damit sie verinnerlicht ist", so Brettschneider. Weil solch eine Zahl in der Schulung niemals erreicht werden kann, seien die Polizisten angehalten, auch darüber hinaus den Umgang mit der Waffe zu üben. In der Dienststelle stehen ihnen dazu sogenannte Rotwaffen zu Verfügung. Das sind nichtfunktionsfähige Pistolen, die zu hundert Prozent der echten Waffe gleichen, aber selbst mit Munition geladen keinen Schuss abgeben können. "Damit kann nicht nur das Ziehen sicher geübt werden", erklärt Christian Brettschneider. Dank roter Farbe - unter anderem am Griff - ist die Trainingswaffe gleich auf den ersten Blick als solche erkennbar.
Apropos Griff: Auch der ist bei der SFP9 etwas ganz besonderes. "Damit jeder eine passende Waffe bekommt, gibt es für die beiden Griffschalen sowie den Griffrücken je drei unterschiedliche Größen", verdeutlicht Brettschneider. Um die Waffe perfekt auf Form und Größe der eigenen Hand anzupassen, wählen die Beamten aus 27 verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten der Griffteile. Und nicht nur deshalb liegt die Pistole besser in der Hand. "Sie ist leichter als die bisherige P7", so Brettschneider. Das Datenblatt des Herstellers weist für die SFP9 ein Gewicht von 710 Gramm aus. Im geladenen Zustand sind es 870 Gramm.
"Wir erhalten mit der neuen Pistole eine sichere und zeitgemäße Waffe", betont der Coburger Polizeiinspektionsleiter Ralf Neumüller. Statt der bisher acht Patronen im Magazin hält die SFP9 nun 15 Schuss vor. "Hinzu kommen 15 Schuss im zweiten Magazin, das die Beamten mitführen." Damit sei ein Polizist mit 30 Schuss im Einsatz. "Auch im Hinblick auf eine Terrorabwehr ist das eine deutliche Verbesserung."
Dass sich der Freistaat für eben jenes Heckler & Koch-Modell entschieden hat, mit dem bis Ende des Jahres alle 33 5000 bayerischen Polizisten ausgestattet sein sollen, geht mit auf das Konto von Ralf Neumüller. Der Dienststellenleiter saß in der Projektgruppe, die die Umstellung vorbereitet hat. "Erste Gespräche gab es bereits Ende 2016", erinnert er sich. Nach der Auftragsbekanntgabe im Juni 2017 seien mehrere Angebote beim Freistaat eingegangen - vier Pistolen schafften es in die engere Auswahl. "Nachdem mehr als 1000 Beamte monatelang die Anwendung erprobten, bekam Heckler & Koch im Dezember 2017 den Zuschlag", so Neumüller. Im August 2018 fiel die Entscheidung für das neue Holster.
Dass der Freistaat seine Polizisten überhaupt mit neuen Waffen ausstattet und für die Anschaffung von 40 000 SFP9-Modellen 30 Millionen Euro ausgibt, sei ein Zeichen der Wertschätzung der Polizei gegenüber, findet Ralf Neumüller. Allerdings war es auch dringend notwendig. "Denn die bisherige P7 ist seit 1979 im Einsatz und wird seit 2008 gar nicht mehr produziert", weiß der Inspektionsleiter. Das Beschaffen von Ersatzteilen sei immer schwieriger geworden, und langsam wurden auch die Bestände knapp. "Auf lange Sicht fehlen uns für die vielen neuen jungen Beamten dann einfach die Pistolen", so Neumüller.