Selb Diebe schneiden Telefonleitung vom Mast

Rainer Maier

Metalldiebstahl liegt im Trend. Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, nehmen die Gauner mit und machen es zu Geld. Auch am Sonntag in Mühlbach bei Selb.

 
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Mühlbach - Bei Buntmetalldieben besonders beliebt sind Kupferkabel, die, noch auf Trommeln gewickelt, auf Baustellen liegen. Manche klauen auch Messingplatten, andere nehmen ganze Eisenbahnschienen mit. Es ist die Heavy-Metal-Fraktion der Kriminellen, die sich auf solche Beute spezialisiert hat. Und oft steckt bei den schweren Jungs mit der schweren Beute eine Menge Logistik dahinter. Dass allerdings eine installierte Telefonleitung direkt vom Mast geschnitten und gest ohlen wird, das ist schon ungewöhnlich. "Überhaupt nicht", entgegnet ein Landwirt aus Mühlbach, einem Ortsteil von Selb direkt an der Grenze zu Tschechien. "In den vergangenen drei Jahren haben sie hier schon zehn Mal das Telefonkabel abgeschnitten." So auch am Sonntag wieder.

Der Frau des Landwirts war aufgefallen, dass das Festnetztelefon nicht funktioniert. Aus den Erfahrungen der vergangenen Monate ahnte sie, was der Grund sein könnte. Sie ging die Straße hinauf Richtung Erkersreuth und wurde bald fündig: Auf Höhe des Anwesens Mühlbach 22 war das Telefon-Überlandkabel gekappt. Mal wieder.

Auch am Tag danach baumeln die Kabelenden lose im Wind. Über drei Masten hinweg fehlen die Verbindungen. Darunter steht die 60-jährige Bäuerin und erzählt, wie nach ihrer Ansicht der Kabelklau vonstatten geht. Ihren Namen will sie "lieber nicht" in der Zeitung lesen. Sie berichtet: "Die haben lange Stangen dabei mit Messern am Ende. Damit sägen sie das Kabel ab." Solche Stangen habe sie in der Nähe der Tatorte schon gefunden. "Und ein Nachbar hat im Wald die Feuerstellen gesehen." Dort würden die Täter die Isolierung der fingerdicken Kabel wegbrennen. Ihnen gehe es ja nur um das Kupfer im Inneren.

Hier in diesem letzten Zipfel Frankens kann man nachts Autos schon von Weitem kommen sehen. Ein 300-Meter-Sprint - und man ist in einem Wäldchen auf der tschechischen Seite in Sicherheit vor den deutschen Ordnungshütern. Nicht nur die Telekom wird so zum Opfer, auch die Besitzer der einsamen Gehöfte und Wohnhäuser hier haben mindestens eine fehlende Dachrinne zu beklagen. Einmal, erzählt die Landwirtin, habe sie nachts die Täter beim Werkeln gehört und die Polizei gerufen. "Aber als die Streife kam, waren die längst stiften gegangen."

Eine gute Woche werde es wohl dauern, bis die Telekom den Schaden repariert hat. Aufs Handy umzusteigen, sei keine Lösung. "Wir haben hier kaum deutschen Netzempfang. Weiter unten loggt sich das Handy automatisch ins tschechische Netz ein. Das wird dann teuer."

Bis gut anderthalb Kilometer vor dem Tatort ist die Telefonleitung unterirdisch verlegt. Hier bringt die Telekom gerade auch Glasfaserkabel fürs Breitband-Internet in den Boden ein. Aber die letzten Häuser von Mühlbach wird diese Maßnahme wieder nicht erreichen, auch wenn die Anwohner mehrfach darum gebeten haben. Nicht nur aus Eigennutz: "Da könnte sich die Telekom doch die dauernden Reparaturen sparen", sagt die Frau aus Mühlbach.

Dr. Markus Jodl aus München, Unternehmenssprecher der Telekom, teilt dazu auf Anfrage der Frankenpost nur einen Satz mit: "Es gibt hierzu keine Zahlen, die wir nach extern kommunizieren."

Der Landstrich entlang der tschechischen und polnischen Grenze gilt bei Ermittlern als besonders plünderungsgefährdet. "Entwendet werden alle metallenen Gegenstände, die sich in ,bare Münze' umwandeln lassen", hat Marianne Falasch vom Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden auf entsprechende Presseanfragen erklärt. "Die Menge bei den Einzeltaten beträgt oft mehrere Tonnen." Der Schaden, den Metalldiebe anrichten, gehe nicht selten in die Hunderttausende.

Für die Täter verlockend sind die weltweit hohen Rohstoffpreise. Nach Beobachtungen des BKA lässt sich ein enger Zusammenhang zwischen dem Metallpreis an der Börse und der Häufigkeit und Intensität der Diebestouren herstellen. "Bei stark fallenden Preisen gehen auch die Meldungen über Diebstähle zurück", heißt es aus Wiesbaden. Der Kupferpreis zieht gerade wieder steil an: Nach einer Delle von Mitte 2015 bis Oktober 2016 liegt er jetzt bei fast 5,83 Dollar (5,45 Euro) pro Kilo. Im Jahr 2011 gab's fürs Kilo Kupfer sogar schon zehn Dollar (9,31 Euro). Das war die Hochzeit der Metalldiebe.

"Auch Verbrecher können ökonomisch denken", sagt Robert Roth, der Leiter der Polizeiinspektion Marktredwitz. Wie im ganzen Freistaat ist auch in seinem Zuständigkeitsbereich die Zahl der Metalldiebstähle gesunken: von 50 im Jahr 2012 auf 19 im Jahr 2016 (Bayern: 1418 auf 391). Die Kurve der Statistik folgt auch hier dem Börsenkurs für Metalle. Obwohl Metalldiebstahl in der Region als "grenzüberschreitende Kriminalität" eingeordnet wird, merkt Roth an, "dass es sich bei dem Täterkreis nicht zwangsläufig um ausländische Tätergruppierungen handeln muss". Es würden oft genug Deutsche als Metalldiebe identifiziert.

Die Polizei hat sich Roth zufolge "einiges einfallen lassen müssen": So seien die Schrottaufkäufer, zumindest im Inland, "sensibilisiert" worden, was den Absatz der gestohlenen Ware schwieriger und gefährlicher mache. Aber: "Wenn der Preis passt und das Risiko kalkulierbar ist, machen Täter vor nichts halt." So habe es in der Vergangenheit auch Metalldiebstähle auf Friedhöfen gegeben. Das Zielobjekt: Grabschmuck aus Bronze.

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