Mödlareuth Mödlareuth - geteilt für drei Stunden

Nur wenige Meter trennen AfD-Demonstration und die Gegenveranstaltung. Doch zwischen beiden liegen Welten.

 
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Mödlareuth - Verbal haben beide Seiten ihre Magazine bestückt. Mit Munition, die die anderen aus Gewohnheit kaltlässt. Im einst getrennten Dorf Mödlareuth skandieren die Anhänger des "Flügels", einer nationalistisch eingestuften Gesinnungsgruppe der AfD, die von gemäßigten Kräften gemieden wird, "Widerstand, Widerstand!" gegen das Establishment. Und die anderen - DGB, Grüne, Linke, Die Partei - wollen "Rassisten", "Nazis" und "Patridioten" argumentativ keinen Zoll überlassen. Nicht freiwillig.

Doch die AfD strotzt vor Kraft. Erst jüngst hatten die beiden Vorsitzenden der Bundestagsfraktion gesagt, dass der Streit in der Regierungskoalition in Berlin vor allem ihnen zugutekomme. Einfach nur dagegen zu sein, reicht aus. "Wir sind eine Protestpartei - und ich bin stolz darauf", sagt Georg Hock, der Kulmbacher Kreisvorsitzende und Mitinitiator des "Tages des Patrioten" in Mödlareuth. Seine Partei werde gewählt, egal, welches Programm sie habe. "Wir haben natürlich ein Programm, aber wen interessiert das schon."

Zum Beispiel den Sozialdemokraten Jörg Nürnberger, Kreisrat in Wunsiedel. Der sieht bei der AfD lediglich einen "leicht besoffenen politischen Aktionismus", der in eine monothematische Politik münde. Schon deshalb erwartet er von Björn Höcke "wieder mal eine grottenschlechte Rede".

Ein paar Meter weiter, an einem Zaun, der die beiden Seiten trennt, gibt es leichte Annäherungsversuche. Ein Mädchen, das eine Peace-Flagge um sich gewickelt hat, lehnt an der Barriere und unterhält sich mit zwei Männern, offenbar ruhig, ohne Argumente unterstützendes Gefuchtel. Lebhafter geht die Thüringer Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner die Überzeugungsarbeit an. "Wir dürfen nicht zulassen, dass die AfD das Unsagbare wieder sagbar macht", ruft sie und erinnert an Gaulands "Vogelschiss-Vergleich". In Mödlareuth argumentierten die AfD-Redner am Rande zum Unsagbaren. Ihre Unzufriedenheit mit der Politik - Höcke sprach vom "Verwesungsgeruch einer absterbenden Demokratie" - soll zunächst in einem Widerstand münden. Und so tun sich die Redner argumentativ schwer, weshalb sie einerseits auf revolutionäre Veränderungen setzen, andererseits davon sprechen, dass Recht und Gesetz auf ihrer Seite stehen. Nur sei - seiner Argumentation zufolge - im Moment die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland, insbesondere der Frage der Grenzsicherung, nicht garantiert.

Abenteuerlich findet Grünen-Abgeordnete Ulrike Gote den Ansatz der Gastgeber auf der anderen Seite der Polizeiabsperrung, den 17. Juni 1953 zu einem "Tag der Patrioten" umzumünzen. Vor 65 Jahren seien Arbeiter gegen eine Normerhöhung auf die Straße gegangen, es sei ein Aufstand für Freiheit gewesen. "Nun pervertiert die AfD die Geschichte", wettert die Landtagsabgeordnete.

Höcke zieht gar einen Vergleich zwischen den Opfern des 17. Juni 1953 und den von Flüchtlingen ermordeten Mädchen. "Unsere Mädchen und Frauen sind Opfer von Ideologen." Deren Ideologie sei der menschenverachtende Multikulturalismus, den er mit dem Sozialismus gleichsetzt. Unversöhnliche Worte in einem mal wieder geteilten Dorf.

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