Helmbrechts Guerilleros ziehen um

Der Helmbrechtser Verein, der das Kesselhaus als Kneipe auf Zeit belebt hat, darf dort nicht mehr feiern. Jetzt steigt die Party im ersten Stock der Alten Weberei - ein Testlauf.

 
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Helmbrechts - So eine Location hätten viele nicht erwartet - nicht hier, nicht in einer Kleinstadt wie Helmbrechts. Kulturwelten-Gäste von auswärts staunten stets über das extravagante Ambiente im Kesselhaus, wo sie nach Konzerten noch etwas trinken konnten. Hier saß man zwischen riesigen Rohrleitungen, roten Ziegelwänden, gewaltigen Stahlrädern und Kesseln. Der Guerilla-Verein hatte den verlassenen Ort neu entdeckt und seit 2014 als Kneipe auf Zeit wiederbelebt. Die Guerilleros mixten den morbiden Charme des stählernen Zeitzeugen mit modernen Rhythmen und Lichteffekten. Die Mischung machte die Abende im Kesselhaus zum Geheimtipp. Zwanzig Stück gab es insgesamt. Doch jetzt ist Schluss. Der Verein darf das Kesselhaus nicht mehr nutzen.

Der erste Abend

Guerilla Helmbrechts lädt am 17. November zum ersten Mal ins Schärwerk der Alten Weberei ein und eröffnet damit ihren "Upper Floor". Ab 21 Uhr geht es los. DJ Mozart legt auf. Die Gäste erwartet Bier, Beats und Drinks.

Deshalb steigen Bernd Baumann und Jörg Albrecht nun die Treppen in der Alten Weberei nach oben. Es geht hoch in den "Upper Floor", das neue Domizil der Guerilleros. Dort, wo früher Mannequins die Mode von Adam Dzielak präsentierten, dürfen nun die Partys des Vereins stattfinden. Seit zwei Wochen räumen die Mitglieder Stück für Stück Möbel vom Kesselhaus nach oben, wo sich einst die "Schärerei" der Firma C. F. Weiss befand. Säulen und Sprossenfenster verleihen auch diesem Saal jenen Industrie-Charme - "aber dem Kesselhaus trauern trotzdem alle nach", weiß Baumann.

Zusammen mit Jörg Albrecht erklärt er, dass sich die Auflagen des Landratsamtes verschärft hätten und sie deshalb nicht mehr im Kesselhaus feiern dürfen. Gäste hätten sich stoßen können und auch der Fluchtweg sei nicht sicher genug gewesen. Der Verein hätte viel Geld und Arbeit in bauliche Veränderungen stecken müssen, um die Auflagen zu erfüllen. "Und dann hätten trotzdem nur 50 Leute rein gedurft."

So gab man das Kesselhaus schweren Herzens auf. Die Idee für die neue Location kam von Manuel Thieroff, der im Rathaus als Gebäudemanager arbeitet. Er bot dem Verein das Stockwerk mit Loftcharakter an, das seit zirka einem Jahr leer steht. Doch auch hier wissen die Guerilleros, dass es ein Domizil auf Zeit ist. "Sobald sich ein neuer Mieter findet, müssen wir ausziehen", erklärt Baumann.

Eigentlich passt so ein Provisorium zur Grundidee und zum Namen des Vereins. Die Mitglieder wollen Orte "besetzen", die sonst vergessen sind, und sie für einen Abend ins Rampenlicht rücken. Die Helmbrechtser Guerilla-Taktik lautet: flexibel, mobil, unabhängig und immer für eine Überraschung gut. So hat es sich der Verein bei seiner Gründung 2015 zum Ziel gesetzt. Die Motivation: das Nachtleben mit ausgefallenen Ideen bereichern.

Nur: Das wird immer schwerer, wissen Baumann und Albrecht. Die Auflagen erfordern mehr und mehr Man-Power. Selbst in ihrem neuen Domizil müssen sie noch etliches umbauen, bis hier am 17. November der erste Abend steigen darf: Die Fluchttreppe braucht eine Platte, damit niemand durchrutscht, die Fenster bekommen Schallschutz, die beleuchteten Notausgang-Schilder separate Stromanschlüsse und so weiter. Für Veranstaltungen mit Gastronomie sind die Auflagen strenger. Also braucht es eine Vielzahl an Helfern. Der Verein zählt aktuell 71 Mitglieder, doch nicht alle packen mit an, wenn ein Abend ansteht. "Und die, die es machen, wollen nicht immer hinterm Tresen stehen, sondern auch mal davor", weiß Albrecht. So tendiert der Verein immer mehr zu Open-Air-Veranstaltungen, obwohl es in der Stadt viele leere Objekte gäbe, die man gerne besetzen würde.

Doch jetzt steht zunächst die Feuertaufe im Schärwerk an. Am 17. November wollen die Guerilleros hier feiern und die Chance nutzen, die der neue Raum bietet. Schließlich passen bis zu 300 Leute in die Säulenhalle. So lassen sich große Konzerte realisieren, die im Kesselhaus unmöglich wären. "Wir wollen nach vorne schauen und das Beste daraus machen", erklären die Mitglieder.

Und mit großen Events hat der junge Verein spätestens seit der Travestie-Show im April Erfahrung. Sollten die Guerilleros trotzdem den urigen Kneipen-Charme eines Kesselhauses vermissen, haben Baumann und Albrecht bereits Ideen: "Vielleicht lässt sich die Säulenhalle mit einem Vorhang abtrennen."

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