Länderspiegel Rätselhafte Todesfälle im Altenheim

Von , und Bastian Benrath

Die Vorwürfe machen sprachlos: Offenbar sind in einer Seniorenresidenz in Unterfranken Menschen gestorben, weil ihnen nach einem Sturz niemand geholfen hat.

 
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Untermerzbach - Polizisten haben am Donnerstag zwei leitende Mitarbeiter eines Seniorenheims in Unterfranken verhaftet. Hintergrund seien mehrere ungeklärte Todesfälle von Heimbewohnern, teilten die Polizei und die Staatsanwaltschaft Bamberg mit. Deshalb seien die Geschäftsführerin und der Pflegedienstleiter der Seniorenresidenz Schloss Gleusdorf in Untermerzbach im Landkreis Haßberge verhaftet worden.

Die Vorwürfe wiegen schwer: In einem Fall soll nach dem Sturz eines Heimbewohners über mehrere Tage hinweg, trotz des sich drastisch verschlechternden Gesundheitszustandes des Seniors, kein Arzt hinzugezogen worden sein. Der Heimbewohner überlebte das nicht.

Die Behörden ermitteln laut Mitteilung bereits seit Mai gegen Verantwortliche des Heims. Zunächst lauteten die Vorwürfe auf Austausch von Medikamenten, unangemessene Sanktionen gegenüber Heimbewohnern sowie verschiedene kleinere Vermögensdelikte. Anfang November habe es dann erstmals Vorwürfe gegeben, dass Senioren zu Tode gekommen seien.

Nach eingehender Prüfung von Zeugenaussagen und weiteren umfangreichen Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Bamberg und die Kripo Schweinfurt hat die Staatsanwaltschaft beim Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Bamberg Haftbefehle gegen die Geschäftsführerin und den Pflegedienstleiter beantragt. Den beiden Mitarbeitern wird Totschlag durch Unterlassen vorgeworfen. Polizisten durchsuchten zudem mehrere Gebäude und beschlagnahmten Behandlungsunterlagen und Dienstpläne. Gegen einen im Seniorenheim tätig gewordenen Arzt wurde ein Verfahren wegen Ausstellung unrichtiger Gesundheitszeugnisse eingeleitet. Auch seine Räume wurden durchsucht und die Patientenunterlagen der betreffenden Heimbewohner sichergestellt. Ein rechtsmedizinischer Sachverständiger wurde hinzugezogen. Die Auswertung der Daten werde nun wohl einige Zeit in Anspruch nehmen, teilt die Staatsanwaltschaft mit.

Seitens der Seniorenresidenz Schloss Gleusdorf wollte sich am Donnerstag niemand gegenüber unserer Zeitung zu den gravierenden Vorwürfen äußern. Auch im Ort fehlen den Menschen die Worte. "Man hat ja nie jemanden draußen gesehen", sagt ein Spaziergänger, der das Polizeiwagen-Aufgebot aus der Ferne beobachtet. Bis in den frühen Nachmittag sind die Beamten der Kripo aus Schweinfurt vor Ort und tragen offenbar Beweismaterial aus dem Schloss. Gerüchte habe es immer viele gegeben, sagt der Mann, doch man habe immer vermutet, dass sich mit den Anschuldigungen nur ehemalige Angestellte für ihre Kündigung hätten rächen wollen. Von einem "Rachefeldzug" hatte auch die Heimleitung zuletzt gegenüber einigen Medien gesprochen.

Bei Kontrollbesuchen durch die Behörden hätten sich die Vorwürfe bislang nicht bestätigen lassen, sagte die Pressesprecherin des Landratsamtes in Haßfurt, Monika Göhr, am Donnerstag unserer Zeitung. Die Heimaufsicht des Landkreises Haßberge führe regelmäßig Kontrollen in den Pflege- und Behindertenheimen durch und überwache bei ihren unangemeldeten Besuchen die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen, insbesondere der Vorschriften des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes. Erst am 16. November war die Seniorenresidenz Gleusdorf zuletzt kontrolliert worden. "Dabei, wie auch bei den Kontrollen zuvor, wurden keine erheblichen Mängel im Sinne des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes festgestellt", sagte Monika Göhr auf Anfrage unserer Zeitung. Seitens der Heimaufsicht seien deshalb bislang keine Anordnungen erlassen oder Auflagen verhängt worden.

Im Landratsamt Haßberge will man nun das Ergebnis der Ermittlungen abwarten und "der Staatsanwaltschaft die erforderliche Unterstützung leisten, um zur Aufklärung des Sachverhaltes beizutragen".

Bei den Kontrollen der Heimaufsicht wurden keine erheblichen Mängel festgestellt.

Monika Göhr, Landratsamt Haßberge

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