Länderspiegel Auf der Spur des schwarzblauen Goldes

Gertrud Pechmann

Der Verein Slow Food kämpft für gutes Essen und rettet regionale Spezialitäten vor dem Vergessen. Zum Beispiel eine alte Kartoffelsorte aus dem Frankenwald.

 
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Schwarzenbach am Wald/Münchberg/Kulmbach - "Viele Unarten beim Essen sind der Hektik geschuldet. Es gibt eine To-go-Unkultur, also etwa schlechten Kaffee in Plastikbechern. Oder Currywurst aus der Styroporschale." Für Norbert Heimbeck ist das nur schwer zu ertragen. Er leitet seit 2015 die Regionalgruppe von Slow Food Oberfranken. Der Verein setzt sich weltweit für nachhaltig produzierte Lebensmittel und Nutztiere ein, will regionale Spezialitäten vor dem Vergessen bewahren. Das tut er mit der "Arche des Geschmacks". Dieser Katalog listet traditionelle lokale Produkte auf, erklärt ihre Besonderheit und verzeichnet Hersteller, so es noch welche gibt. Weltweit sind bereits 5000 Lebensmittel, Tiere und Pflanzen eingetragen.

Slow Food - der Verein

1986 gründet der italienische Journalist und Soziologe Carlo Petrini die Initiative, um gegen den Trend des Fast Food zu protestieren. Slow Food setzt sich dagegen für eine lebendige Kultur des Essens und Trinkens ein. Das Wappentier des Vereins ist die Schnecke. Sie steht als Symbol für bewusstes Genießen. Lebensmittel im Sinn von Slow Food sollen "gut, sauber und fair" hergestellt werden: Wohlschmeckend und sozial gerecht, ohne die Umwelt, die Tiere oder den Menschen zu belasten. Slow Food setzt sich auch für faire Preise ein. Mittlerweile ist Slow Food zu einer weltweiten Bewegung geworden. Slow Food Deutschland wurde 1992 gegründet - als erster nationaler Verein außerhalb Italiens.

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www.slowfood.de

16 Arche-Einträge kommen aus Franken. Unter ihnen finden sich zum Beispiel der Bamberger Rettich, das Coburger Fuchsschaf und die Hutzeln aus Fatschenbrunn. Und eine besondere Kartoffelsorte aus dem Frankenwald, die vom Aussterben bedroht ist. "Die schwarzblaue Frankenwälder Kartoffel hat einen vermeintlichen Nachteil: Sie ist mehlig", erklärt Heimbeck. Das aber mögen viele Verbraucher heute nicht mehr. "Dabei werden Klöße damit viel besser als mit anderen Kartoffelsorten", betont der Leiter von Slow Food Oberfranken.

Im Handel ist die Kartoffel mit der schwarzblauen Schale nicht zu finden. Ihre Spur führt tief in den Frankenwald, in die Gegend von Naila und Bad Steben. Dort haben sich sieben Kartoffelbauern zusammengetan und einen Förderverein für das "schwarzblaue Gold" gegründet. Mithilfe der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft hat der Verein eine Erhaltungszüchtung aufgebaut. Auf etwa einem Hektar Fläche kultivieren die Mitglieder die alte Sorte - und verkaufen die "Erpfl" in ihren Hofläden. Landwirt Michael Söll steht dem Verein vor. "Die Erpfl sind mein Hobby", sagt der 29-Jährige. Alte Sorten begeistern ihn. "Sie kommen mit wenig Dünger und dem rauen Klima im Frankenwald bestens zurecht", versichert er. Als Bio-Landwirt, der ohne Kunstdünger arbeitet, ist er auf solche Sorten regelrecht angewiesen. Seine Pflanzkartoffeln gewinnt Söll durch Auslese, wie es früher in der Landwirtschaft üblich war. Sein nächstes Projekt ist die Gewinnung von Samen der schwarzblauen Frankenwälder Kartoffel, um der Virusanfälligkeit der Pflanze entgegenzuwirken. "Den konnte ich leider noch nicht abgewinnen, da die Blüten meiner Kartoffelpflanzen immer abfielen", erklärt der Vorsitzende des Fördervereins Schwarzblaue Frankenwälder Kartoffel. Nur Experten beschäftigen sich laut Söll mit der Gewinnung von Kartoffelsamen, weil sie aufwendiger ist, als Knollen zu stecken. Doch sie lohne sich, denn so ließen sich Pflanzen mit neuem Genmaterial gewinnen, die immer besser an die Umweltbedingungen angepasst werden könnten.

Slow Food in Oberfranken

Die Philosophie von Slow Food setzen Gruppen vor Ort ("Convivien") um. Die Mitglieder eines Conviviums besuchen Erzeuger, schauen Köchen über die Schulter, verkosten gute Lebensmittel und fördern so die lokale Esskultur. Leiter des Conviviums Oberfranken ist Norbert Heimbeck, sein Stellvertreter ist Andreas Fickenscher. Das Convivium Oberfranken hat aktuell 110 Privatpersonen als Mitglieder und sechs Unternehmen als Unterstützer.

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Am Dienstag, 23. April, veranstaltet das Convivium Oberfranken ein "Arme-Leute-Essen" im Gasthaus Braunschweiger Hof in Münchberg. Nichtmitglieder und Gäste sind willkommen. Anmeldung werden

per E-Mail an oberfranken@slowfood.de entgegengenommen.

Seine Kartoffel-Kunden kommen aus der nahen Umgebung, vor allem aus Bad Steben und Geroldsgrün. "Die kennen diese Kartoffel noch von früher", sagt Söll. Traditionell wurden die schwarzblauen Frankenwälder als Pellkartoffel gegessen, begleitet von Hering. Sie eignen sich aber auch für die Zubereitung von Klößen, Kartoffelbrei oder Rösti. "Die Leute, die diese Kartoffel kaufen, schätzen den kräftigen Geschmack, der leicht nussig und erdig herauskommt", weiß Söll. Auch an einen Liebhaber in Berlin hat er die Knollen schon verschickt. Aber außerhalb ihres Kerngebiets sei die alte Sorte kaum bekannt. Von der jüngeren Generation werde sie selten gekauft, bedauert er.

Das will Andreas Fickenscher, Bäckermeister in elfter Generation, ändern. Er gehört zu den Hauptabnehmern der schwarzblauen Frankenwälder Kartoffel. "Wir wollen für die Region, die Rohstoffe und die Landwirtschaft vor Ort etwas bewegen. Alle sollten durch das Projekt gewinnen", erklärt der Bäcker seine Motivation, während seiner Weiterbildung zum Brot-Sommelier das "Heimatbrot" zu entwickeln. Dieses Brot sollte vor allem eines sein: typisch Oberfranken. Bei den Zutaten holte sich Fickenscher Tipps von Einheimischen: Er befragte 160 Personen, welche Zutaten sie mit ihrer Heimat identifizierten. "Darunter waren der Fichtenspitzensirup, der Roggen und die schwarzblaue Frankenwälder Kartoffel", erinnert sich der Bäckermeister. Alle Zutaten finden sich deswegen im Heimatbrot. Es besteht aus 90 Prozent Roggen- und zehn Prozent Weizenmehl, Natursauerteig, Gewürzen. Den letzten Schliff für die Kruste gibt die schwarzblaue Frankenwälder Kartoffel. Gewaschen und geraspelt hüllt sie das Heimatbrot zusammen mit Meersalz und einem Hauch Majoran ein.

Die "Arche des Geschmacks"

Die "Arche des Geschmacks" ist ein internationales Slow-Food-Projekt. Es will traditionelle lokale und regionale Produkte schützen, indem es sie in einen Katalog aufnimmt. Weltweit sind mittlerweile 5000 (Stand April 2019) Lebensmittel, Pflanzen und Tiere verzeichnet. Dazu gehören auch 16 Einträge aus Franken:

1. der alte fränkische Satz (verschiedene Rebsorten),

2. der Tauberschwarz (Rebsorte),

3. das Bamberger Hörnla,

4. der Bamberger Knoblauch,

5. das Bamberger Rauchbier traditioneller Herstellungsart,

6. der Bamberger Rettich,

7. der Bamberger Spitzwirsing,

8. das Coburger Fuchsschaf,

9. der fränkische Grünkern,

10. die schwarzblaue Frankenwälder Kartoffel

11. das fränkische Gelbvieh

12. das Ansbach-Triesdorfer Rind

13. die Hutzeln aus Fatschenbrunn

14. der Ostheimer Leberkäs

15. das Rhönschaf

16. der Mangold Sennfelder Stil

"Ich dachte mir während der Entwicklung: Warum nicht regionale Kartoffelspezialitäten im Brotteig einbacken und das Heimatbrot mit Rösti eindecken?", erinnert sich Fickenscher. Im August 2017 feierte sein "Heimatbrot" Premiere. Seitdem hat es viele Kunden für sich eingenommen: "Das Heimatbrot liegt auf Platz 2 der meistverkauften Brote in unseren Filialen", sagt Fickenscher zufrieden. Mehr noch: Es ist die Basis für die "Heimatbrotzeit", die der Bäcker mit Sternekoch Alexander Herrmann aus Wirsberg entwickelt hat. Wer möchte, kann das Brot nun mit drei verschiedenen Aufstrichen genießen. "Viele Zutaten sind Arche-Passagiere", sagt Fickenscher, den das Slow-Food-Konzept seit Langem begeistert.

Für Norbert Heimbeck ist das Projekt Heimatbrot ein Schritt in die richtige Richtung. "Slow Food, das ist kein abgehobenes Toskana-Feeling. Es geht uns um die bodenständige Küche der Region. Da steckt eine echte kulinarische Geschichte drin, die es wert ist, erzählt zu werden", betont er. Heimbeck hofft, dass die Slow- Food-Mitglieder und Unterstützer immer mehr Menschen mit ihrer Liebe zum guten Essen anstecken. Er will weiter "gute Produkte und Lebensmittelhandwerker in der Region finden und sie bekannt machen". Als Nächstes soll der traditionelle Quärkla-Käse in die "Arche des Geschmacks" aufgenommen werden.

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