Oberfranken Corona-Virus kommt immer näher

Maximilian Busl, Marco Krefting
Bisher konnte die Verbreitung des neuartigen Coronavirus nicht eingedämmt werden. Foto: Cheng Min/XinHua/dpa

Die 14 Fälle aus Bayern sind wieder aus dem Krankenhaus entlassen. Doch Gesundheitsministerin Huml sieht keinen Grund zur Entwarnung. Unterdessen verschärft sich die Situation in Norditalien.

 
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Erlangen/München/Venedig - Die Lage in den norditalienischen Regionen Lombardei, Piemont und Venetien hat sich am Wochenende dramatisch zugespitzt. Österreich hat am Sonntagabend den Zugverkehr mit Italien komplett eingestellt. Die staatliche österreichische Eisenbahngesellschaft ÖBB teilte am Sonntagabend mit, alle Zugverbindungen mit dem Nachbarland seien ausgesetzt, weil bei zwei aus Italien kommenden Bahn-Passagieren der Verdacht auf eine Infektion mit dem Corona-Virus bestehe. Nach den ersten Corona-Todesfällen in Italien stehen weite Teile der betroffenen Gebiete still. Sportveranstaltungen wurden ebenso abgesagt wie der traditionsreiche Karneval von Venedig. Unterdessen nimmt die Sorge zu, das Virus könnte sich über Reisende von Norditalien aus weiter nach Deutschland ausbreiten.

Der Ausbruch des Corona-Virus Sars-CoV-2 in Italien spielt auch in Bayern eine Rolle. "Die bayerischen Gesundheitsbehörden beobachten die Entwicklung sehr genau", erklärte der Sprecher des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Aleksander Szumilas, in Erlangen am Sonntag auf Anfrage unserer Zeitung. Sie stünden in engem Kontakt mit dem Bund und den anderen Bundesländern. Das Robert-Koch-Institut (RKI) koordiniere die Beobachtung und arbeite eng mit Behörden und Einrichtungen auf internationaler und nationaler Ebene zusammen.

Unser Redakteur vor Ort

Unser Redakteur Andreas Wolfger befindet sich gerade privat in Italien. Im Folgenden schildert er seine Eindrücke: Etwa 50 Kilometer liegt Mestre, die Heimat des italienischen Basketball-Erstligisten Reyer Venezia, von Vo‘ Euganeo. Jener Kleinstadt in der Region Venetien, die aufgrund des Coronavirus von den Behörden unter Quarantäne gestellt wurde. Noch sind in der Vorstadt der Weltkulturerbestadt Venedig keine Infektionsfälle bekannt. Trotzdem kann man die Nähe auf den Straßen deutlich wahrnehmen.

Auf den Straßen fahren am Sonntagvormittag deutlich weniger Autos als sonst und auch die üblicherweise geschäftige Innenstadt wirkt eher ruhig. Und das obwohl die traditionellen Karnevalsfeierlichkeiten hier noch stattfinden dürfen. Im nahegelegenen Padua hatten die Behörden bereits am Samstagabend alle öffentlichen Veranstaltungen abgesagt.

Die Menschen sind verunsichert. Bereits am Samstagvormittag – wenige Stunden nach dem Bekanntwerden der ersten bestätigten Todesfälle auf dem europäischen Kontinent – geben Drogerien in der Region erklären, dass Schutzmaske und Desinfektionsmittel ausverkauft sind. Es kommt zu ersten Hamstereinkäufen. Zwar herrscht noch keine Ausgangssperre, die Behörden raten den Menschen jedoch, große Versammlungen zu meiden und ihre Häuser nur zu verlassen, wenn es dringend sei.

Der Hauptgrund für die Verunsicherung: Niemand weiß, wie das Virus seinen Weg nach Norditalien gefunden hat. Während sich ein anfangs als „Patient Zero“ bezeichneter Besucher aus China als nichtinfiziert herausstellt, nimmt die Zahl der Erkrankten stetig zu. „Wer glaubt, dass er erkrankt ist, soll nicht in die Notaufnahme gehen“, betonen die Behörden. Stattdessen wird geraten, eine spezielle Notfallnummer anzurufen.

Am Sonntagmittag wird bekannt: Der Erreger Covid-19 ist auch in der Lagunenstadt angekommen. Zwei 88-jährige Einheimische haben sich offenbar infiziert. Als Reaktion auf die Nachricht wird das weltbekannte Karnevalsfest in der Altstadt vorzeitig beendet. Außerdem erklärt Luca Zaia, Präsident von Venetien, dass mindestens bis zum 1. März alle Schulen geschlossen bleiben sollen.

Global betrachtet sei die Situation ernst zu nehmen. Es müsse damit gerechnet werden, dass weitere Fälle der neuartigen Lungenkrankheit nach Deutschland kommen, sagte Szumilas. "Gegenwärtig gibt es jedoch keinen Anhaltspunkt für eine anhaltende Viruszirkulation in Deutschland, sodass die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland laut RKI aktuell gering einzuschätzen ist."

Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) sagte am Wochenende in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur, die Lage in Bayern habe sich entspannt. Aber: "Es gibt noch keinen Grund zur Entwarnung." Die bislang bekannten 14 Fälle hätten das Krankenhaus verlassen können. Dennoch sei Vorsicht geboten: "Solange das Corona-Virus nicht weltweit unter Kontrolle ist, können wir neue Fälle nicht ausschließen."

Mittlerweile hat sich auch das Auswärtige Amt eingeschaltet. Nach der Abriegelung der betroffenen Städte stehen die deutsche Botschaft und die Konsulate mit den italienischen Behörden in Kontakt für den Fall, "dass die italienischen Maßnahmen Deutsche betreffen", hieß es am Sonntag aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. Rückkehrern aus den betroffenen und gerade bei Feriengästen beliebten Regionen in Norditalien wurde empfohlen, sich an die entsprechenden Hinweise des Robert-Koch-Instituts und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auf deren Internetseiten zu halten.

In Italien sind mehr als 130 Personen positiv auf das Virus getestet worden. Zwei Menschen seien daran gestorben. Um die Virusausbreitung im wirtschaftlich wichtigen Norden des Landes zu unterbinden, werden die am stärksten betroffenen Städte abgeriegelt. Betroffen sind die Provinz Lodi (Lombardei) rund 60 Kilometer südöstlich von Mailand, wo rund 50 000 Menschen leben, und die Stadt Vo in der Provinz Padua (Venetien) mit rund 3000 Einwohnern.

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