Kulmbach Trotz Straftat keine Strafe

Computer und Elektronik sind oft beliebte Beute. (Symbolbild) Quelle: Unbekannt

Zwei Zwölfjährige haben in einem Kulmbacher Parkhaus randaliert und wurden erwischt. Doch weder die Kinder noch ihre Eltern müssen deshalb Konsequenzen fürchten.

 
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Kulmbach - Die Polizei meldet einen Ermittlungserfolg: Ende Oktober hatte die Stadt Kulmbach Anzeige erstattet, nachdem unbekannte Täter im Obergeschoss des Parkhauses in der Basteigasse mehrere Leuchtstoffröhren, ein Notausgangsschild und ein geparktes Auto beschädigt hatten. Wo sonst solche Sachbeschädigungen oft nicht aufgeklärt werden können, hatten die Ermittler diesmal Glück: Aufgrund einer Zeugenaussage und weiterer Ermittlungsarbeit hat die Polizei zwei zwölfjährige Jungen als Täter ermittelt. "Der Grund für ihre Zerstörungswut muss noch hinterfragt werden", heißt es im Bericht der Polizei. Hinterfragt wird in den kommenden Tagen wohl noch mehr in dieser Angelegenheit. Unter anderem will die Stadtverwaltung prüfen, ob sie die Eltern der beiden strafunmündigen Kinder für den angerichteten Schaden haftbar machen kann.

Eltern haften für ihre Kinder?

Wer hat nicht schon die meist gelben Schilder wahrgenommen, auf denen die Warnung "Eltern haften für ihre Kinder" steht? Wer ein solches Schild aufhängt, etwa um eine Baustelle zu schützen, kann bestenfalls auf Abschreckung hoffen. Eine Haftung, im Sinne der Erstattung möglicherweise angerichteter Schäden, wird man gegenüber Eltern nur selten durchsetzen können, wenn deren noch nicht strafmündigen Sprösslinge etwas angestellt haben. Eltern können nur dann für ihre Kinder zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie ihre eigene Aufsichtspflicht verletzt haben.

Für Kinder und Jugendliche gilt ein weitreichender Schutz, selbst dann, wenn sie anderen Schaden zufügen. Bis zur Vollendung ihres siebten Lebensjahres sind Kinder überhaupt nicht deliktfähig. Danach sind sie zwar, wie der Gesetzgeber das nennt, " bedingt deliktfähig", aber das heißt noch lange nicht, dass sie oder ihre Eltern haftbar sind. Wenn Kinder beispielsweise einen Unfall im Straßenverkehr verursachen, sind sie erst nach Vollendung ihres zehnten Lebensjahres deliktfähig. Strafmündig ist man erst, wenn man 14 Jahre alt ist. Dann gilt bis zum 18. Lebensjahr, unter Umständen sogar bis zum 21. Lebensjahr, das Jugendrecht, falls es zu einer Verurteilung kommt.

Bei der Annahme, dass zivilrechtlich Eltern einspringen müssen, um Schäden zu bezahlen, die ihr Kind verursacht hat, handelt es sich um einen der am weitesten verbreiteten Rechtsirrtümer. In Paragraf 832 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist geregelt, dass Eltern selbst ihre gesetzlich vorgegebene Pflicht schuldhaft verletzt haben müssen, damit man sie statt ihrer Kinder für den Schadensersatz heranziehen kann. Wie weit man von den Eltern verlangen kann, auf ihre Kinder zu achten, hängt von deren Alter, der Eigenart und Charakter des Kindes, aber auch davon ab, was man den Eltern ihren eigenen jeweiligen Verhältnissen zumuten kann. Was müssen verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen unternehmen, um eine Schädigung Dritter durch ihr Kind zu verhindern, lautet hier die Frage. Wenn etwa ein Kind schon öfter "Mist gebaut" oder gar eine Straftat begangen hat, liegen die Anforderungen an die elterliche Aufsicht höher als wenn das Kind bis dahin noch nie auffällig geworden ist. Aber auch wenn der Grundsatz lautet, dass Eltern ihre Kinder so betreuen müssen, dass andere keinen Schaden nehmen, heißt das nicht, dass sie ihre Kinder keine Sekunde aus den Augen lassen dürfen.

Wenn es sich um Straftaten handelt, wird es schwierig, einen Schaden über eine Haftpflichtversicherung abzuwickeln. In allen anderen Fällen dürfte es aber Sinn machen, eine solche Versicherung zu haben. Sind die Kinder noch klein, kann es Sinn machen, deliktunfähige Personen mit einzubeziehen. Wenn nämlich ein sechsjähriges Kind Nachbars Auto zerkratzt, kann es sein, dass unter Umständen kein haftungsrelevantes Verhalten vorliegt und damit der Versicherer nicht zahlt. Das müssten dann zwar auch die Eltern nicht tun, aber wer riskiert schon gern den Frieden mit den Nachbarn?

Für die Polizei ist mit der Ermittlung der Täter der Fall auch schon abgeschlossen. Denn mit zwölf Jahren sind Kinder nicht strafmündig. Sie können für Taten, die sie begehen, nicht bestraft werden. "Der entscheidende Tag für uns ist der 14. Geburtstag eines Verdächtigen", sagt der Leiter der Kulmbacher Polizeiinspektion, Peter Hübner. Wenn dieser Tag noch nicht erreicht ist, gibt es für die Polizisten nur zwei Dinge zu tun: Das betreffende Kind seinen Eltern zu übergeben und einen schriftlichen Bericht ans Jugendamt zu schicken. Dann geht der Fall zu den Akten. Weitere Konsequenzen gibt es aus polizeilicher Sicht nicht.

Dass Kinder unter 14 Jahren Straftaten begehen, ist in Kulmbach nicht so häufig, weiß Peter Hübner zu berichten. "Wenn wir Kinder erwischen, handelt es sich meist um kleine Delikte", weiß Peter Hübner. Sachbeschädigungen, wie im Fall des Parkhauses, oder Ladendiebstähle sind die Delikte, um die es meistens geht, wenn Kinder im Spiel sind. "Meistens handelt es sich um eine Art Mutprobe oder einfach um Blödsinn."

Ihrer Pflicht, grundsätzlich in solchen Fällen das Jugendamt zu informieren, kommt die Polizei natürlich nach. 31 solcher Hinweise gab es im Jahr 2016, im Jahr darauf waren es 41, berichtet Jugendamtsleiter Klaus Schröder. Auch er weiß: Sachbeschädigungen und Ladendiebstähle sind meist der Grund für die Benachrichtigung. Was das Jugendamt damit anfängt, hängt laut Schröder immer vom Einzelfall ab. "Manchmal sind es einfach nur Bagatellen, etwa, wenn ein Nachbar anzeigt, dass ein Kind etwas heruntergeworfen und beschädigt hat." Solche Vorfälle haben meist kein Nachspiel. Ist das Kaliber etwas größer oder gibt es zu einem Kind mehrere Hinweise, wird die Behörde aktiv und nimmt Kontakt zu der Familie auf, um den Sachverhalt zu besprechen. Dabei wird laut Klaus Schröder dann auch geklärt, ob Maßnahmen ergriffen werden. Das können erzieherische Hilfen sein, die Vermittlung an eine Beratungsstelle oder auch der Rat, mit dem Kind einen Arzt aufzusuchen. "Das kommt immer auf den jeweiligen Fall an. Für eine Haarspange im Wert von 95 Cent muss man nicht immer gleich losschießen. Wenn das allerdings das zweite Mal vorkommt, schauen wir dann schon genauer hin."

Notorische Täter im Kindesalter, sagt Schröder, gibt es derzeit nicht im Landkreis Kulmbach. Auch keine Kinder, die schwerwiegende Delikte begehen. Der letzte Fall von echter Relevanz, erinnert sich der Jugendamtsleiter, liegt Jahre zurück. Damals hatten Kinder Tiere getötet und waren erwischt worden. "Das haben wir, aufgrund der Brutalität, natürlich ganz anders betrachtet." Pädagogische Hilfestellung und auch die Prüfung der Frage, ob die betreffenden Kinder eine Therapie benötigen, stehen hier im Raum. Klaus Schröder macht deutlich, dass schwerwiegende Vorkommnisse die absolute Ausnahme sind. "Meistens haben wir es wirklich nur mit Diebstählen oder Sachbeschädigung zu tun."

Mit deren Folgen hat die Stadt Kulmbach immer wieder zu tun. Tausende Euro von Sachschäden entstehen dabei jedes Jahr. Keineswegs alle Täter werden auch ertappt. Die Stadt bleibt meist auf ihrem Schaden sitzen. Im Fall der beiden Zwölfjährigen will die Stadt nun trotz des Wissens, dass es wahrscheinlich kein Geld geben wird, mit den Eltern der Kinder sprechen und versuchen, das Geld zu bekommen, das für den Ersatz der zerdepperten Neonröhren und der zerbrochenen Schilder aufgewendet werden musste. Geschäftsleitender Beamter Uwe Angermann spricht, wenn es um Sachbeschädigung geht, von einer "Endlosschleife".

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