Wunsiedel Kleinwendern auf dem Weg zum Archedorf

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Mehrere Bürger halten in dem Ort seltene Haustier-Rassen. Im Garten des ehemaligen Museums grasen zum Beispiel Coburger Fuschsschafe. Fast alle Einwohner nehmen sich der Tiere an.

 
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Kleinwendern - Zugegeben, noch ist es eine Vision. Aber viele Menschen arbeiten daran, dass diese real und Kleinwendern ein Archedorf wird. "Damit wäre es das erste in Bayern und eine echte Attraktion für die Region", sagt der Naturpark-Gebietsbetreuer und Bad Alexandersbader Ronald Ledermüller.

In Archedörfern werden verschiedene vom Aussterben bedrohte Nutztierrassen gehalten und gezüchtet. Außerdem informieren und zeigen die Besitzer die Tiere interessierten Besuchern. All das wäre auch in Kleinwendern möglich, glaubt Ledermüller. "Immerhin gibt es in dem Dorf bereits einen soliden Grundstock an seltenen Rassen." Dieser besteht derzeit aus fünf Coburger Fuchsschafen, die auf der Wiese am ehemaligen Dorfmuseum grasen, aus Sundheimer Hühnern, die Jörg Bertholdt hält, und aus vier Sechsämter-Rotvieh-Rindern, die die Familie Küspert besitzt (wir berichteten).

Derzeit stehen mehr als 100 Nutztierrassen in Deutschland auf der "Roten Liste". Um diese Rote-Liste-Rassen geht es in dem 1995 ins Leben gerufenen Arche-Projekt der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GDH. Ziel ist es, diese Rassen in der landwirtschaftlichen Produktion zu halten, ihre besonderen Eigenschaften gezielt zu nutzen und so deren langfristige Erhaltung zu gewährleisten.

Damit Kleinwendern als Archedorf anerkannt wird, müssten insgesamt sechs bedrohte Rassen von vier Höfen im Dorf gehalten und gezüchtet werden. "Wenn das Dorf es will und zusammenhält, dann könnte es mit dem Archedorf klappen", sagt Ledermüller. Als Gemeinderat sieht er auch den touristischen Reiz einer derartigen Attraktion. Auch für die Gastronomie würden sich neue Perspektiven bieten, wenn die Betriebe Fleisch von seltenen Nutztierrassen verarbeiten könnten.

Das bisher einzige Archedorf Deutschlands, Steinlah, liegt zwischen Göttingen und Hannover. In dem 1100-Einwohner-Ort gibt es auf vier Höfen 14 verschiedene seltene Nutztierarten, vom Rotbunten Husumer Hausschwein über das Deutsche Reichshuhn bis hin zu Altseirer Hennen und einem Harzer Fuchs. Bei letzterem handelt es sich um eine alte Hunderasse. Im Gespräch mit der Frankenpost sagt der Steinlaher Bauer Joachim Tiefnig, dass die Tiere vor allem aus reiner Liebhaberei gehalten würden. "Man darf das nicht wirtschaftlich betrachten."

Der große touristische Boom ist in Steinlah zwar bisher ausgeblieben. "Aber das liegt auch an der Werbung", sagt Tiefnig. Bisher habe die Dorfgemeinschaft nicht groß auf sich aufmerksam gemacht. Dennoch merke er, dass sich Gäste für die Tiere begeistern können, sagt Tiefnig.

In Kleinwendern ist Jörg Bertholdt einer der Initiatoren des Projektes Archedorf. Er besitzt 15 Sundheimer Hühner. Dies ist eine aus dem Badischen stammende Fleischhuhnrasse. Der heutige Bestand in Deutschland wird laut Wikipedia auf rund 800 geschätzt. "Meine Frau und ich tragen uns schon länger mit dem Gedanken, Hühner anzuschaffen. Und da wir uns für das Projekt Archedorf begeistern, haben wir uns für eine seltene Rasse entschieden", sagt Bertholdt, der seine Tiere von Züchtern aus Sonneberg und Bad Salzuflen gekauft hat. Seit dieser Woche gackern die Hühner in einem Gehege samt knallgelben Bauwagen. Bertholdt hofft, dass er kommendes Jahr mit der Zucht beginnen kann. "Und wenn es für das Archedorf sein muss, kann ich mir vorstellen, noch eine weitere bedrohte Tierart zu halten."

Zu den seltenen Rassen gehören auch die Coburger Fuchsschafe, die auf dem Gelände des ehemaligen Dorfmuseums grasen. Ronald Ledermüller, Jörg Bertholdt und Mike Franzke haben die Schafe von den Landwirtschaftlichen Lehranstalten Bayreuth geliehen. Hier arbeitet der Sichersreuther Martin Höpfel als Gutsverwalter, der das "Leihgeschäft" vermittelt hat. In zwei Wochen bringen die Kleinwendener die Tiere wieder zurück nach Bayreuth. "Wir überlegen gerade, ob wir uns kommendes Jahr Schafe kaufen", sagt Ledermüller.

Zusammen mit Gudrun Frohmader-Heubeck vom Naturpark hatte der Gebietsbetreuer im März den Kleinwendernern das Konzept des Archedorfes vorgestellt. "Damals reagierten die Menschen verhalten, aber seit die Schafe im Dorf sind, entwickelt sich eine tolle Gemeinschaft." So hätten mehrere Männer beim Zaunbau für das Gehege geholfen. Ein Dorfbewohner habe einen Stall gebaut, und die Kinder hätten jeden Tag ihre Freude an den Tieren. "Niemand erwartet einen wirtschaftlichen Nutzen von der Auszeichnung Archedorf. Aber für unseren Kurort Bad Alexandersbad wäre ein Archedorf eine tolle Werbung", sagt Ledermüller.

Im Dorf gibt es einen soliden Grundstock an alten Haustierrassen.

Ronald Ledermüller


Im Dorf leben Kampfhühner, Fleischhennen, Alpakas

Auch wenn Kleinwendern noch nicht den Titel Archedorf trägt, gibt es bereits jede Menge interessanter Tiere zu sehen. So hält ein Liebhaber Japanische Ko-ShamoKampfhühner und die Familie Brodmerkel besitzt Alpakas. Im Herbst soll bei einer Dorfversammlung besprochen werden, wie das Projekt Archedorf umgesetzt werden kann. "Im Grunde geht es dabei weniger um einen wirtschaftlichen Vorteil für unser Dorf, sondern um den Erhalt der Biodiversität. Wenn das Dorf dazu beitragen kann, umso besser", sagt Ronald Ledermüller. Außerdem seien die alten Haustierrassen einfach schön anzusehen. Vor allem Kinder hätten ihre Freude daran. Dass Tiere nicht nur Arbeit bereiten, sondern auch viel zurückgeben, erlebt auch Jörg Bertholdt jeden Tag. Er hält seit einigen Monaten die seltenen Sundheimer Hühner. Außerdem züchtet er Meerschweinchen.


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