Bremen - Der 38-jährige Bremer Jura-Professor Andreas Fischer-Lescano hat am Mittwoch detailliert geschildert, weshalb er die Doktorarbeit von Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg für "ein dreistes Plagiat und eine Täuschung" hält. Guttenberg bediene sich "einer ganzen Reihe von Texten, ohne die Fremdzitate kenntlich zu machen". Fischer-Lescano listet auf:

Der CSU-Politiker entnehme auf Seite 153 drei Sätze des Tübinger Europarechtlers Martin Nettesheim. "Das wäre eine lässliche Sünde, ein Versehen, wie es eben in einer langen Arbeit passieren kann. Doch es bleibt nicht dabei." Es gebe weitere, urheberrechtlich problematische Passagen. Eine davon habe Guttenberg "wortwörtlich aus einem Aufsatz übernommen, den die Schweizer Schriftstellerin Klara Obermüller unter dem Titel ,Gott hat keinen Platz in der europäischen Verfassung' am 22. Juni 2003 in der Neuen Zürcher Zeitung veröffentlicht hat". Auf die Autorin verweise Guttenberg an keiner Stelle, obschon mehr als eine ganze Seite der gedruckten Dissertation in nichts anderem als der Wiedergabe des Zeitungstextes bestehe.

Damit nicht genug, entnehme Guttenberg auf Seite 351 Passagen zur Freundschaft der EU mit den USA von der Schweizer Publizistin Gret Haller und Passagen zur Begrenzungsfunktion der Verfassung aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Ein Beitrag über den europäischen Einfluss auf die US-Verfassung der Seiten 214 bis 217 entspreche exakt dem Text "Amerikanische Präsidialdemokratie" des Professors Dr. Hartmut Wasser. Bei der Darstellung über plebiszitäre Verfassungselemente auf Seite 353 bediene sich Guttenberg eines Vortrags, den Günter Burghardt, seinerzeit Botschafter der EU in den USA, 2002 gehalten habe. "Ausführungen zur Zuständigkeitsverteilung der EU kupfert er bei der Autorin Sonja Volkmann-Schluck und zu rechtsvergleichenden Analysen auf Seite 349 bei dem Wissenschaftler Wilfried Marxer ab."

Auf drei weiteren Seiten habe Guttenberg Texte zweier anderer Autoren abgeschrieben.

Der Bremer Professor kommt zu dem Schluss: "Mehrmals macht Guttenberg nicht, nur teilweise oder unzureichend kenntlich, dass die Formulierungen aus fremder Feder stammen. Das Vorgehen ist so systematisch, dass es schwer zu sehen ist, wie das noch mit der Promotionsordnung der Fakultät für Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Universität Bayreuth in Übereinklang gebracht werden kann. Danach sind die benutzte Literatur und sonstige Hilfsquellen voll anzugeben."

Der Karlsruher Verfassungsrechtler Felix Hanschmann, der zusammen mit Fischer-Lescano die Doktorarbeit Guttenbergs durchforstet hat, weist Vermutungen zurück, dass hinter den Vorwürfen politische Absichten stehen könnten. Er und sein Kollege hätten die Dissertation lediglich aus wissenschaftlichem Interesse gelesen. Hanschmann: "Es ist nicht unser Anliegen, Herrn Guttenberg zu stürzen."

Der CSU-Politiker selbst erklärt zu den Anschuldigungen:

"Die Angelegenheit ist bereits beim Ombudsmann für wissenschaftliche Selbstkontrolle der Universität Bayreuth anhängig. Der ist dafür auch die richtige Stelle. Dem Ergebnis der jetzt dort erfolgenden Prüfung sehe ich mit großer Gelassenheit entgegen. Ich habe die Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen angefertigt." Und weiter: "Der Vorwurf, meine Doktorarbeit sei ein Plagiat, ist abstrus. Ich bin gerne bereit zu prüfen, ob bei über 1200 Fußnoten und 475 Seiten vereinzelt Fußnoten nicht oder nicht korrekt gesetzt sein sollten. Ich würde dies bei einer Neuauflage berücksichtigen. Und sollte jemand auf die Idee kommen zu behaupten, Mitarbeiter meiner Büros hätten an der wissenschaftlichen Erarbeitung meiner Dissertation mitgewirkt, stelle ich fest: Dies trifft nicht zu. Die Anfertigung dieser Arbeit war meine eigene Leistung."



Zur Person

Professor Andreas Fischer-Lescano ist Gründungsmitglied des "Instituts Solidarische Moderne", das die SPD-Politikerin Andrea Ypsilanti aus der Taufe gehoben hat und in dem Vertreter von SPD, Grünen und Linkspartei kooperieren. Außerdem ist er Vertrauensdozent der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung.