Münchberg Wände gegen Gaffer bleiben

Wenn die Sicht versperrt ist, fließt der Verkehr besser. Auch diese Erfahrung hat die Polizei an das Ministerium weitergegeben. Foto: Autobahndirektion Nordbayern

Der Pilotversuch geht in die Verlängerung: Die Autobahnmeisterei Münchberg testet weiterhin Sichtschutzwände - für manche Helfer sind sie gewöhnungsbedürftig.

 
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Münchberg/Landkreis - "Bitte weiterfahren!", signalisiert die Armbewegung der Uniformierten. Und dennoch: Autofahrer geben ungern Gas, wenn sie an einem Unfall vorbeirollen. Sie schleichen lieber, um das Szenario so lang wie möglich beobachten zu können, der ein oder andere zückt sogar das Handy. Das behindert nicht nur den Verkehrsfluss, sondern oft auch die Einsatzkräfte im Wettlauf gegen die Zeit.

Seit eineinhalb Jahren setzt die Autobahnmeisterei Münchberg deshalb mobile Sichtschutzwände auf der A 9 ein, um Gaffern den Blick zu verstellen (wir berichteten). Das Ganze ist ein Pilotversuch, für den das bayerische Bauministerium zwei Autobahnmeistereien ausgewählt hat: Münchberg und Herrieden bei Ansbach.

Das Projekt war bis Ende 2018 befristet, doch die Wände bleiben weiter im Einsatz. Das bestätigt Horst Thiemt. "Das Ministerium erwägt sogar, den Pilotversuch auf andere Autobahnmeistereien auszuweiten", erklärt der Leiter der Hofer Verkehrspolizei.

Er begrüßt die Entscheidung sehr, weil sich die Wände seiner Meinung nach bewähren. "Sie bringen die erhoffte Wirkung", lautet Thiemts Fazit. So schützen sie nicht nur die Privatsphäre der Unfallopfer, sondern verhindern auch Staus und Folgeunfälle. "Ich halte die Wände für absolut sinnvoll."

Die Verkehrspolizei kann sie in der Meisterei anfordern, eines der Kriterien dafür ist die voraussichtliche Dauer des Einsatzes - Minimum eine Stunde. "Die endgültige Entscheidung obliegt jedoch der Autobahnmeisterei und hängt von der Personalsituation ab", weiß Thiemt. Bei extremen Schneefällen wie in der vergangenen Woche könne es vorkommen, dass die Meisterei keine freien Kapazitäten habe. "Aber bislang hat man uns noch nie eine Absage erteilt."

Sechs Mal versperrten die Wände bereits die Sicht - drei Mal im Bereich der Verkehrspolizei Hof, drei Mal im Bereich Bayreuth. Sie kamen auch im Januar vor einem Jahr zum Einsatz, als sich ein besonders tragischer Unfall auf der A 9 bei Münchberg ereignete: Eine Familie verunglückte schwer und ihre vier Monate alte Tochter verstarb im Krankenhaus. Auch hier schützten die Zäune vor Sensationslust.

Zum letzten Mal standen sie im März 2018. Seitdem mussten sie nicht mehr aus ihrem Depot. Sie lagern in den Räumen der Autobahnmeisterei und beim Technischen Hilfswerk in Naila. Bei Bedarf werden sie angeliefert und aufgebaut. Das übernehmen die Mitarbeiter der Meisterei, und zwar innerhalb kürzester Zeit. Laut Thiemt liegt meist nur eine halbe Stunde zwischen Anruf und Einsatz der Zäune. Sie bestehen aus verschweißten Rohrrahmen und grauen Gewebe-Netzen. Der Aufwand für den Aufbau lohnt sich laut Thiemt durchaus. "Wenn der Einsatz drei Stunden dauert, fallen 30 Minuten nicht ins Gewicht." Die Verkehrspolizei wartet nicht ab, wie sich die Autofahrer verhalten, sondern fordert die Wände vorbeugend an. Sie reichen für eine Strecke von bis zu hundert Metern.

Die Arbeit hinter den Zäunen empfinden manche Helfer jedoch als gewöhnungsbedürftig, berichtet Thiemt und spricht von einem kuriosen Phänomen: "Objektiv erhöhen die Wände die Sicherheit der Einsatzkräfte, aber subjektiv empfinden manche das anders." Freie Sicht auf den Verkehr vermittle das Gefühl, bei Gefahr reagieren zu können, obwohl das bei den Geschwindigkeiten auf der Autobahn nicht möglich sei. "So schnell ist keiner." Das subjektive Unwohlsein wird seiner Meinung nach abnehmen, wenn die Wände zur Gewohnheit werden.

Alle Erfahrungen mit dem Sichtschutz haben Verkehrspolizei und Autobahnmeisterei dokumentiert und an das Bauministerium weitergeleitet. "Dort wird ein Bericht über die Pilotphase erstellt", heißt es aus der Pressestelle der Autobahndirektion. Das Ministerium müsse eben Kosten und Nutzen abwägen, weiß Horst Thiemt. Aber er ist zuversichtlich, dass die Wände in ganz Bayern zum Einsatz kommen könnten. Aus einem einfach Grund: "Sie wirken."

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