1949 war das anders. Da feierten die Selber ihr Fest wieder, und zwar groß: So war der bekannte Berichterstatter Hans-Dieter Ebeler vom Bayerischen Rundfunk mit einem Funkwagen in die Stadt gekommen, um den Radiohörern im Bundesland Eindrücke aus Selb zu schildern. Bewegend fanden die Selber den Abschluss des Heimatabends: Oberbürgermeister Dr. Franz Bogner stimmte das Lied der Deutschen an, was viele rührte.
Am Wiesenfestmontag dann hatten die Selber wieder was zu lachen: Mitglieder des Vereins der "Aufg'legten" organisierten - wie sie es schon seit 1927 getan hatten - einen parodistischen Festzug durch Selb zum Festplatz. Ein "Hochzeitszug" lief um 9 Uhr Richtung Goldberg, inklusive eines als Braut verkleideten Herren, barfüßigen Frackträgern, einem "Bürgermeister" und allerhand anderer skurriler Figuren. Den vielen Selbern, die am Straßenrand standen und zusahen, hat es gut gefallen. Um 10 Uhr begannen die Spiele für Erwachsene und Kinder, die die "Aufg'legten" vorbereitet hatten, darunter Wurstschnappen und Schubkarrenrennen, und im Kaffeezelt hörten sich die Besucher humorige Vorträge an.
Ein wenig im Dunkeln liegt dennoch vieles vom Wiesenfest 1949. Zwar trugen die blechernen Abzeichen zum Anstecken seinerzeit die Prägung "Stadt Selb", doch im kommunalen Archiv findet sich gar nichts darüber, berichtet Dieter Arzberger. "Normalerweise beschließt ja der Stadtrat, dass ein Wiesenfest stattfindet, wer dort seine Buden aufbauen darf, was das Bier kostet und so weiter. Aber aus dem Jahr 1949 gibt es keine Unterlagen darüber." Vermutlich habe also der damalige US-amerikanische "Resident Officer", der die Verwaltung im besetzten Deutschland repräsentierte, die Erlaubnis zur Feier des Festes gegeben - zu diesem Zeitpunkt war das Austin R. Martin, weiß Dieter Arzberger. "Er war bei der Selber Jugend sehr beliebt."
Nur private Archive geben Aufschluss über dieses erste Nachkriegs-Wiesenfest, denn auch das Zeitungsarchiv weist eine Lücke auf: Das Selber Tagblatt erschien nämlich erst am 26. August 1949 unter seinem alten Besitzer Friedrich Münch wieder - zu spät für einen Bericht vom Neuauflebenlassen dieser schönen Traditionsveranstaltung. 1950 aber widmete die Zeitung der Feier des Vorjahrs einen kleinen Rückblick und der aktuellen den bis heute üblichen Rahmen: Viel Text und noch sehr viel mehr an Bildern.
-----
Vom 12. bis 14. Juli findet in diesem Jahr das Selber Wiesenfest statt.
Bis zur Währungsreform hätten die Leute ja Tauschhandel an den Bratwurstbuden betreiben müssen. Heimatforscher Dieter Arzberger
Das Wiesenfest ist ein Stück echter Demokratie, von dem man selbst als Amerikaner noch etwas lernen kann. Der frühere "Resident Officer" Austin R. Martin