Münchberg Milch im Tank, Wasser im Euter

Wie fühlt es sich an, eine Kuh zu melken? Weil viele Kunden das wissen wollen, steht neben der Milchtankstelle von Christian Findeiß ein Plastik-Tier. Foto: cs

Fünf Milchtankstellen gibt es im Landkreis Hof. Die erste davon feiert bereits Jubiläum. In Meierhof kann man seit einem Jahr zapfen, plaudern und sogar selbst melken.

 
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Meierhof - Frische Milch nach Mitternacht? Im kleinen Münchberger Ortsteil ist shoppen zu kuriosen Zeiten möglich. Die Tankstelle auf dem Hof der Familie Findeiß hat 24 Stunden offen, und manche Nachtschwärmer füllen tatsächlich um 3 Uhr ihre Flaschen, wie die Kamera-Aufzeichnung belegt. "Vielleicht als Wachmacher nach der Disko oder zum Mixen mit Likör", überlegt Christian Findeiß schmunzelnd.

Die Sache mit dem Kassenbon

Im Frühjahr schien das Projekt Milchtankstelle in Gefahr zu sein. Weil, wie berichtet, die Automaten dem Mess- und Eichgesetz unterliegen, müssten die Kunden eigentlich einen Kassenbon erhalten. Dafür hätte Christian Findeiß seinen Automaten mit einem teuren Bon-Drucker nachrüsten müssen, obwohl noch kein Kunde nach einem solchen Beleg gefragt hatte. Doch mittlerweile hat der Landwirt vom Bauernverband die Nachricht erhalten, die ihn

aufatmen lässt: Automaten, die vor dem 31. Dezember 2017 in Betrieb gegangen sind oder noch gehen, brauchen bis zum Jahr 2022

keinen Bon-Drucker. "In der

nächsten Zeit muss ich mir also keine Gedanken machen", freut sich

Christian Findeiß.

Doch egal warum, egal wofür - dem Jungbauern kann es nur Recht sein, wenn die Milch seiner 60 Kühe so gut ankommt. Er hat vor einem Jahr die erste Selbstbedienungs-Tankstelle im Landkreis eröffnet und damit den Zeitgeist getroffen. Die Bilanz fällt positiv aus: 11 000 Liter hat Findeiß seit der Eröffnung verkauft - mehr als erwartet. "Ich bin voll zufrieden", sagt der 30-Jährige, der zusammen mit seiner Frau und den Eltern auf dem Hof lebt.

Die Kunden, die für einen Euro einen Liter Milch aus dem Automaten zapfen können, kommen nicht nur aus dem Landkreis, sondern auch aus dem Raum Kulmbach, Marktredwitz und Bayreuth. "Manche fahren auf dem Heimweg Richtung Sachsen extra von der Autobahn ab." Die Nähe zur A 9 bezeichnet Findeiß als Plus.

Mittlerweile hat er das Angebot erweitert und die Holzhütte, in der sein Milchautomat steht, mit Kartoffeln und Eiern bestückt. Wer sich bedient, wirft Geld in die Kasse - hier vertraut der Landwirt auf die Ehrlichkeit der Kunden. "Bis jetzt hat es immer gepasst." Und so sichert ihm der Selbstbedienungs-Laden ein zusätzliches Einkommen, das er als Zubrot bezeichnet. "Reich wird man damit nicht, aber es federt den Verlust aus der Milch etwas ab." Denn der Preis für den Liter liegt nach wie vor unter den Produktionskosten. Aktuell bekommen die Bauern 36 Cent. Um kostendeckend verkaufen zu können, müsste der Preis nach Aussage von Findeiß 40 bis 45 Cent betragen. "Unter 40 Cent sind wir auf die Almosen vom Staat angewiesen."

Doch Jammern will der Landwirt nicht - im Gegenteil. Findeiß möchte das Image der Bauern verbessern, für ihre Arbeit werben und den Kunden erklären, wie Lebensmittel entstehen. Auch diese Idee steckt hinter der Milchtankstelle. Findeiß setzt auf Transparenz und Gespräche. Deshalb bleibt die Stalltür meist offen. "Als Gegenpart zu den schwarz-weiß Skandalbildern von gequälten Tieren, die oft im Fernsehen laufen."

Auf dem Bauernhof der Familie Findeiß sehen die Kunden noch Bilder wie aus Kinderbüchern. Ziegen grasen direkt neben der Tankstelle, Kälber nuckeln friedlich in ihren Boxen und die Kühe bewegen sich frei im Laufstall. Eine Idylle, die vor allem Leute aus der Stadt schätzen und das Milchholen für den Familienausflug nutzen. Nachmittags ist an der Tankstelle am meisten los.

Immer wieder äußerten die Kunden dabei den Wunsch, selbst melken zu dürfen. Da er jedoch die Besucher nicht an die Zitzen seiner Tiere lassen kann, hat er sich jetzt eine Plastik-Kuh in Lebensgröße angeschafft. An ihrem Euter darf jeder Hand anlegen. Das nutzen erstaunlicherweise nicht nur die Kinder. Auch Erwachsene wollen wissen, wie sich das anfühlt - selbst wenn aus dem Euter nur Wasser spritzt.

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