? Warum hat Deutschland kein Endlager?
Jahrzehntelang galt ein Salzstock im niedersächsischen Gorleben offiziell als der zukünftige deutsche Endlager-Standort, obwohl erhebliche Zweifel an seiner Eignung bestanden. Gorleben wurde zum Symbol der Anti-Atom-Bewegung, die Auseinandersetzung um den Standort vergiftete das politische Klima in der Republik. 2013 begann die Suche nach einem Endlager von vorn - und zwar nach dem Prinzip der "weißen Landkarte": Grundsätzlich soll jeder Ort für das Endlager infrage kommen. Die Auswahl soll transparent sein und nicht auf politischen, sondern wissenschaftlichen Kriterien beruhen. Für die Suche ist die bundeseigene BGE zuständig. Sie hat nun auf der Grundlage vorhandener geologischen Daten eine erste Vorauswahl für mögliche Standort-Regionen getroffen.
? Um was für Regionen handelt es sich?
Als sogenannte "Wirtsgesteine" für ein Atom-Endlager kommen laut Gesetz grundsätzlich Salz, Ton und Kristallin (etwa Granit) infrage. Die Schichten müssen mindestens 300 Meter unter der Erdoberfläche liegen und mindestens 100 Meter mächtig sein. Die von der BGE jetzt ermittelten Teilgebiete haben eine Gesamtfläche von rund 240 000 Quadratkilometern. Mit Ausnahme des Saarlands sind sämtliche Bundesländer betroffen. Selbst in Großstädten wie Berlin, Hamburg oder Stuttgart gibt es Gegenden, die auf den ersten Blick für ein Endlager infrage kommen. Das Gleiche gilt für Küstengebiete an der Nord- und Ostsee. "An der Größe der Teilgebiete lässt sich leicht erkennen, dass wir von einer Vorentscheidung für einen Standort noch weit entfernt sind", sagte am Montag BGE-Manager Steffen Kanitz. Auch BGE-Chef Stefan Studt betonte, ein jetzt ausgewiesenes Teilgebiet sei "noch lange" kein Endlagerstandort.
? Wie geht es weiter bei der Standortsuche?
Das Verfahren ist insgesamt in drei Phasen eingeteilt. Bislang befindet sich die BGE in der Mitte von Phase eins. Als nächstes werden Teilgebiete weiter eingegrenzt, dabei geht es um Kriterien wie die Besiedlungsdichte, Natur- und Wasserschutzgebiete oder vorhandene Kulturdenkmäler. Bei dem Prozess soll immer die Öffentlichkeit einbezogen werden, das ist eine Lehre aus dem Gorleben-Debakel. Ziel von Phase eins ist, einen Standortvorschlag für Regionen vorzulegen, die dann in Phase zwei oberirdisch erkundet werden. In Phase drei erfolgt die unterirdische Erkundung. Nach deren Abschluss soll 2031 ein Standortvorschlag präsentiert werden. Die endgültige Entscheidung darüber, wo das Endlager schließlich gebaut wird, muss der Bundestag fällen.
? Stehen alle Beteiligten zu dem Verfahren?
Nicht mehr. Es gibt erste Absetzbewegungen vonseiten der bayerischen Landesregierung. Der Freistaat wehrt sich mit Händen und Füßen gegen ein Endlager unter weiß-blauem Boden. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will dem Bericht des BGE eigene wissenschaftliche Expertisen entgegenstellen. Er wandte sich auch gegen "politisch motivierte Entscheidungen" bei der Standortwahl, sagte aber zugleich, dass er "das politische Gewicht der Staatsregierung einbringen" wolle. Der bayerische Untergrund sei ungeeignet: der Granit im Bayerischen Wald "zu zerklüftet", die schwäbischen Tonschichten "dünner als anderswo", und bei Salzstöcken habe Bayern sowieso "nur einen kleinen Anteil". CSU und die mitregierenden Freien Wähler haben im Koalitionsvertrag festgelegt, dass sie Bayern als ungeeignet für ein Endlager betrachten.
? Was wird jetzt aus Gorleben?
Der Salzstock gehört nicht zu den Teilgebieten, die die BGE am Montag als möglichen Endlager-Standort präsentierte. Das bedeutet, dass es dort definitiv kein Endlager geben wird. Bayerns Ministerpräsident Söder kritisierte dies. Die Ablehnung Gorlebens sei "nicht schlüssig" begründet. Der Sprecher der Anti-Atom-Initiative "Ausgestrahlt", Jochen Stay, sagte hingegen, mit der Festlegung werde ein "43 Jahre alter Fehler endlich geheilt". Ganz aus dem Schneider ist die Region aber noch nicht: In unmittelbarer Nähe zum Salzstock gibt es Tonformationen, die jetzt als denkbarer Standort für das Endlager ausgewiesen sind.
? Wer bezahlt die Suche und das geplante Endlager?
Die vier Atomkonzerne EnBW, RWE, Eon und Vattenfall. Sie überweisen 2017 insgesamt 24 Milliarden Euro an einen neu gegründeten Staatsfonds mit dem Namen "Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung" mit Sitz in Berlin. Damit sind die Konzerne finanziell aus dem Schneider.