"Sie erleichtern Einstellungen, wenn der Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften zeitlich begrenzt oder aus wirtschaftlichen Gründen unsicher ist", erklärt Brossardt. Zudem sieht er für die Arbeitnehmer sogar einen positiven Effekt: "Ein befristetes Beschäftigungsverhältnis ist oft der Einstieg in einen unbefristeten Stammarbeitsplatz." In der Industrie liege diese Quote bei mehr als 50 Prozent. In einem Positionspapier bezeichnet die VBW daher befristete Arbeitsverhältnisse als ein "zentrales Arbeitsmarktinstrument". "Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Flexibilisierung der Gesamtwirtschaft, bauen Einstellungshürden ab und erhöhen Jobchancen." Folglich warnt der Wirtschaftsverband die Politik vor einer Einschränkung von befristeten Arbeitsverhältnissen. Da beim Staat selbst am häufigsten befristet werde und Mitarbeiter dort am seltensten in eine dauerhafte Beschäftigung übernommen würden, "fordern wir, dass der Staat zuallererst bei sich selbst seine Zielsetzung umsetzt", betont Brossardt.
So will die Bundesregierung - festgeschrieben im Koalitionsvertrag - Arbeitsverträge mit sachgrundloser Befristung bei Arbeitgebern mit mehr als 75 Beschäftigten auf 2,5 Prozent limitieren und die Höchstdauer von 24 auf 18 Monate verkürzen. Auch eine Begrenzung von sogenannten "Kettenverträgen" auf maximal fünf Jahre ist geplant. Christian Hohendanner, Arbeitsmarktforscher am Nürnberger IAB, befürchtet, dass bei Umsetzung dieser Maßnahmen die Arbeitgeber auf Zeitarbeit oder Werk- und Dienstverträge ausweichen, um in der Personalplanung weiterhin flexibel agieren zu können.
DGB: Befristungen treffen junge Menschen
Kopfschütteln und Unverständnis hingegen auf Gewerkschaftsseite: "Wer für seine Wettbewerbsfähigkeit die Absicherung über befristete Arbeitsverträge benötigt, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt", meint der oberfränkische DGB-Regionsgeschäftsführer Mathias Eckardt. Zurückgehende Zahlen bei den Schulabgängern und immer mehr unbesetzte Ausbildungsplätze stellten insbesondere für Oberfranken ein zunehmendes Standortproblem dar. "Wer hier wöchentlich den Fachkräftemangel beklagt, aber gleichzeitig mit Befristungen arbeitet, braucht sich nicht wundern, wenn sich unsere gut ausgebildeten Fachkräfte dann in Richtung Süden orientieren." Befristete Beschäftigung sei vor allem ein Problem der jungen Menschen. Laut Eckhardt stelle sich die Frage, "wie wir so in Zeiten zunehmender demografischer Probleme unsere Fachkräfte in Oberfranken für die Zukunft gewinnen und auch in den Unternehmen halten wollen".
Der Bamberger Arbeitswissenschafter und Universitätsprofessor Dr. Olaf Struck spricht gar von einer "ökonomischen Katastrophe" für die jungen Leute. Sie würden in ihrer beruflichen und privaten Perspektive fehlgeleitet. "Durch die Befristung wissen sie nicht, wie sie ihre Weiterqualifikationen ausrichten sollen, denn es ist ja nicht klar, wer ihr nächster Arbeitgeber ist."
Ein Herumtapsen mit kleinen Schritten auf unsicherem Terrain. "Große Sprünge macht man eher in einer unbefristeten Anstellung." Dennoch ist Struck der Auffassung, dass für junge Berufseinsteiger eine zunächst befristete Anstellung nicht zwingend ein Problem sein muss - unter einer bedeutenden Voraussetzung: Der Arbeitgeber muss sich seiner Verantwortung für die befristet Beschäftigten im Klaren sein und diese auch wahrnehmen.
Qualifikationen ausbauen – trotz Befristung
Das Ideal: Der Arbeitgeber kümmert sich darum, dass die befristet Beschäftigten in ihrer Anstellungsphase ebenso an Weiterbildungen und Qualifizierungsmaßnahmen beteiligt werden, wie ihre Kollegen mit unbefristeten Verträgen. Die Arbeitswelt verändere sich so schnell, dass dies unbedingt notwendig sei. "Die Befristeten müssen sich sicher sein können, dass nichts von ihrer Qualifikation verloren geht oder sie möglicherweise sogar Aufsatteln können, um beim Auslaufen ihres Vertrages weiterhin gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben." Diesen fairen Umgang muss Struck allerdings auch für sein eigenes Berufsumfeld einfordern. "Leider sind befristete Verträge auch bei uns in der Wissenschaft und Lehre völlig üblich, wie in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes."
So streckt auch die beim Freistaat Bayern angestellte Diplom-Geoökologin seit geraumer Zeit ihre Fühler nach einem neuen Job aus. Ende dieses Jahres läuft ihr Vertrag aus, für eine Verlängerung gibt es keinerlei Garantie. "Verlasst euch nicht darauf, dass es weitergeht, kümmert euch rechtzeitig", kommuniziert sogar die Chefetage ihrer Behörde an die befristet Beschäftigten, die überwiegend auf Projektstellen mehr als 20 Prozent der Belegschaft ausmachen. Für die junge Akademikerin bedeutet dies: Arbeitsort wechseln, vielleicht Wegziehen aus der Region. - Und möglicherweise die Beziehung riskieren, weil der Partner hier seinen sicheren Arbeitsplatz hat? "Es ist alles offen."
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Lesen Sie dazu auch ein ausführliches Interview mit DGB-Regionsgeschäftsführer Mathias Eckardt im WiMO.