Wunsiedel Duellanten rauchen die Köpfe

Schwarzweißdenken ist bei Schachspielern erste Pflicht. Rund 200 der Denksportler kämpfen noch bis Sonntag in der Fichtelgebirgshalle um kluge Züge und klare Siege.

 
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Wunsiedel - Schach ist ein ruhiges Spiel. Spötter würden sogar sagen, es sei langweilig: Zwei Menschen sitzen sich schweigend gegenüber und ziehen alle paar Minuten Figuren übers Brett. Wer aber genauer hinsieht, erkennt schnell, dass sich auf 64 schwarzen und weißen Kästchen ein Nervenkrieg abspielt, der seine Beteiligten ins Schwitzen bringt.

204 Spieler sitzen am Donnerstag, dem Eröffnungstag des 7. Wunsiedler Schachfestivals im Saal der Fichtelgebirgshalle. Pünktlich um 11 Uhr gibt Hauptschiedsrichterin Verena Zier das Turnier frei, das zu den Top 5 in Deutschland zählt. Die Spieler erheben sich von ihren Plätzen, geben sich die Hand und das "Spiel der Könige" beginnt. In zwei Klassen, Meister und Amateure, treten die Denksportler gegeneinander an. Noch herrscht völlige Ruhe im Saal, den Menschen jeder Altersgruppe bevölkern. Da sitzt ein Schuljunge einem älteren Herrn mit weißem Haar gegenüber und eine junge Frau fixiert mit starrem Blick ihr männliches Gegenüber; die jüngste Teilnehmerin ist acht Jahre alt, der älteste Teilnehmer 83 Jahre. International ist die Besetzung außerdem: Deutsche, Tschechen, Letten, Argentinier, Bulgaren, Ungarn und, und, und haben sich in Wunsiedel versammelt, darunter auch zehn Großmeister, deren Namen Schachfreunde auf der ganzen Welt aufhorchen lassen. Fernando Peralta zum Beispiel, oder Boris Chatalbashev. "Vorige Woche haben mir drei Großmeister abgesagt, zum Glück sind zwei eingesprungen, sodass wir unser Ziel von zehn erreicht haben", sagt Ludwig Zier. Der Turnierdirektor gönnt sich mit seiner Frau eine kurze Kaffeepause im Nebenraum, während Oliver und Verena Zier im Spielsaal den Ablauf im Auge behalten. Ludwig Zier und seine ganze Familie richten zusammen mit Klaus Steffan das Turnier aus. Sie laden ein, knüpfen Kontakte, vermitteln Hotels, koordinieren die Autofahrt der Großmeister vom Bahnhof in die Stadt und tausend Dinge mehr. "Wir haben zum Beispiel die Spielgeräte aus Unterfranken abgeholt, das ganze Auto war voll", erzählt Sabine Zier schmunzelnd. Die Bretter, Figuren und Uhren sind nämlich genormt, ein Verleih stellt sie zur Verfügung. Die Spieler müssen 40 Züge in zwei Stunden schaffen, dazu kommen noch 30 Minuten, um das Spiel zu beenden, falls es nach den 40 Zügen noch nicht so weit ist. Klingt entspannt - ist es aber nicht. "Zeitnot ist das gefürchtete Wort unter Schachspielern", weiß Ludwig Zier. "Wenn sich die Zeit dem Ende zuneigt, dann fliegen die Figuren nur so übers Brett."

Nach rund zwei Stunden ist für die meisten Spieler die erste Nettostunde um: Die Stoppuhr läuft schließlich nicht, wenn der Gegner nachdenkt. Im Saal wird es langsam unruhig, die Luft wird wärmer und stickiger. Spieler vergraben den Kopf in den Händen, als wöge er Tonnen, andere kauen nervös an den Fingernägeln. Zischend öffnen sich Wasserflaschen, knarrend rücken Stühle, Schuhsohlen quietschen. Ein Spieler hat sich als Glücksbringer ein Plüschzebra mitgebracht - es blickt entspannt in den Raum. Sein menschlicher Sitznachbar stiert brütend aufs Brett. Die Teilnehmer sind ganz ins Spiel versunken. Kein Wunder, dass es bei Turnieren auch mal hoch hergehen kann: "Es ist schon vorgekommen, dass Verlierer tätlich wurden", erinnert sich Ludwig Zier. Zum Glück noch nie in Wunsiedel.

Draußen schnappen Spieler frische Luft. Darunter Kolja Kühn aus der Nähe von Karlsruhe. "Das ist ein starkes Turnier, und mein Gegner ist auch stärker als ich. Vielleicht kann ich noch was lernen." Marcus von Lossow ist aus Hof gekommen: "Ich bin zum dritten Mal hier." Er schätzt die Ruhe, die gute Organisation und das Platzangebot. Vergangene Woche war er bei einem Turnier in Esslingen, demnächst geht's zu einem in Maastrich. "Jetzt muss ich wieder rein; mein Gegner hat mir schon Remis angeboten, vielleicht kann ich das Spiel aber noch gewinnen." Im Vorraum plaudert inzwischen Großmeister Normunds Miezis mit einem Besucher. Die Gäste nutzen die Chance zum Gespräch mit den Szenegrößen gerne.

Am Sonntag um 15 Uhr werden die Sieger geehrt. Dann geht es in die Planung für 2014. "Nächstes Jahr sponsert uns die Landesgewerbeanstalt - dann können wir den Preisgeldfonds erhöhen", sagt Ludwig Zier. Vielleicht lockt das ja noch mehr Meister an. Anfragen aus Indien und Eritrea jedenfalls lagen schon vor. tami

Vorige Woche haben mir drei Großmeister abgesagt, zum Glück sind zwei eingesprungen.

Ludwig Zier,
Turnierdirektor


Turnier 2014 steht fest

Das 8. Wunsiedler Schachfestival wird 2014 vom 29. Mai bis 1. Juni ausgetragen.

Die ersten 20 Partien der Meistergruppe aus dem diesjährigen Turnier werden in Kürze ins Netz gestellt.

Ein Video vom Turnier kann man sich schon anschauen:

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www.wunsiedel-schachfestival.de


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