Kulmbach Wenn Eltern versagen

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Bis zu sieben Mal im Jahr muss das Kulmbacher Jugendamt Eltern ihr Sorgerecht entziehen. Misshandlung, Verwahrlosung, aber auch Mangelernährung sind dafür Gründe.

 
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Kulmbach - Wenn das Jugendamt beim Familiengericht den Entzug des elterlichen Sorgerechts ganz oder in Teilen beantragt, liegen schwerwiegende Gründe vor und in den meisten Fällen sind zuvor diverse Anläufe gescheitert, Eltern zum Einlenken und Nachbessern zu bewegen. Geht gar nichts mehr und sehen die Mitarbeiter des Kulmbacher Jugendamts das Kindeswohl in ernster Gefahr, müssen sie handeln. Das machen sich die Sozialarbeiter nicht leicht, betont Jugendamtsleiter Klaus Schröder: "Das Kindeswohl muss massiv und konkret gefährdet sein und wir entscheiden das vom Jugendamt auch fast nie allein, sondern haben außer in ganz dringenden Fällen, wo wir sofort handeln müssen, immer einen richterlichen Beschluss." Zwischen vier und sieben Mal pro Jahr muss das Jugendamt Kulmbach schwerwiegend eingreifen und Kinder aus dem elterlichen Haushalt herausholen.

Seit der Schutz der Kinder im Gesetz verschärft worden ist und Fachkräfte, beispielsweise an Schulen oder auch in Kindertagesstätten zur Meldung verpflichtet sind, wenn sie konkrete Verdachtsmomente auf Vernachlässigung oder Misshandlung haben, wird noch genauer hingeschaut. Das dürfte auch ein Grund für das Ansteigen der Fallzahlen sein, sagt der Leiter der Kulmbacher Diakonie, Karl-Heinz Kuch. Der Chef des Jugendamts gibt ihm da recht. Allerdings seien die Zahlen insgesamt in Kulmbach auf Grund der geringen Größe des Landkreises mit nicht einmal 80 000 Einwohnern nicht wirklich mit den bayerischen Gesamtfällen vergleichbar.

Fälle, die immer wieder geschehen: Eine Frau hat einen Lebensgefährten, der die Kinder im Haushalt schlägt, aber die Frau ist nicht bereit, sich von diesem Mann zu trennen: "Dann müssen wir das Kind aus der Familie nehmen und der Mutter das Sorgerecht entziehen." Klaus Schröder betont immer wieder, dass so schwerwiegende Eingriffe in eine Familie grundsätzlich wohlüberlegt und gut begründet sind: "Das müssen gravierende Versäumnisse sein."

Häufig lenken Eltern in letzter Minute noch ein, wenn sie erkennen, dass das Jugendamt ernst macht. Dann schaut das Jugendamt selbst regelmäßig nach, ob sich tatsächlich die Bedingungen bessern. Neben Gewalthandlungen an Kindern und Verwahrlosung ist übrigens laut Klaus Schröder Mangelernährung auch in Kulmbach schon mehrfach ein Grund gewesen, Kinder aus ihren Familien zu holen. Die Einleitung medizinischer Maßnahmen ist dann ebenfalls amtlich zu verfügen, ebenso wie die Frage der Unterbringung des Kindes. Die kann in Pflegefamilien sein, aber auch in einem Kinderheim oder, wenn nötig, in einer Klinik.

Nicht immer wird Eltern das ganze Sorgerecht entzogen. Das teilt sich auf, zum Beispiel in das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Einleitung von therapeutischen und medizinische Maßnahmen oder auch die Vermögenssorge. Viel häufiger als das gesamte Sorgerecht werden einzelne Bereiche entzogen und meist auf das Jugendamt als "Amtsvormund" übertragen. Immer und ohne Ausnahme muss über einen so schwerwiegenden Eingriff ein Gericht entscheiden: "Das Elternrecht ist sehr stark", erklärt dazu Klaus Schröder.

Im Kulmbacher Kinderheim werden 46 Plätze für Kinder und Jugendliche angeboten, die in ihren Familien aus verschiedenen Gründen nicht leben können. Seit Jahren ist das Heim voll belegt. Die Kinder kommen aus ganz Oberfranken. Karl-Heinz Kuch, Geschäftsführer der Diakonie, fällt auf: Immer häufiger wird nach einer Heimunterbringung für sehr junge Kinder gefragt und auch der Bedarf an ambulanter Hilfe steigt. Immer öfter kommt es vor, dass Eltern mit ihrer Erziehungsaufgabe überfordert sind. Manche nehmen die Kurve im letzten Moment, andere schaffen es nicht.

Beim Kindesschutz schauen wir und auch die Justiz ganz genau hin.

Jugendamtsleiter Klaus Schröder


Zahlen steigen deutlich

1236 Mal ist im vergangenen Jahr bayernweit das Personensorgerecht ganz oder teilweise Eltern entzogen und auf Jugendämter übertragen worden. 2004 wurden dagegen "nur" 727 Fälle registriert. In sieben Jahren entspricht das einer Steigerung von 70 Prozent, wie das Statistische Landesamt jetzt ermittelt hat.


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