Selbitz Anne Frank - Mädchen und Mahnung

In der Alten Turnhalle öffnet eine Ausstellung, die mehr beleuchtet als das Schicksal des berühmten jüdischen Mädchens. Die Initiatoren erhoffen sich nachhaltige Denkanstöße.

 
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Selbitz - "Wie herrlich ist es, dass niemand eine Minute zu warten braucht, um damit zu beginnen, die Welt langsam zu ändern!" Diesen Satz schrieb Anne Frank, die wohl berühmteste der im Dritten Reich ermordeten Juden, einst in ihr ebenso berühmtes Tagebuch. Seit Freitagabend gibt es für die Menschen im Hier und Jetzt eine gute Möglichkeit, es Anne Frank gleichzutun und die Welt zu verändern: Sie können die Wanderausstellung "Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte" in der Alten Turnhalle in Selbitz besuchen, ganz viel mitnehmen und hinaustragen in eine Realität, in der der Antisemitismus gerade wieder neu erstarkt.

Das Rahmenprogramm

Rund um die Wanderausstellung "Deine Anne" haben die Initiatoren um Kreisjugendpflegerin Petra Schultz ein umfangreiches Rahmenprogramm organisiert. Ein Auszug:

"Koscher - was bedeutet das eigentlich?" : Vortrag von Rabbiner David Goldberg über Religiöse Bräuche im Judentum, am 28. Juni, 17 Uhr, Synagoge Hof, Anmeldung VHS Landkreis Hof: 09281/714513.

Junges Theater Hof: "Deine Anne Frank" : Aufführung am Sonntag, 8. Juli, um 17 Uhr in der Grundschule Selbitz, ab 12 Jahre, Eintritt fünf Euro, Kinder drei Euro.

Demokratiewerkstatt "Antisemitismus gestern und heute" : Dienstag, 17. Juli, 18.30 Uhr, Grundschule Selbitz; der KZ-Überlebende Professor Dr. Fried berichtet.

Lesung "Wer wir sind": Freitag, 20. Juli, 20 Uhr, Stadtbücherei Hof, Sabine Friedrich aus Coburg liest anlässlich des 74. Jahrestags des Attentats auf Hitler aus ihrem Roman über den deutschen Widerstand .

Comic-Ausstellung "Drei Steine" : 20. Juli bis 4. November im Comic-Museum Erika-Fuchs-Haus in Schwarzenbach an der Saale: Autor Nils Oskamp beschreibt das Aufkommen des neuen Rechtsextremismus in den 80er-Jahren; Eintritt fünf Euro für Erwachsene, drei Euro für Kinder.

Finissage zur Wanderausstellung "Deine Anne" : Donnerstag, 26. Juli, um 19 Uhr: öffentliches Konzert mit Irith Gabriely und Peter Przystaniak (Welt- und Klezmermusik); Eintritt frei.

Rund 70 Gäste sind gekommen, darunter die Initiatoren um Kreisjugendpflegerin Petra Schultz: Christian Schlademann von der EJBA, Nanne Wienands von der Allianz gegen Rechtsextremismus und Hartmut Hendrich vom Verein gegen das Vergessen. Gekommen sind aber auch 23 engagierte Jugendliche aus dem Landkreis Hof: Als sogenannte "Peer Guides" werden sie von Montag an Dutzende Schulklassen durch die vom Berliner Anne-Frank-Zentrum verliehene Ausstellung führen. Für diese verantwortungsvolle Aufgabe werden sie an diesem Wochenende geschult. "Sie opfern Freizeit, klar. Aber sie nehmen persönlich ganz viel mit", sagt Petra Schultz. So gab es für die jungen Guides etwa ein Stimm- und Präsenztraining im Hofer Theater. Was sie dabei gelernt haben, konnten viele schon in der Schule nutzen, etwa bei Referaten.

Den Eröffnungsabend leitete Hausherr Stefan Busch ein, der Selbitzer Bürgermeister. "Niemand sollte zum Gedenken gezwungen werden", sagte er, "aber es ist wichtig, junge Menschen dazu zu inspirieren. Und das erreichen wir mit dieser Ausstellung."

Landrat Dr. Oliver Bär sprach von einer "Herzensangelegenheit", die Ausstellung in den Landkreis zu holen. "Natürlich ist Anne Frank viel zu früh gestorben. Aber sie ist ein dunkel leuchtendes Beispiel dafür, was in einem Land passieren kann." Bär bedankte sich besonders bei den jugendlichen Ausstellungs-Begleitern: "Hier bringen junge Menschen jungen Menschen etwas bei. Das ist toll - und wirkungsvoll!"

Einen Fachvortrag hatte Patrick Siegele vorbereitet, der Leiter des Anne-Frank-Zentrums in Berlin. Er betonte, das Anne Frank keine Heldin sei, und auch kein Mythos. In erster Linie sei sie ein junges Mädchen mit Hoffnungen, Ängsten, Sorgen und Träumen - "mit dem Unterschied, dass ihr aufgrund ihres Glaubens das Recht zum Leben genommen wurde". Umso wichtiger sei es, die Demokratie zu wahren und jungen Menschen zu zeigen, dass sie die Zukunft durch ihr Handeln beeinflussen können.

Siegele stellte die 23 Peer Guides als "eigentliche Sensation der Ausstellung" vor und holte vier von ihnen nach vorn. Die jungen Leute erzählten, warum sie sich für die Teilnahme entschieden haben. "Anne Frank war genauso eine Jugendliche wie wir es sind. Wir wollen helfen, dass ihr Schicksal nicht in Vergessenheit gerät", sagte Ali Cemil Sat aus Münchberg. Georg Köhler aus Hof nutzte die Gelegenheit, sich bei den Machern der Wanderausstellung zu bedanken: "Es ist eine Ehre, dass wir hier mitmachen dürfen!"

Umrahmt wurde die einleitende Veranstaltung vom Schwarzenbacher Klezmer-Ensemble, das - passend zum Thema - einige Stücke aus dem Jüdischen einstudiert hatte. Petra Schultz lud die Gäste im Anschluss ein, sich die Ausstellung anzuschauen und mit den Peer Guides ins Gespräch zu kommen.

Um in die Alte Turnhalle zu gelangen, müssen Besucher zunächst durch einen mit dunklen Tüchern abgehängten "Zeittunnel" gehen. Hier läuft, zur Einstimmung, Musik aus den 20er- und 30er-Jahren. Drinnen finden sie Stellwände, Sitzgelegenheiten, Bildschirme. Wer alles erkunden will, sollte sich Zeit nehmen. In zehn Minuten lässt sich nicht erfassen, warum sich die Familie von Anne Frank einst in Amsterdam verstecken musste, wer sie verraten hat und wie grausam das Leben des Mädchens im Konzentrationslager endete.

Die Ausstellung ist in drei Teile gegliedert:

die Geschichte und das Leben der Familie Frank,

"Versteck und Tagebuch" - ein "Gedankenraum" ist Kernstück der Ausstellung; hier laufen Audiozitate aus dem Tagebuch Anne Franks,

und der Ausblick in die heutige Zeit; ausgehend von der Frage "Was kann ich bewirken?" ermutigt die Ausstellung zu eigenem Engagement.

Die Ausstellung "wandert" seit 2012 durch ganz Deutschland. Große Bildwände erzählen vom Leben Anne Franks: von den ersten Jahren in Frankfurt am Main und der Flucht vor den Nationalsozialisten nach Amsterdam - bis zu den letzten sieben Monaten in den Lagern Westerbork, Auschwitz und Bergen-Belsen. Viele private Fotos erlauben einen intimen Einblick in das Leben der Familie Frank und ihrer Freunde. Die persönliche Geschichte Anne Franks wird verbunden mit der Geschichte der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus, der Judenverfolgung, des Holocaust und des Zweiten Weltkriegs. Neben der Perspektive der Verfolgten und ihrer Helfer wird auch die Perspektive von Mitläufern und Tätern dargestellt.

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Für die Öffentlichkeit ist die Ausstellung in der Alten Turnhalle Selbitz vom 7. Juli bis zum 22. Juli samstags und sonntags jeweils 14 bis 17 Uhr zugänglich.

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