Bayreuth – Es ist eine riskante Sache, eine Biographie über einen aktiven Politiker zu schreiben. Schließlich können kurz nach Redaktionsschluss bedeutsame Ereignisse geschehen, während das Buch gedruckt wird und die Autoren hilflos auf das Erscheinen warten. Eckart Lohse und Markus Wehner ist dies passiert. Sie begaben sich auf die Spuren des Hochgeschwindigkeitspolitikers Karl-Theodor zu Guttenberg. Just an dem Tag, als ihr nagelneues Buch auf den Verkaufstischen der Läden gestapelt wurde, trat Guttenberg als Verteidigungsminister zurück.

„Wir wollten einmal genauer hinsehen; diesen neuen Helden der deutschen Spitzenpolitik beleuchten“, erklärt Markus Wehner. „Da haben wir bemerkt, dass das Blattgold schnell abblättert.“ Bei einer Lesung in der Buchhandlung Hugendubel in Bayreuth stellten die beiden politischen Redakteure der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am Donnerstag ihre Guttenberg-Biographie vor. Es ist der Versuch, zu erklären, wer denn dieser Karl-Theodor zu Guttenberg ist. Die Lebensgeschichte des Gestürzten ist genau und detailreich recherchiert. „Den Wert unseres Buches macht aus, dass wir auf 400 Seiten den Charakter des ehemaligen Ministers beschreiben“, sagt Wehner.

„Guttenbergs Aufstieg ist ein einmaliges Phänomen, er wurde aus dem Nichts hochgejubelt zum Superstar. Dass unser Buch mit der Plagiatsaffäre zusammentraf, war Zufall.“ Als der Verdacht laut wurde, Guttenberg habe bei seiner Dissertation geschummelt, hatten die Autoren sogar Angst, ihr Werk im Altpapier entsorgen zu müssen. Doch im Gegenteil: „Wir erhielten große Aufmerksamkeit. Als der Minister zurücktrat, gab’s bei den Buchverkäufen einen richtigen Schwung.“ Inzwischen ist die neue Auflage um das Kapitel „Absturz“ ergänzt.

Der gravierende Betrug bei der Doktorarbeit hat die Biographen durchaus überrascht. Doch irgendwie hat er sich gut zusammengefügt mit manchem, was sie bei ihren Recherchen erfahren haben. „Karl-Theodor zu Guttenberg hat immer mal wieder seinen Lebenslauf geschönt und sich ins rechte Licht gerückt“, stellt Eckart Lohse fest. In der Schule habe er es immer geschafft, mit relativ geringem Aufwand relativ weit zu kommen. „Wir wussten ja, dass er sich mit seiner Doktorarbeit schwer getan hat, aber wie schwer, das haben wir zunächst nicht erkannt“, ergänzt Wehner.

Die Öffentlichkeit, das Scheinwerferlicht hat Guttenberg stets gesucht. Die Beziehung zwischen Politikern und Bildern hat er in eine neue Dimension geführt, finden die Biographen. Als Startkapital für Guttenbergs Superpopularität sehen sie ein Foto vom März 2009: Der Minister steht nachts im Lichtermeer des Times Square mit ausgebreiteten Armen in der Was-kostet-die-Welt-Pose. Dieses brillante Bild hat eine Nachricht: Deutschland hat einen Spitzenpolitiker, der diese Haltung beherrscht. Dem man sie abnimmt.

Das Erfolgsgeheimnis des Mannes aus Oberfranken: Er sieht gut aus, er bewegt sich mühelos in der großen, weiten Welt. Später macht er, nebst glamouröser Gattin, auf dem Cover von „Bunte“ ebenso eine gute Figur wie auf dem „Time Magazine“ und dem „Spiegel“. Der bevorzugte Hintergrund für die inszenierten Bilder des Verteidigungsministers ist bald Afghanistan. Für Fotoshootings am Hindukusch zeigt er sich in „Top Gun“-Pose à la Tom Cruise.

Guttenberg habe die Sehnsucht der kleinen Leute nach einer faszinierenden Figur in der Politik bedient: „Für seine vielen Anhänger ist er einer, der sich traut, der sich durchsetzt.“ Dem Charisma des begabten Selbstdarstellers konnten sich auch die beiden Autoren nicht völlig entziehen: „Im persönlichen Dialog ist er sehr einnehmend. Wir haben angenehme Gespräche mit ihm geführt“, schildert Markus Wehner. Hinterher habe man sich gefragt, ob das denn alles stimmen könne, was der Polit-Star erzählt habe. „Wir sind der Meinung, dass seine politische Karriere auch ohne die Plagiats-Affäre einen Crash erlebt hätte. Er hat sich nicht als guter Krisenmanager erwiesen.“ Beispiel Kundus-Affäre: So könne ein Minister nicht mit seinem Haus umgehen.

Wie schätzen die Autoren die Gefühlslage Guttenbergs nach dem Rückzug aus allen politischen Ämtern ein? „Ich vermute, dass ihn das Ganze sehr trifft. Seine Koketterie, er könne ja morgen mit der Politik aufhören, war nie ernst gemeint“, sagt Wehner. Der ehemalige Minister habe ja eigentlich keine abgeschlossene Berufsausbildung und müsse sich jetzt, mit noch nicht mal 40, völlig neu orientieren. „Er hielt sich für unverletzlich, zeigte aber schon im Amt mimosenhafte Empfindlichkeit. Ich glaube nicht, dass er die ganze Affäre so einfach wegstecken kann.“

Ob sie sich eine Rückkehr von Karl-Theodor zu Guttenberg in die Politik vorstellen können? „Wir wissen es schlicht und einfach nicht“, antwortet Lohse. Ein erstes Indiz, dass er der Politik nicht ganz den Rücken kehren will, sei die Wahl zum Delegierten beim Bezirksparteitag. „Er will nach stürmischen Zeiten wieder einen Schritt nach draußen machen und vielleicht sehen, wie die Stimmung ist, ob er Beifall bekommt.“

INFO

Die Guttenberg-Biographie hat 416 Seiten und enthält zahlreiche Bilder. Sie ist im Droemer-Verlag erschienen und kostet 19,99 Euro. Eckart Lohse und Markus Wehner werden ihr Buch auch am 25. Mai im Brauerei-Museum in Kulmbach präsentieren und mit ihren Zuhörern diskutieren. ah