Kulmbach Vom Lokal zur Heilstätte

Von Stefan Linß

Das 1926 eröffnete einstige Walderholungsheim ist seit Jahrzehnten ein Internat für Kinder mit Behinderung. In unserer Serie "Heute und damals" erinnern wir diesmal an die Geschichte des Rehbergheims.

 
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Kulmbach - Die Geschichte des Rehbergheims ist lang und wechselhaft. Aus dem einstigen Bauernhof am Rehberg entwickelte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein beliebtes Ausflugslokal. Sommerfrischler ließen sich nach der Wanderung dort ihr Exportbier der Brauerei Pöhlmann und den gutbürgerlichen Mittagstisch schmecken. Aus dem Nachlass der Familie Trendel, die in der Textilindustrie tätig war, entstand eine Stiftung, die 1926 aus dem Lokal ein neues Walderholungsheim für Kinder machte.

Seit mehr als 40 Jahren betreibt die AWO das Rehbergheim, das bis heute ein Sieben-Tage-Internat für Kinder und Jugendliche mit geistiger oder mehrfacher Behinderung ist. In ihrer Jubiläumsfestschrift erinnert die AWO auch an die Anfänge der Einrichtung in den 1920er-Jahren. Bei den Kindern waren Tuberkulose, Erkrankungen der Atemwege und Unterernährung damals keine Seltenheit. Deshalb sollte die einstige Gaststätte unter Bürgermeister Hans Hacker zu einem Kindererholungsheim umgebaut werden.

Die Hänge in der herrlichen Natur soll der Volksmund damals "Riviera" genannt haben. Nach der Einweihung im Juli 1926 verbrachten zahlreiche Mädchen und Jungen aus dem Kulmbacher Land Kuraufenthalte in Trendels Walderholungsheim für Kinder.

Im Zweiten Weltkrieg verkaufte die Stadt die Einrichtung an die nationalsozialistische Volkswohlfahrt, die erholungsbedürftige Kinder aus dem ganzen Reich dort unterbringen wollte. Doch 1945 übergaben die Amerikaner das Heim zurück an die Stadt. Bis 1969 ließen allerdings das Bedürfnis und auch die Notwendigkeit nach, Kinder zur Erholung an den Rehberg zu schicken.

Schließlich machte die Arbeiterwohlfahrt aus dem Haus eine Heilstätte für schwerbehinderte Kinder. Der AWO-Kreisverband mietete das Rehbergheim von 1969 an von der Mathilde-Trendel-Stiftung. Das Heim sei ein Vorreiter und Fundament für alle später folgenden sonder- und heilpädagogischen Einrichtungen der Kulmbacher AWO gewesen, sagt Friederike Ködel, die heutige Heimleiterin.

1979 wurde die Einrichtung zum oberfrankenweit ersten Sieben-Tage-Internat für geistig- und mehrfachbehinderte Kinder und Jugendliche. Dazu musste das Gebäude grundlegend umgebaut und erweitert werden. Aus den großen Schlafräumen wurden Anfang der 80er-Jahre Zwei- und Dreibettzimmer. 1994 hatte bereits der vierte Umbau angestanden, berichtet die Chronik weiter.

2005 entschied die Stadt, dass künftig die Arbeiterwohlfahrt die Mathilde-Trendel-Stiftung verwalten darf. Damit konnte die AWO das in die Jahre gekommene Haus aus eigenen Mitteln und dank vieler Spender renovieren und einen Anbau errichten lassen. Ein maroder Teil des Altbaus musste abgerissen werden.

Seit 2008 ist das neue Internat des Rehbergheims nun auf dem neuesten Stand. "In den beiden kleinen, familienähnlichen Wohneinheiten mit jeweils acht Bewohnern bieten die pädagogisch und heilpädagogisch ausgebildeten Mitarbeiter eine umfassende Betreuung und Förderung an", sagt Ködel.

Die Kinder und Jugendlichen gehen im Förderzentrum der AWO in Kulmbach sowie im Heilpädagogischen Zentrum in Bayreuth zur Schule. Die pädagogische und pflegerische Arbeit habe zum Ziel, den Heimbewohnern eine sinnerfüllte Tagesstruktur zu geben und ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, eigene Ressourcen zu nutzen, um damit größtmögliche Selbstständigkeit zu erlangen, erklärt Ködel.

Auch heute noch bekommen alle Bewohner im Rehbergheim viel frische Luft und Bewegung. Doch die modernen Standards von heute sind mit den Anfängen des Erholungsheims sicher nicht vergleichbar.

Eine Serie der Frankenpost


Das Rehbergheim

1853-1924: Bauernhof und Bierwirtschaft

1907-1924: Ausflugsgaststätte

1926-1942: Trendels Walderholungsheim

1942-1945: Kinderheim der NS-Volkswohlfahrt

1945-1969: Kinderwalderholungsheim

1969-1979: Kinderheilstätte Rehberg der Arbeiterwohlfahrt

1979 bis heute: Sieben-Tage-Internat für geistig- und mehrfachbehinderte Kinder