Naila Feinkost auf Leinwand

Sandra Hüttner
"Früher war hier der Getreideboden": Hannsjürgen Lommers Atelier mit viel Platz und großen Dachraumfenstern befindet sich im ausgebauten Dachboden seines Hauses. Foto: Hüttner Quelle: Unbekannt

Der Nailaer Künstler Hannsjürgen Lommer gewinnt der Pandemie auch Gutes ab. Sie lässt ihm Zeit für Kreatives.

 
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Naila - Jedes Bild hat seinen tiefgründigen Sinn, auf den ersten Blick erinnern sie an ein kunterbuntes Spiel der Farben. Die Bilder ziehen an, machen neugierig, jedes lässt Raum für Interpretationen. Und ihre Vielzahl ist der Pandemie zuzuschreiben. Der Künstler, der Nailaer Hannsjürgen Lommer, erlebt die Corona-Einschränkungen, den Lockdown als "schön". Mit einem Mal hatte er viel Zeit für die Malerei. Zehn neue Werke auf je einer Leinwand von 70 mal 100 Zentimeter sind entstanden, farbenprächtig, aufeinander abgestimmt.

Die Ölfarben leuchten, als seien sie noch nicht trocken. Auf den zweiten Blick erkennt man die wirkliche Szene, die Tiefe des Dargestellten, ob nun beim Werk aus der Erzählung "Herr und Hund" von Thomas Mann oder beim provokativen Bild mit dem Titel "Barmherzigkeit, ob du willst oder nicht", das den sexuellen Missbrauch in der Kirche ins Visier nimmt. Ein Pfarrer tröstet eine junge Frau, mit der anderen Hand zwickt er sie, im Hintergrund auf einer Stele steht eine Schüssel voller Geld. "Frühere Erziehung" erinnert an eine Zeit, in der Lehrer noch Backpfeifen austeilten. "Und über alles rollt die Moralwelle, gute Miene zum bösen Spiel", fügt der Künstler an. Lommer ordnet seine neuen Werke in die Kategorie des literarischen oder erzählenden Expressionismus ein. Der Betrachter muss erkennen, was das Bild erzählt. Dafür muss er sich Zeit nehmen.

Lommers Zeichentalent fiel schon in seiner Schulzeit auf. "Ich malte den Lehrer, zeigte es den Mitschülern, die mussten lachen und bekamen Ärger", berichtete Lommer schmunzelnd. 1958 stellte er erstmals in einem Buchladen in München aus, 20 Jahre jung. Die Kunst diente nie zum Broterwerb. Geld verdiente sich Hannsjürgen Lommer als Kaufmann, manch Nailaer erinnert sich an das Feinkostgeschäft "Delikatess Lommer". "In der Mittagspause bin ich vom Geschäft nach oben und habe gemalt", erzählt der Künstler. 800 bis 900 Bilder und an die 1000 Zeichnungen sind im Lauf der Zeit entstanden. "Vielleicht 200 Bilder und Zeichnungen habe ich in den 60 Jahren verkauft, viele verschenkt." Später sollen die Werke an eine Institution gehen, die sie archiviert und vielleicht vermarktet.

"Meine Kinder werden die Stapel von Bildern und Zeichnungen mit Kreide, Bleistift, Kohle oder Rohrfeder sicherlich nicht übernehmen." Dabei ist das Talent weitervererbt. Sohn Dominik tritt in die Fußstapfen seines Vaters, hat einen Vertrag mit einer Münchner Galerie. "Er malt viel besser als ich, er kann einfach unglaublich gut zeichnen", schwärmt der Vater.

Der andere Sohn hat als Optikermeister seinen Beruf gefunden, Ehefrau Bärbel toleriert das Hobby ihres Mannes, ist zugleich auch eine strenge Kritikerin. "Wenn ich male, dann hat sie ihre Ruhe", sagt Lommer und lacht. Seine Bilder hat der Künstler fotografiert und fein säuberlich jedes Foto in einer Klarsichthülle im Ordner abgeheftet. So lässt sich die Vielfalt schnell präsentieren.

Porträts, abstrakte Werke - die Bandbreite ist groß und weist auf immer wieder wechselnde Perioden des Gestaltens hin. Zurzeit entstehen Bildern der Kategorie "Corona-Zeit" in erzählendem Expressionismus. Hintergründig darunter auch ein "Capriccio", erst auf den zweiten, dritten Blick erkennt man die Erotik.

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