Naila Stammzellenspender dringend gesucht

Bei der Stammzellenspende fühlte sich Stefanie Nitsche wie eine Heldin behandelt. Foto: privat

Wegen Corona lassen sich 60 Prozent weniger Menschen als potenzielle Spender registrieren. Stefanie Nitsche hat jüngst gespendet. Nun möchte sie dafür werben.

 
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Naila/Nürnberg - Wenn es so einfach ist, ein Leben zu retten, weiß Stefanie Nitsche beim besten Willen nicht, was dagegen spricht. Ende August hat die 23-Jährige, die aus Naila stammt und nun Doktorandin an der juristischen Fakultät der Universität Passau ist, Stammzellen gespendet. Die sollen einer Frau aus den USA dabei helfen, den Blutkrebs zu besiegen. Diese Erfahrung beschäftigt die junge Frau noch immer. Nun möchte sie "die Reichweite der Zeitung nutzen, um die Bevölkerung für dieses enorm wichtige Thema zu sensibilisieren". Denn wegen der Corona-Pandemie droht ein Stammzellenspenden-Engpass.

Wie die Deutsche Knochenmarspenderdatei (DKMS) auf ihrem Instagram-Profil mitteilt, ist die Anzahl der Neu-Registrierungen potenzieller Stammzellenspender während der Corona-Pandemie um 60 Prozent eingebrochen. "Vor der Corona-Krise haben sich Monat für Monat auf unseren Veranstaltungen in ganz Deutschland rund 25 000 neue Spender in die Datei aufnehmen lassen", heißt es in dem sozialen Netzwerk. Doch: "Zum Schutz aller Menschen haben wir beschlossen, bis zum Ende des Jahres keine Registrierungsaktionen durchzuführen." Typisierungs-Aktionen, wie sie auch in der Region immer wieder stattfanden, hatten bislang einen großen Teil der Neuregistrierungen ausgemacht. Nun sollen sich möglichst viele Menschen ein Registrierungs-Set über die Internetseite anfordern, in dem sich Wattestäbchen für einen Wangenabstrich und alle nötigen Unterlagen befinden. Die gilt es dann nur noch, an die DKMS zurückzusenden.

Mit einem solchen Set hat sich auch Stefanie Nitsche registrieren lassen, und das bereits mit 18 Jahren - aus dem Wunsch heraus, zu helfen. Gleichtun kann es ihr jeder gesunde Mensch, der jünger ist als 61 Jahre. "Eigentlich wollte ich das schon mit 16 tun, weil ich in den Medien immer wieder von den Typisierungs-Aktionen gehört habe, aber da durfte ich noch nicht." Ob sie damit gerechnet habe, Spenderin zu werden? "Nee, niemals!", sagt die junge Frau. Die Wahrscheinlichkeit, am Ende tatsächlich Stammzellen zu spenden, liegt aktuell zwischen 0,1 und einem Prozent. Als an Pfingsten die DKMS bei Stefanie Nitsche anrief, war das für sie "eine Überraschung. Ich habe ein leichtes Kribbeln gespürt." Ihre Gewebemerkmale schienen zu einer Patientin zu passen.

Sie muss daraufhin zu einem Gesundheitscheck und zur sogenannten Bestätigungstypisierung, bei der die Gewebemerkmale nochmals anhand einer Blutprobe analysiert werden. "Ich musste zum EKG und Bauch-Ultraschall machen lassen. Außerdem gab es Anamnesegespräche. Damit ist man schon einen guten halben Tag beschäftigt", erinnert sich die Studentin. Wenige Tage später gab die DKMS ihr das endgültige Okay zur Stammzellenspende. "Von da an gab es kein Zurück mehr", sagt Stefanie Nitsche. "Natürlich könnte man noch zurücktreten, aber dann wäre das Leben des Patienten in Gefahr." Der nämlich wird auf die Spende vorbereitet, indem sein Immunsystem heruntergefahren und seine eigenen Knochenmarkzellen zerstört werden. Deshalb hat die Nailaerin für die Spende gerne auf einen Tag ihres geplanten Fahrrad-Urlaubs in Österreich verzichtet. Ein Leben zu retten, das geht vor.

Vier Tage vor der Spende muss sie damit anfangen, sich morgens und abends Spritzen mit einem Mittel zu geben, das mehr Stammzellen aus dem Knochenmark ins Blut übertreten lässt. "Dabei habe ich mich gefühlt, als hätte ich eine Grippe. Aber die Symptome klingen während der Spende wieder ab", erinnert sich Stefanie Nitsche. Über das Blut funktioniert die Spende in 80 Prozent der Fälle. Das Knochenmark selbst bleibt unangetastet. Punktionsnadel und Vollnarkose bleiben den meisten Spendern also erspart.

Am großen Tag muss die junge Frau ans Nürnberger Klinikum kommen. Dort gibt es eines der Geräte, das Stammzellen aus dem Blut filtert. "Es war wie eine große Blutspende", erinnert sich Nitsche. Über eine Kanüle im einen Arm läuft das Blut aus dem Körper, über den anderen Arm kehrt es, um die vermehrten Zellen ärmer, wieder dorthin zurück. "Schmerzen hat man dabei nicht", beruhigt die Spenderin.

Fünf Stunden hat die Prozedur bei ihr gedauert - so lange wie maximal möglich. Bei manchem sei es in zwei Stunden getan. "Aber es waren nicht so viele Stammzellen im Blut wie erhofft."

Die ganze Zeit über muss sie möglichst still liegen, ohne auf Toilette gehen zu dürfen, mitten im August eingewickelt in dicke Decken. Wärme begünstigt den Blutfluss. Das sei aber auch schon das Unangenehmste gewesen. So stand zur Unterhaltung etwa "ein riesiger Fernseher mit DVD-Sammlung" bereit.

"Die DKMS tut alles, damit man sich wohlfühlt. Auch das Krankenhauspersonal behandelt die Spender wie Helden", erzählt Stefanie Nitsche. So habe sie auch keinerlei Kosten selbst tragen müssen: Anreise, Abendessen, Übernachtung im Hotel - für alles kam die DKMS auf. Auch vor einer Corona-Infektion im Krankenhaus hatte sie zu keiner Zeit Angst. Zu anderen Personen fühlte sie sich immer ausreichend auf Distanz. Zweifel an der Stammzellenspende zu Corona-Zeiten habe jedoch von Anfang an nur der eine oder andere in ihrem Umfeld gehabt, nicht sie selbst: "Da habe ich oft gehört: ‚Tolle Sache, aber muss das ausgerechnet jetzt sein?‘"

Stefanie Nitsche findet: Es muss. Nach der Spende habe sie sich "unglaublich gefühlt". "Man kann schließlich einer anderen Person mit seinen eigenen Stammzellen so etwas wie ein anderen Leben verschaffen." Deshalb möchte sie die Empfängerin der Spende eines Tages unbedingt kennenlernen. Dafür müssen allerdings, so ist es Vorschrift, erst zwei Jahre vergehen. "Aber ich darf über die DKMS anonyme Briefe schreiben", erklärt Nitsche. In der Weihnachtszeit möchte sie diese Möglichkeit nutzen.

Doch zunächst ist es ihr ein Anliegen, an die Leser der Frankenpost zu appellieren: "Es sollten sich alle registrieren lassen. So eine Spende ist keine große Sache und es entstehen nicht einmal Kosten."

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