Wunsiedel Grenzenlose Gourmets

Von
Seit sie sich bei einem Handballturnier der Mannschaften aus Mende und Wunsiedel begegneten, verbindet die ehemaligen Trainer Roland Schöffel und Serge Benmussa eine dicke Freundschaft. Bis heute treffen sich der Banker und den Bürgermeister mehrmals im Jahr - nicht nur bei offiziellen Partnerschaftsfeiern. Foto: Privat

Die Familie des zweiten Wunsiedler Bürgermeisters Roland Schöffel und die von Serge Benmussa aus Mende mögen sich seit 1981. Obwohl sie 1200 Kilometer voneinander entfernt wohnen, sehen sie sich mehrmals im Jahr.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Wunsiedel - Die Männer fachsimpeln über guten Wein, die Frauen über feines Essen. Das hält die Freundschaft zwischen zwei Ehepaaren trotz große Distanz zusammen. 1981 - vor Beginn der offiziellen Städtepartnerschaft - kamen Roland Schöffel und seine Frau Gabi erstmals mit dem damaligen Handballteam des VfL Wunsiedel nach Mende. Untergebracht waren die Sportler in Familien - die Schöffels bei den Benmussas. Denn Serge Benmussa war damals Handballtrainer in Mende, Roland Schöffel in Wunsiedel. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, die Jahrzehnte überdauert und erst vor vier Wochen bei einem Besuch des früheren französischen Bankers und seiner Frau Nicole, die als MTA im Krankenhaus in Mende arbeitete, vertieft worden ist. Benmussa verbrachte seine ersten 18 Jahre in Tunesien, bevor er während des Studiums in Montpellier seine Frau kennenlernte und ihr der Liebe wegen nach Mende hinterher zog.

Die Schöffels, die in Wunsiedel die Weinhandlung "Fronkreisch" betreiben, lieben die französische Lebensart. Doch die Freundschaft zu den Benmussas geht tiefer. Bei gemeinsamen Urlauben in Deutschland, Frankreich oder Italien und gegenseitigen Besuchen begleiteten die Familien auch die Kinder ihrer Freunde beim Erwachsenwerden. Die Wunsiedler kennen die heute 28 Jahre alte Celine Benmussa - inzwischen Psychologin - und ihre Schwester Helen - heute Lehrerin - von Geburt an. Ihre eigenen Kinder - den IT-Studenten Nikolai und die Lehrerin Sabrina - haben die Schöffels mit zweitem Vornamen nach ihren französischen Freunden benannt: Serge und Nicole. "Wir haben damals schon den europäischen Gedanken gelebt", sagt Roland Schöffel.

Apropos Gedanken. Die Verbindung entstand durch den Sport, bekommt Nahrung durch die Liebe zu gutem Essen und edlen Weinen und gipfelt in Philosophien über das Leben. Was Schöffel von dem Tunesier Benmussa gelernt hat: "Gastfreundschaft. Serge tickt südeuropäisch und nordafrikanisch." Herzlichkeit und Gelassenheit zeichneten ihn aus. Probleme müssten nicht genau auf den Punkt gelöst werden, es funktioniere über Umwege. "Wir diskutieren viel über unterschiedliche Herangehensweisen und Lebensphilosophien. Umgekehrt bewundere Benmussa Schöffels stark strukturierte Art zu denken.

Der Gedankenaustausch der Freunde funktioniert auf Englisch. "Mein Französisch reicht, um Speisekarten zu entziffern, aber nicht für eine gute Unterhaltung", sagt Schöffel, der mit seinem Freund unzählige Weingüter besucht hat. "Serge war der Türöffner. Durch ihn fand ich Einlass bei kleinen Winzern, die mich als Deutschen damals nicht allein empfangen hätten."

Bei Besuchen kredenzen die Franzosen den Deutschen auch zu Hause stilgerechte Menüs, beginnend mit dem Aperitif, einem Pastis mit Häppchen wie Muscheln, Nüssen oder selbst gemachter Wurst vom Bauernhof von Nicole Benmussas Eltern. Weiter geht es mit Quiche Lorraine, dazu ein Salat - oft mit Gemüse aus eigenem Anbau und einer Mustard-Sauce. Es folgt ein Edelfisch wie Seeteufel oder Loup de Mer. Zur Hauptspeise gibt es Charolais-Rind aus Burgund oder große Scampi á la Serge in einer Harissa-Sauce im Ofen geschmort. Schöffel: "Serge macht die besten Scampi meines Lebens." Vor jedem Gang debattieren die Männer lange über den passenden Wein. Zum hausgemachten Nachtisch passt ein Gläschen Champagner, bevor sich zum dem Käse die Weinverkostung fortsetzt. "Die Franzosen zelebrieren das Essen", sagt Schöffel. Für Deutsche sei es gewöhnungsbedürftig, vier bis fünf Stunden zu speisen. "Und es hat meistens eine unruhige Nacht zur Folge."

Dennoch hofft der Wunsiedler, dass sich die Franzosen internationalen Wünschen nicht zu sehr öffnen und ihre eigene Philosophie behalten. Obwohl selbst im Land der Gourmets eine zunehmende McDonaldisierung zu beobachten sei, habe das Essen und Trinken hier noch immer einen hohen Stellenwert. "Die Franzosen geben dafür wesentlich mehr Geld aus." Dafür seien Immobilien und Autos weniger edel ausgestattet als in Deutschland.

Wenn ihre Freunde zu Besuch kommen, beweisen ihnen die Wunsiedler, dass auch sie feinste Menüs mit passenden Getränken zaubern könne. Doch was Serge Benmussa bei jedem Besuch besonders schätzt, ist ein Mittagessen bei Roland Schöffels Mutter. Sie bewirtet den Gourmet aus Mende mit selbst gemachten Klößen und Schäufele. "Darauf freut er sich - das bekommt er in Frankreich nicht", erzählt Roland Schöffel, bevor er sich mit "Salut" verabschiedet und die Tür seines Wunsiedler Wohnhauses mit Weinhandlung schließt, die rund 5500 edle Tropfen aus 100 französischen Anbaugebieten beherbergt.

Ich bewundere Serges Gelassenheit und Herzlichkeit, er meine strukturierte Art zu denken.

Roland Schöffel über seinen

französischen Freund


Pläne für eine bayerische Brauerei in Mende

Einen Master-Plan für eine bayerische Brauerei mit Erlebnisgastronomie in Mende, seit 30 Jahren französische Partnerstadt von Wunsiedel, hat Serge Bemussa unter Beteiligung seines Freundes, des zweiten Wunsiedler Bürgermeisters Roland Schöffel, erstellt. Die Bewohner hätten den Wunsch geäußert, in Mende wieder eine Brauerei zu gründen. Denn früher gab es in der Stadt im südlichen Zentralmassiv mit rund 11 000 Einwohnern drei Brauhäuser. Der Banker Serge Benmussa habe den Master-Plan bis ins Detail ausgearbeitet und ihn Bürgermeister Alain Bertrand übergeben. Passiert sei bisher noch nichts, bedauert Schöffel. "Das Ganze ist auf Eis gelegt." Grund dafür sei, dass Geld fehle und sich nicht ausreichend Sponsoren gefunden hätten. Aber Schöffel gibt nicht auf. Er spricht das Projekt immer an, wenn er in seiner Funktion als zweiter Wunsiedler Bürgermeister die Mende besucht. Er fände es ein tolles Signal, wenn so ein Stück fränkische Lebenskultur in die französische Partnerstadt gebracht würde.


Autor

Bilder