Wirtschaft Mehr Zeit für gute Kommunikation

Christoph Beck, Leiter der Unternehmenskommunikation bei der HelfRecht AG. Foto: pr.

Effizient zu kommunizieren zählt zu den wichtigsten Kompetenzen von Führungskräften. Die Digitalisierung stellt sie hier vor neue Herausforderungen:

 
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„Es gilt, den Spagat zu meistern zwischen möglichst schneller und dennoch möglichst gehaltvoller Kommunikation“, betont Christoph Beck, Leiter der Unternehmenskommunikation bei der HelfRecht AG, im Interview.

Sehr geehrter Herr Beck, die Digitalisierung bewirkt tiefgreifende Veränderungen in unserem beruflichen Alltag und unserem privaten Leben. Welche Auswirkungen hat sie auf die Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren?

Christoph Beck: Ein wesentlicher Aspekt ist die allseits spürbare Beschleunigung: Die Digitalisierung macht Kommunikation und Informationsaustausch schneller. Dies kann uns zwar helfen, Zeit zu sparen und effizienter zu agieren. Zumindest scheinbar ... denn schneller ist nicht unbedingt besser. Schneller kann auch heißen: oberflächlich, unüberlegt, überhastet, gleichgültig, phrasenhaft, unpersönlich, unverbindlich, ...

Die digitale Beschleunigung gefährdet also das Funktionieren von Kommunikation?

Christoph Beck: Ja, in manchen Situationen droht genau dies. Im Gegensatz zur reinen Informationsübermittlung, die eingleisig funktionieren kann, treten bei der Kommunikation Menschen miteinander in einen Dialog. Zum einen geht es also um Austausch und Verständigung. Zum anderen geht es um persönliche Zuwendung, um ein respektvolles und wertschätzendes Miteinander auf Augenhöhe. Beides kann unter dem unbedachten Einsatz digitaler Tools und einem oberflächlichen Schnell-schnell spürbar leiden.

Woran machen Sie das fest?

Christoph Beck: Drei Beispiele: Ein Minister erfährt von seiner Entlassung durch die Twitter-Nachricht seines Präsidenten. Junge Leute unterhalten sich über WhatsApp & Co. in Kürzelsprache wie „cu“. Geburtstagsgrüße erhält man standardisiert in neun Zeichen und falscher Rechtschreibung, ohne Anrede, aber dafür aufgepeppt mit mehr oder weniger kreativen Emojis, ... . Digitale Kommunikation ist in vielen Fällen geprägt von Gedankenlosigkeit und einem Abkürzungsbazillus – und wenn dies das Berufsleben infiziert, dann drohen Kundenkommunikation und innerbetriebliches Miteinander viel an Substanz, Prägnanz und vor allem Klarheit zu verlieren.

Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

Christoph Beck: Vorneweg: Ich möchte Nutzen und Vorteile der modernen Technik überhaupt nicht in Abrede stellen. Sich dem Digitalen zu verweigern, wäre sicherlich der falsche Weg. Ebenso falsch ist es aber, unreflektiert und gedankenlos alles mitzumachen. Es geht um das rechte Maß, um Differenzierung – und um den derzeit so strapazierten Begriff der „Achtsamkeit“. Bei der Kommunikation und Information mit digitalen Tools sollten wir bewusst darauf achten, was wir wie tun und was wir möglicherweise damit bewirken. Und zwar sowohl im persönlichen Bereich, als auch in Beruf und Unternehmen.

Aber haben wir noch Zeit für die von Ihnen geforderte Achtsamkeit?

Christoph Beck: Natürlich unterliegen wir den aktuellen Anforderungen des Arbeitslebens nach agilem Agieren: Schnell und flexibel sollen wir sein, sofort wendig reagieren können. Das erfordert eine ebensolche Kommunikation: schnell, direkt, unmittelbar, effizient. Aber möchten wir, dass sie auch gehaltvoll ist, dann braucht sie ihre Zeit. Durch Verkürzung und Verknappung kann inhaltlich einiges verloren gehen. Und es kommt möglicherweise zu völlig falschen Interpretationen. Effizient zu kommunizieren, kann also nicht darin bestehen, sich grundsätzlich möglichst kurz und knapp zu fassen. Entscheidend ist vielmehr, situations- und empfängergerecht zu kommunizieren.

Sehen Sie hier Führungskräfte in einer Vorbildfunktion?

Christoph Beck: Durchaus. Es gibt Situationen, da reichen einige wenige Stichworte als Information aus. Und es gibt Situationen, die umfassende Erläuterungen erfordern. Oder ein persönliches Gespräch. Eine gute Führungskraft zeichnet sich dadurch aus, dass sie dies differenzieren kann. Was dabei nie fehlen darf, ist der wertschätzende Umgang. Es ist sicher nicht zu viel verlangt, den Empfänger einer Mail oder WhatsApp-Nachricht anständig zu begrüßen und sich am Ende des Textes ebenso anständig zu verabschieden oder zu bedanken. Wertschätzende Kommunikation ist schließlich eine wesentliche Säule der Firmenkultur.

Christoph Beck ist Prokurist und Leiter der Unternehmenskommunikation bei der HelfRecht Unternehmerische Planungsmethoden AG in Bad Alexandersbad.

Digitale Kommunikation: Expertentipps von Christoph Beck

Tipp 1: Digitalisiert werden Tools und Prozesse – die handelnden Personen sind nach wie vor analoge Menschen. Menschen nehmen Information oder Kommunikation sehr individuell wahr, rational ebenso wie emotional. Achten Sie deshalb darauf, welche (ungewollten) Reaktionen Sie moglicherweise auslosen.

Tipp 2: Durch Kommunikation wollen Sie (Sie personlich oder Ihr Unternehmen) andere Menschen fur sich und Ihre Sache gewinnen. Entscheidend ist deshalb nicht nur, was Sie ver- mitteln, sondern vor allem, wie Sie das tun. Denn Kommunikation wirkt nicht nur durch In- halt, sondern auch durch die Form (das Wie der Ansprache). In der Art, wie Sie kommunizieren, drucken Sie Wertschatzung, Achtung und Interesse am Gegenuber aus – oder das Gegenteil.

Tipp 3: Denken Sie an das vielzitierten Axiom von Paul Watzlawick: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Wir wirken, wie wir kommunizieren. Durch unsere Worte, durch unsere Sprache, durch unsere Gestik und Mimik, durch unser Verhalten.

Tipp 4: Interpretieren Sie Ihre Kommunikation immer mal wieder aus Sicht Ihres Kunden, Ihres Mitarbeiters, Ihres Freundes, Ihres beruflichen oder privaten Umfeldes. Wie wirken Sie? Wie kommen Sie an? Welche Reaktionen erzeugen Sie?

Tipp 5: Differenzieren Sie Ihre Kommunikation: Prufen Sie, wo es angebracht ist, sie durch Verknappung oder Automatisierung effizienter zu gestalten – und wo eben nicht. Fur innerbetriebliche Kurzinfos genugt haufig die Betreffzeile des internen Mailprogramms, fur immer wiederkehrende Kundenfragen eine (leicht zu findende!) FAQ-Antwortliste auf der Website. Andere Anlasse (gerade im Kundenkontakt) brauchen hingegen eine jeweils individuelle Losung und Ansprache.

Tipp 6: Kommunizieren Sie stets wertschatzend und menschlich. Also: korrekte Anrede, verstandliche Sprache, saubere Argumentation, partnerschaftlicher Stil, am Empfanger und an seinem Nutzen sowie Bedarf orientiert.

Tipp 7: Lassen Sie sich nicht vom „digitalen System“ unter Druck setzen, das auf einen Kommunikationsimpuls eine moglichst sofortige Reaktion erwartet. Nehmen Sie sich fur Ihre Antwort die (Reife- und Bedenk-)Zeit, die sie braucht. Dinge zu Ende zu denken, ist auch in „agilen“ Zeiten erlaubt. Und allemal effizienter, als Halbgares zu kommunizieren, das Sie spater wieder relativieren mussen. Geben Sie eventuell kurzfristig eine Zwischeninfo – und spater dann die fundierte Antwort.

Tipp 8: Egal, ob digital oder auf Papier: Lesen Sie Ihre Texte vor dem Versenden noch ein- mal durch. Am besten halblaut, dann „stolpern“ Sie fast automatisch uber unrunde, schwer verstandliche oder fehlerhafte Formulierungen, erkennen auch den moglicherweise fehlenden „roten Faden“. Viele Menschen scheinen auf diesen Kontrolldurchgang zu verzichten. Schade, denn er ist auf jeden Fall gut investierte Zeit. Sowohl bei internen Notizen, als auch bei allem, was nach draußen geht.

Tipp 9: Mit einem handgeschriebenen Brief (oder Karte) konnen Sie in digitalen Zeiten be- sonders punkten. Beim Mitarbeiter ebenso wie beim Kunden. Die personlichen Zeilen vermitteln dem Empfanger, dass Sie sich fur ihn Zeit genommen haben, dass Sie sich gedanklich auf ihn eingestellt haben, dass er Ihnen wichtig und wertvoll ist.

Tipp 10: Verstehen Sie Kundenkommunikation als Serviceaufgabe. Freilich: Guter Service kostet Zeit und damit Geld. Aber mangelhafter Service kann noch teurer werden – er kann Sie Kunden kosten. Oder gute Mitarbeiter.

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