Der neue Laden in der Ludwigstraße war groß. Zu kaufen gab es schon damals fast alles: von hochwertiger Kosmetik und Parfums über Bade- und Hygieneartikel, Tees und Naturheilmittel bis hin zu Haushaltswaren. Im Obergeschoss gab es sogar eine Babyabteilung. Selb prosperierte in diesen Jahren, der Wirtschaft ging es gut, die Bevölkerungszahl stieg. Es war die Zeit der Hochkonjunktur und der Vollbeschäftigung. "In den besten Zeiten waren wir hier in der Drogerie acht Mitarbeiterinnen", erinnert sich Elli Netzsch.
Die junge Frau lernte Einzelhandelskauffrau, erwarb sich Ansehen und Vertrauen und führte dann 20 Jahre lang die Drogerie als Geschäftsführerin. Seit zehn Jahren ist sie inzwischen Inhaberin. "Aber jetzt ist es genug." Natürlich geht sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Denn die vielen guten Gespräche mit den Kunden, die Begegnungen mit den Menschen in Selb werden ihr fehlen, bekennt sie ganz offen. "Ich bin meinen Kunden, die ich ja zum Teil schon seit Jahrzehnten kenne, sehr dankbar für das Vertrauen, das sie mir entgegengebracht haben."
Und noch etwas wird sie vermissen: die neuen Düfte. "Ich habe alle selbst ausprobiert und getragen. Nur dann kann man sie einer Kundin guten Gewissens empfehlen."
Aber die erfahrene Geschäftsfrau sieht auch, dass die Zeiten härter geworden sind. Zum einen hätten die großen Parfumeure inzwischen Mindestabnahmewerte, die für kleinere Firmen ein Problem sein könnten. Zum anderen mache das Internet gerade den Drogerien große Konkurrenz, findet Elli Netzsch. Dabei gebe es im Internet keine fachlich fundierte Beratung. "Und: Unsere Innenstädte veröden."
Einen Nachfolger für die Drogerie hat Elli Netzsch nicht gefunden. "Ab Ende August wird es die Drogerie nicht mehr geben." Dabei habe sie sich wirklich bemüht und sogar mit größeren Ketten Verhandlungen geführt. Die hätten aber letztlich abgewinkt.
Große Pläne für den Ruhestand haben Elli Netzsch und ihr Mann nicht. Ruhig wollen sie es angehen lassen. Und zu ihrem Abschied aus dem Berufsleben zitiert Elli Netzsch das Motto des Firmengründers Karl Dittmar: "Nichts ist so beständig wie der Wandel."