Bayreuth - Der Dienstag könnte einer der Schlüsseltage des Wiederaufnahmeverfahrens in der Mordsache Peggy K. vor dem Landgericht Bayreuth werden. Bereits am dritten von bislang neun geplanten Verhandlungstagen möchte das Gericht nach einigen Ermittlungsbeamten die Ausführungen des Gutachters Dr. Hans-Ludwig Kröber hören. Der 63-Jährige ist Professor an der Charité Berlin und einer der renommiertesten Gerichtspsychiater Deutschlands. Bereits im ersten Verfahren gegen Ulvi K. vor der Jugendkammer des Landgerichts Hof war Kröber als Sachverständiger bestellt. Erneut soll er beurteilen, wie glaubwürdig das - inzwischen widerrufene - Geständnis von Ulvi K. war, das jener am 2. Mai 2002 bei der Polizeidirektion Bayreuth ablegte.

Sein Gutachten wurde eines der Fundamente des Hofer Urteils. Er führte darin aus, dass der nach einer Hirnhautentzündung geistig behinderte Ulvi K. sich einen solch komplexen Tatablauf nicht selbst hätte ausdenken können. Auch dass er die Ereignisse wiederholt gleich geschildert habe, spreche dafür, dass sich die Tat in Lichtenberg so abgespielt habe. Zudem habe es aufseiten der Vernehmer niemanden gegeben, der Ulvi K. den Ablauf so hätte suggerieren können, sagte Kröber in Hof.

Dies hat sich als Irrtum herausgestellt: Dass die Soko Peggy II schon vor der entscheidenden Vernehmung eine sogenannte "Tathergangshypothese" besaß, ist der Hauptgrund für die Wiederaufnahme des Verfahrens. In seinem Wiederaufnahmebeschluss ging das Bayreuther Gericht davon aus, dass weder Kröber noch die Richter von dieser Hypothese wussten.

Wenn es auch nur fünf dürre Sätze waren, so enthielt die Hypothese des Profilers Alexander Horn doch wesentliche Elemente der später als Geständnis niedergelegten Version. So etwa, dass Ulvi K. sich bei Peggy K. für einen Missbrauch, der sich drei Tage zuvor ereignete, entschuldigen wollte. Weil sie drohte, ihn zu verraten oder um Hilfe schrie, sei die Situation eskaliert.

Ex-Soko-Chef Geier hatte bei seiner Vernehmung am vergangenen Freitag überraschend erklärt, dass ihm die Tathergangshypothese bislang selbst unbekannt gewesen sei. Nach Presseberichten habe er gesucht und das entsprechende Schreiben in den Akten gefunden, die der Staatsanwaltschaft Hof nach Abschluss der Ermittlungen zugegangen seien. Ob es auch Kröber erhalten habe, wisse er nicht.

Das Gericht hatte am Freitag allerdings durchscheinen lassen, dass es sich zum Geständnis seine eigenen Gedanken macht. Wesentliche Elemente davon tauchten demnach schon einmal als Motive der Erzählungen von Ulvi K. auf, als dieser noch zu sexuellen Missbrauchsvorwürfen befragt wurde.

Das Gutachten Kröbers ist von erheblichen Nebengeräuschen begleitet. So hatten Ina Jung und Christoph Lemmer, die Autoren des Buchs "Der Fall Peggy", eine Woche vor Prozessbeginn bei einer Pressekonferenz in Bayreuth behauptet, dass der Vorsitzende Richter der Jugendkammer, Michael Eckstein, bei der Erteilung des Auftrags schon vorgeben wollte, dass Kröber das Geständnis diesmal als unglaubwürdig bewertet. Kröber habe dies zunächst auch akzeptiert, dann aber ein gegensätzliches schriftliches Ergebnis vorgelegt. Das Landgericht hat diesen Behauptungen energisch widersprochen.

Am Wochenende legte der Kreis der Unterstützer von Ulvi K. noch einmal nach und griff die Unparteilichkeit Kröbers an. Auf Facebook kursiert das Faksimile eines Schreibens von Kröber an den Autoren Christoph Lemmer. Darin lässt sich Kröner wenig vorteilhaft über "diesen Rechtsanwalt Michael Euler, nicht zu verwechseln mit dem renommierten Rechtsanwalt Wolfgang Euler" aus. Zudem schreibt er: "Die Verschwörungstheoretiker verschweigen übrigens alle, dass Ulvi unstreitig Peggy am Donnerstag vor der Tat massiv vergewaltigt hatte und vorher bekanntermaßen andere Kinder des Ortes sexuell missbraucht hatte."

Laut Chef-Ermittler Wolfgang Geier hatte die Tathergangshypothese für die Soko Peggy II ohnehin wenig Bedeutung. Er habe sie nicht in Auftrag gegeben, sagte er als Zeuge, und was er dann in den Akten vorgefunden habe, erfülle auch nicht die Anforderungen an das, was er eine Tathergangshypothese nennen würde. Geier macht zudem darauf aufmerksam, dass Ulvi K. sein erstes Geständnis gegenüber einem Polizisten abgelegt habe, der überhaupt nicht der Soko angehört habe. Der Polizeihauptmeister Walter H. habe keinerlei Einsicht in die Akten und Überlegungen der Sonderkommission gehabt. Man habe ihn nur bereitgehalten, weil man gewusst habe, dass der aus Lichtenberg stammende H. für Ulvi etwas wie eine Vertrauenspersonen gewesen sei. H. ist ebenso für den heutigen Tag als Zeuge benannt.

Die Verschwörungs- theoretiker verschweigen übrigens alle, dass Ulvi unstreitig Peggy am Donnerstag vor der Tat massiv vergewaltigt hatte.

Gutachter Dr. Hans-Ludwig Kröber

in einem Brief an einen Journalisten

Es gab kein konkretes Szenario.

Ex-Soko-Chef Wolfgang Geier