Stammbach Aus Holz und Zeit wird Schale

Klaus Klaschka

Dieter Fleischmann pflegt im Hobby das Drechsel- Handwerk. Damit schöne Schüsseln und Schalen entstehen, braucht es neben Geschick und gutem Holz, auch Geduld, Wissen und Passion.

 
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Stammbach - Dieter Fleischmann ist noch ein Kind, als er zum ersten Mal eine Drechslerwerkstatt betritt. Schnell ist es um den etwa zwölfjährigen Buben geschehen. "Mein Vater war Polsterer. Und er hatte dabei auch ab und zu mit dem Drechsler in der Nähe zu tun", erinnert sich Fleischmann an seine Kindheit im Nürnberger Land. Eines Tages begleitete er den Vater in die Drechslerwerkstatt. "Da hat irgendetwas bei mir gefunkt. Zumindest fasziniert mich dieses alte Handwerk seitdem."

Mittlerweile hat der pensionierte Lehrer für Deutsch und Geschichte am Münchberger Gymnasium genug Zeit, sich dem, neben seinem Amt als Gemeinderat, hinzugeben. "Hobbymäßig", betont er. Am Hang unter dem Schuppen neben der Garage am Ortsrand von Stammbach hat er sich eine Werkstatt eingerichtet.

"Zum Broterwerb wird dieses Handwerk heute wohl nicht mehr taugen", bedauert er. Freunde hätten ihn animiert, seine handgedrehten Schüsseln doch auch mal bei Ausstellungen zu präsentieren. Das tut Fleischmann nun auch ab und zu. Fragt ihn dort jemand nach einem Preis, dann stellt er fest, dass dieses Handwerk tatsächlich keinen goldenen Boden mehr hat: "Würde ich zum Beispiel 120 Euro verlangen - und das ist schon sehr viel Geld - dann käme ich nicht einmal auf den Mindestlohn - sogar sehr weit darunter."

Drechseln verlangt neben Übung und Geschick ziemlich viel Zeit. Zeit nicht nur für die Arbeit am Rohling selbst, sondern auch dafür, um das Werkzeug in Schuss zu halten. Das heißt: ständig nachschärfen. "Stumpfes Werkzeug schneidet nicht, sondern reißt aus und ruiniert das Werkstück."

Eine ganze Batterie an Drechslerröhren hängt an der Wand hinter der Drechselmaschine. "Die Maschine ist noch VEB. Eine professionelle." Er hat sie gebraucht aus Sachsen geholt. Die Drechselwerkzeuge stammen zum Großteil aus einer Werkstattauflösung bei Nürnberg. "Ich habe in der Zeitung gelesen, dass dort der letzte Drechsler sein Handwerk aufgibt und bin runtergefahren." 60 bis 70 Zentimeter lang ist eine Schneidröhre, gut die Hälfte davon macht der Holzgriff aus. "Das ist so nötig, denn mit dem langen Griff kann man aufgrund der Hebelwirkung die Schneide stabil und ruhig halten."

Fleischmann erklärt weiter: "Das Holz wird allerdings nur mit der Spitze der Hohlröhre aus besonders gehärtetem Stahl geschnitten." Auf der Drechselmaschine ist gerade eine etwa 40 Zentimeter tiefe Birkenholzscheibe mit 30 Zentimetern Durchmesser aufgespannt. Die Holzscheibe ist bereits am unteren Teil konisch zu einer hohen Schüssel geformt. "Die Form ergibt sich aus dem Stück Holz", erklärt Fleischmann. "Wie, das hat man mit der Zeit im Gefühl." Derzeit höhlt er das Holz in Etappen aus. Stück für Stück, Spur für Spur, bis die Schüssel oder Schale fertig ist. "Der letzte Schnitt geschieht vom Rand her bis zum Boden in einem einzigen Zug, vorsichtig und möglichst gleichmäßig. Das erspart danach mühselige Schleiferei. Zwischendrin wechselt Fleischmann die Handauflage der Drechselmaschine - je nachdem wie tief er im Holzkörper schneidet. "Freihändig kann man nicht drechseln, das Werkzeug würde davonfliegen, wenn sich der Rohling mit vielleicht 3000 Umdrehungen pro Minute dreht."

"Die Birke, die zurzeit aufgespannt ist, ist von der Holzstruktur und -maserung an sich ein langweiliges Holz - denkt man. Genau betrachtet hat sie aber auch ganz individuelle Maserungen, die erst später deutlicher sichtbar werden, wenn das Holz altert. Dann werden die Strukturen differenzierter", erklärt Fleischmann. "Ähnlich ist das bei Eiche; anders bei Kastanie, die eine deutlichere Maserung hat. Fichte ist zum Drechseln zu spröde und Kiefer geht gar nicht."

Ein wunderschön strukturiertes Stück hat Fleischmann aus Flieder gedreht. "Das Holz habe ich zufällig gefunden", erinnert er sich. "Es ist an sich sehr selten, auf einen Fliederstamm von fast zehn Zentimetern Durchmesser zu stoßen. Der muss ziemlich alt gewesen sein." Ein weiterer hoher, bläulich-dunkelbrauner Becher wirkt wie aus Tropenholz - "ist aber Pflaume. Besonders schön zu drechseln und später anzuschauen ist allerdings Kirsche."

Dieter Fleischmann ölt seine fertigen Arbeiten zum Schluss. "Damit wird die Holzmaserung erst sichtbar und mit der Zeit immer intensiver. Holz muss atmen. Dafür kann man ganz normales, aber gutes, Haushaltsöl nehmen. Lackieren ist tabu: Das Holz bleibt stumpf und grau."

Eine ansehnliche Sammlung von Schüsseln, Schalen, Bechern, Kerzenständern - sogar einen hohen Schirmständer hat Dieter Fleischmann im Haus verteilt. Massive Stücke, aber auch hauchdünne wie Gläser. Auch Holzkreisel in verschiedenen Größen für die Enkel hat der Stammbacher schon gefertigt. "Holz lebt und verändert sich mit der Zeit", sagt er und zeigt auf zwei Schüsseln. Die eine entstand aus halbierten Stämmen. "Holz bleibt im Kern stabil, schrumpft aber nach außen, sodass diese Schüssel mit der Zeit von selbst einen gebogenen Rand bekommen hat. Die andere war eine Spielerei: Sie sollte ausgebrochen wirken. Das war etwas schwierig, sie praktisch zum Teil in der Luft gleichmäßig und dünn zu drehen."

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