Länderspiegel Rock im Park: Eine kleine Dosis Anarchie

Alina Juravel

Terror-Alarm in der Eifel: Kaum hat das Festival "Rock am Ring" begonnen, müssen die Veranstalter es abbrechen. Bei "Rock im Park" in Nürnberg feiern indes 80 000 Menschen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen



Nürnberg - Wie funktionieren Festivals in Zeiten von erhöhter Terror-Gefahr? Ganz gut, beweist "Rock im Park" in Nürnberg. Und doch dürften die Veranstalter ein flaues Gefühl in der Magengrube haben. Nicht nur, wenn sie in die Eifel blicken.

Schock am Nürburgring

Das von Zehntausenden Musikfans besuchte Festival "Rock am Ring" ist am Freitagabend wegen Terrorgefahr unterbrochen worden. Die Polizei habe aufgrund einer "terroristischen Gefährdungslage" die Veranstalter des mehrtägigen Rockfestivals angewiesen, die Besucher zum Verlassen des Geländes aufzufordern, teilten die Organisatoren mit.

Die rheinland-pfälzische Landesregierung bestätigte die Terrorwarnung. Es gebe Hinweise auf eine mögliche terroristische Bedrohungslage, sagte eine Ministeriumssprecherin.

Einmal im Jahr entsteht in Nürnberg eine Parallelwelt. Eine Welt voller Zelte, Dixie-Klos und betrunkener Menschen. Wenn das Festival "Rock im Park" sich auf dem Zeppelinfeld niederlässt, dann pilgern Zehntausende Menschen in die fränkische Großstadt. 80 000 Musikfans sind es, die das Gebiet zwischen Dutzendteich und Frankenstadion seit Freitag belagern. Die Veranstaltung ist restlos ausverkauft. Auf dem Zeppelinfeld, auf dem sich einst Nazis in ihrem Größenwahn inszenierten, wird nun musikalische Vielfalt zelebriert.

Doch selten war das Thema Sicherheit bei "Rock im Park" so brisant wie jetzt. Nach dem Anschlag von Manchester schwingt die Angst vor möglichen Terroranschlägen auch in Nürnberg mit. Deshalb haben die Veranstalter die Sicherheitsvorkehrungen noch weiter erhöht. Taschen, Rucksäcke und Behältnisse aller Art sind auf dem Festival-Gelände verboten. Die Besucher dürfen nicht mal eigene Getränke, egal in welcher Verpackung, mitnehmen. Nur Bauch- und Gürteltaschen sind noch erlaubt. Mehr als ein Geldbeutel, Handy und Schlüssel sollen da nicht reinpassen. Betonsperren riegeln die direkten Wege zum Gelände ab, damit kein Lastwagen - wie in Nizza oder in Berlin - in die Menge rasen könnte. Hunderte bewaffnete Polizeibeamte, Zivilfahnder und Sicherheitsleute patrouillieren ständig durch das Gelände.

Die stärkere Polizeipräsenz scheint die meisten Besucher am Freitag nicht zu stören. Doch die neuen Hausregeln stoßen bei vielen auf Unverständnis: "Mich stört es am meisten, dass ich jetzt gezwungen bin, das teure Zeug auf dem Festival zu kaufen, wenn ich mal etwas anderes als Wasser aus der Leitung möchte", beklagt sich Josef Heinzel aus Hof. Der 28-jährige Besucher bezweifelt, dass solche Einschränkungen wirklich mehr Sicherheit bringen: "Wenn jemand tatsächlich einen Anschlag verüben möchte, könnte er das auch vor dem Eingang in der Warteschlange tun." Der gleichen Meinung ist auch die 20-Jährige Nora Leupold aus Bayreuth: "Es ist total übertrieben, dass man jetzt nicht mal mehr eine Safttüte aufs Gelände mitnehmen darf. Es riecht nach Abzocke."

Gegen solche Vorwürfe wehren sich die Organisatoren: "Wir wollen durch die verschärften Sicherheitsmaßnahmen nichts verdienen", versichert Carolin Hilzinger vom Konzertveranstalter "Argo". Damit das neue Mitnahmeverbot keine kollektive Dehydrierung auslöst, haben die Veranstalter mehrere Wasserstände und Trinkstationen auf dem Festivalgelände aufgebaut. Dort können sich die Besucher kostenfrei mit Leitungswasser versorgen.

Zwischen all der Überwachung soll natürlich das typische Gefühl des Festivals nicht verloren gehen. Schließlich besteht der Charakter eines solchen Events gerade in seiner Freiheit. Drei Tage Anarchie in leichter Dosierung - das sollen die Besucher im besten Fall erleben. Dem Alltag entfliehen, die Nächte durchmachen und den Lieblingsbands zuhören. Es ist nicht leicht, den Spagat zwischen Freiheit und Sicherheit zu schaffen.

Der erste Festival-Tag verläuft friedlich. "Rock im Park" startet mit hochsommerlichen Temperaturen. Die Leute feiern und trinken bis zum Exzess. Zwischen den Zelten türmt sich der Müll und bis weit in die Nacht hin wummert der tiefe Bass von den Bühnen zum Campingplatz hinüber. Musikalisch verfolgt das Open Air - wie auch in den Jahren zuvor - keine bestimmte Stilrichtung. Hier erlebt man sowohl Deathcore als auch schmalzigen Pop. Außerdem setzen die Macher seit Jahren auf bewährte Namen, wie etwa die Toten Hosen, die am Freitagabend als Headliner auftreten. Professionell wie eh und je liefern die altgedienten Punk-Rocker eine routinierte Show ab. Auch Kraftklub und Beatsteaks - seit Jahren Stammgäste auf dem Zeppelinfeld - locken Zehntausende Fans vor die Bühne.

Fast 50 weitere Bands werden bis späten Sonntagabend hier noch auftreten. Ein Highlight für viele dürfte dabei die Show von Rammstein sein. Die Brachial-Rocker haben ihren Auftritt am Sonntag. Bis dahin hoffen die Macher, dass das Festival genauso weiter friedlich verläuft."Es gibt keine konkrete Gefährdungslage", sagte ein Sprecher des Veranstalters am Freitagabend.

Bilder