Selb Kaum Bedenken gegen Flüchtlingsheim

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Eigentümer Shahrokh Ziadloo kann zufrieden sein. Nur wenige Teilnehmer der Diskussion in der Erkersreuther Turnhalle äußerten ernsthafte Bedenken gegen die Asylbewerberunterkunft. Im Frühjahr öffnen sich die Türen des ehemaligen Cafés für rund 50 Asylbewerber. Foto: Miedl

Im ehemaligen Café Mohren in Erkersreuth finden Asylbewerber bald ein neues Zuhause. Die Stadt informiert die Bürger über das Vorhaben. Nur wenige Kritiker sprechen sich gegen die Gemeinschaftsunterkunft aus.

 
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Selb - Ein riesiger Stein dürfte am Dienstagabend dem Selber Oberbürgermeister Uli Pötzsch vom Herzen gefallen sein. Wie bereits kurz berichtet (siehe hier), haben die Stadt und Vertreter der Regierung von Oberfranken über die geplante Unterkunft für Asylbewerber in Erkersreuth informiert. Um das Ergebnis der Diskussion vorwegzunehmen: Mehrheitlich äußerten die Erkersreuther keine Bedenken gegen die Gemeinschaftsunterkunft im ehemaligen Café Mohren in der Raithenbachstraße 1. Bis auf wenige Ausnahmen war sogar eine positive Grundstimmung zu spüren. "Um ehrlich zu sein, ich hatte vorher einen Kloß im Hals, weil ich nicht wusste, was auf uns zukommt", sagte Pötzsch, der sich nach der Diskussion "für den guten Ton" bedankte.

Der Andrang war gewaltig, mit mehreren Hundert Besuchern waren die Plätze in der Schulturnhalle in Erkersreuth restlos besetzt, teilweise standen die Zuhörer in den Gängen. Die Zeit sei gekommen, das Thema öffentlich zu besprechen, sagte Pötzsch. "Durch den Bauantrag ist die Stadt jetzt direkt betroffen."

Bauamtsleiter Helmut Resch kam dann kurz auf die baurechtlichen Vorgaben zu sprechen. Jürgen Neubauer und Hermann Schuberth, bei der Regierung von Oberfranken zuständig für die Unterkünfte für Asylbewerber, erläuterten die Rahmenbedingungen der Unterbringung. Anwesend waren auch Hauseigentümer Shahrokh Ziadloo, der Leiter der Polizeiinspektion Selb, Rudi Hohenner, und Christoph Dauser, beim Landesamt für Verfassungsschutz zuständig für die Informationsstelle gegen Extremismus.

Stadtrat Gerhard Kiesl eröffnete die Diskussion. "Beim Thema Asylbewerberheim ist Sensibilität gefragt, denn es verändert unser unmittelbares Wohnumfeld." Weiter mahnte Kiesl an, sich frühzeitig Gedanken über die Integration der Asylbewerber zu machen. "Es ist zu spät, Horte, Schulen und Vereine einzubinden, wenn die Asylanten bereits eingezogen sind", so Gerhard Kiesl.

Um die Integration der Kinder müsse man sich die wenigsten Sorgen machen, erklärte Hermann Schuberth. In den Unterkünften selbst könne jedoch nur Grundlegendes beigebracht werden. "Um die Menschen zu integrieren, brauchen wir Sie", wandte sich Schuberth an die Zuhörer.

Kai Hammerschmidt lobte in dieser Angelegenheit die gute Zusammenarbeit im Stadtrat. "Uns drohen weder Hunger noch Krieg, wir sind von Gott geküsst", sagte er. "Es wäre traurig, wenn wir es nicht schaffen, die Menschen aufzunehmen."

Heinrich Veit erkundigte sich, ob auch in leer stehenden Wohnungen der Stadt Asylbewerber untergebracht werden könnten. Der Oberbürgermeister darauf: "Ich denke, wir sollten zunächst das Projekt in Erkersreuth begleiten und uns erst später weitere Schritte überlegen."

Dr. Klaus von Stetten, Fraktionsvorsitzender der Aktiven Bürger im Stadtrat, schlug vor, einen Unterstützerkreis zu bilden, um den Heimbewohnern die Integration zu erleichtern. Ein Kompliment ob deren Offenheit sprach der ehemalige Leiter der Dr.-Franz-Bogner-Schule, Udo Benker-Wienands, den Erkersreuthern aus. Er sah das Vorhaben als große Chance für die Stadt. "Und für eine kleine Schule mit sinkenden Schülerzahlen ist es sicher ein Gewinn, wenn zusätzliche Familien kommen", so Benker-Wienands. Zustimmung kam von Lehrerin Dorothea Schmid. "Wir haben das alles doch schon einmal erlebt", sagte sie. "Zuerst haben wir türkische, später russlanddeutsche Familien aufgenommen und integriert. Warum sollten wir das jetzt nicht schaffen?"

"Anfangs war ich nicht begeistert", gestand Riyad El Dana aus Erkersreuth. "Aber diese Leute würden nach Selb laufen, um der Not und Gewalt zu entkommen." Er forderte, offen auf die neuen Mitbürger zuzugehen: "Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus."

Auf die Frage, warum alle Asylsuchenden ausgerechnet nach Deutschland kämen, verwies Christoph Dauser auf das Dublin-II-Abkommen. "Außerdem nehmen Malta, Schweden und Österreich wesentlich mehr Asylbewerber pro Einwohner auf", sagte Dauser.

"Aus Erzählungen meiner Großeltern weiß ich, wie grausam eine Flucht und wie herzlos die Begrüßung danach sein kann. Lasst uns das besser machen", schloss OB Pötzsch die Diskussion.

Ich hatte einen Kloß im Hals, weil ich nicht wusste, was auf uns zukommt.

Oberbürgermeister Uli Pötzsch

Einsicht in Baupläne

Im ehemaligen Café Mohren, Raithenbachstraße 1, sollen die Gastronomieräume künftig von Verwaltung und Beratungseinrichtungen genutzt werden. Die Pläne können von heute an bis zum 13. Dezember im Rahmen der Nachbarbeteiligung eingesehen werden. Sie sind im Stadtbauamt Selb, Ludwigstraße 6, Zimmer 42, von Montag bis Freitag von 8 bis 12 Uhr, Donnerstag zusätzlich von 14 bis 17.45 Uhr, ausgelegt.



Stadt entscheidet nur über Büroräume

Aus baurechtlicher Sicht ist die geplante Unterkunft nicht als Heim zu werten, sagte der Selber Bauamtsleiter Helmut Resch. Denn beim ehemaligen Café Mohren handelt es sich um ein Mehrfamilienhaus. "In abgeschlossenen Wohneinheiten stehen den Asylbewerbern auch Kochnische und Badezimmer zur Verfügung", so Resch. Während die Modernisierung der Wohnungen im Allgemeinen genehmigungsfrei sei, könne die Stadt nur über die Umnutzung der Gastronomieräume für Büro- und Verwaltungszwecke entscheiden.


Zahl der Asylbewerber steigt dramatisch

Rund 450 Menschen kommen monatlich in den beiden bayerischen Aufnahmelagern für Asylsuchende an. Knapp zehn Prozent davon müssen in Oberfranken untergebracht werden, sagte der zuständige Sachgebietsleiter bei der Regierung, Jürgen Neubauer. Zwischen 40 und 50 sollen ab dem Frühjahr in Erkersreuth wohnen. "Woher sie kommen, das entscheidet die Weltpolitik", sagte Neubauer. In den Unterkünften kümmern sich Betreuer um die sozialen Belange der Asylbewerber, für Kinder besteht Schulpflicht.


Unterkünfte steigern Kriminalität nicht

Im Umfeld von Unterkünften für Asylbewerber kommt es zu keiner merkbaren Steigerung von Straftaten. Vorgebrachten Bedenken widersprachen sowohl die Vertreter der Regierung von Oberfranken als auch Christoph Dauser von der Informationsstelle gegen Extremismus. Es gebe zwar Meinungsverschiedenheiten unter den Bewohnern oder vereinzelt Verstöße gegen die Residenzpflicht, "aber eine erhöhte Kriminalitätsrate lässt sich statistisch nicht nachweisen", sagte Dauser, der dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz unterstellt ist.

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