Wunsiedel Nazi-Demo: Demokraten in Wunsiedel wehren sich

Am Samstag durften nach einem Gerichtsbeschluss wieder Neonazis durch Wunsiedel marschieren. Hier geht's zur Dokumentation.

 
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18 Uhr: In der Stadt kehrt wieder Normalität ein. Die Zahl der Polizeiautos in den Straßen wird immer weniger. In der Theresienstraße und in der Breiten Straße räumen Mitarbeiter des Bauhofs Straßensperr-Schilder beiseite. Inzwischen laufen auch schon die Vorbereitungen für den Jahrmarkt am Sonntag, Buden und Stände sind schon aufgestellt. Viele Wunsiedler können sich in der guten Stube von der Kälte am Nachmittag erholen - in der Gewissheit, dass die Bürger wieder einmal gezeigt haben, dass Wunsiedel bunt ist. Ein normaler Sonntag ist morgen aber auch wieder nicht. Es ist Kirwa - mit Jahrmarkt, Skibasar, zwei großen Modellbahnaustellungen, und, und.

17.50 Uhr: Die Polizei hat einen vorläufigen Abschlussbericht mit dem Titel "Bunter Protest im Fichtelgebirge" veröffentlicht - siehe hier.

16.25 Uhr: Wie die Polizei gerade mitteilte, waren es etwa 350 Teilnehmer an den von Gewerkschaft, Kirchen und anderen Gruppen angemeldeten Aktionen. Die Teilnehmer der Veranstaltung des "Freien Netz Süd" geben die Beamten nun mit 160 an. 500 Einsatzkräfte der Polizei waren - und sind noch - vor Ort. Ein Teilnehmer der rechten Veranstaltung ist kurzzeitig verhaftet worden, weil er Handschuhe bei sich trug, in die Quarzsand eingenäht ist.

Die Abschlusskundgebung des FNS in der Egerstraße nähert sich gerade dem Ende.

16.10 Uhr: Auch die Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes unter dem Motto "Europa der Arbeitnehmer ohne Rechtsextremismus" am Bahnhof endet in diesen Minuten.

16 Uhr: Der Demonstrationszug des "Freien Netz Süd" ist vorüber, nur wenige Zuschauer haben im Vergleich zu den vergangenen Jahren die Veranstaltung verfolgt; vielleicht liegt es am Wetter. In der Nordendstraße bekundeten einige Aktivisten der Antifa lautstark ihren Unmut, allerdings verhinderte die Polizei, dass die Demonstranten mit den Besuchern der FNS-Kundgebung zusammenstießen.

Gleichzeitig endet das Programm der Bürgerinitiative mit einem Klezmer-Konzert in der katholischen Kirche.

15.30 Uhr: Die Kollegen vor Ort berichten von einem Vorfall in der Hornschuchstraße. Offenbar haben mehrere Täter versucht, mit Grillanzündern ein Auto in Brand zu stecken. Polizisten konnten das Feuer mit Handfeuerlöschern ersticken. Welchem Lager die Täter zuzuordnen sind, ist noch nicht bekannt.



14.50 Uhr: Die beiden Veranstaltungen sind nicht nur räumlich getrennt, sondern auch durch die Polizei. Es ist schwierig zu wechseln, die meisten Straßen sind abgesperrt und für Passanten dicht.

14.48 Uhr: Wunsiedels Bürgermeister Karl-Willi Beck erklärt vor gut 300 Menschen in der Breiten Straße: "Wir werden Rechtsextreme in Wunsiedel nicht dulden. In dieser Stadt schreiten wir Seit an Seit gegen Neonazis." Er dankt allen Menschen, die mit ihrer Teilnahme an dieser Protestaktion für Demokratie, Freiheit und Toleranz eintreten. Karl Rost, Vorsitzender des Wunsiedler Bündnisses "Wunsiedel ist bunt", stößt ins gleiche Horn: "Wir brauchen in Wunsiedel keine Nazis! Was wir brauchen sind mutige Bürger, Politiker - und Richter. Ich kann als Demokrat das Urteil akzeptieren, dass den Gedenkmarsch der Rechten erlaubt; aber als Mensch kann ich nur den Kopf schütteln."

14.40 Uhr: Der Münchener Bus ist nun doch angekommen. Ein Polizeisprecher schätzt, dass zwischen 150 und 200 Menschen die Kundgebung des "Freien Netz Süd" verfolgen.

14.20 Uhr: Bei der Versammlung des "Freien Netz Süd" tut sich nichts, die Teilnehmer warten immer noch: angeblich auf einen Bus aus Münchnen, der in einer Polizeikontrolle stecken soll. Zuschauer spekulieren, dass darin ein Redner sitzt und die Menschen deshalb warten müssen.

14 Uhr: Inzwischen sind es gut 300 Menschen, die zur Kundgebung wollen. Sie tragen Transparente mit den Mottos der Stadt und des Tages, bunte Fahnen - und bunte Mützen und Schals. Trotz der Kälte und des nassgrauen Wetters setzen sie ein Zeichen. In etwa einer halben Stunde beginnt die Hauptkundgebung am Hackerplatz.

13.40 Uhr: In der rappelvollen Friedhofskirche haben die Mitglieder der Bürgerinitiative aus den Buchstaben "WUT" das Wort "MUT" geformt. Sie wollen "Mutig für Menschenwürde" eintreten - so lautet das Motto dieses Tages in der Stadt, die sich generell als "bunt - nicht braun" versteht. Die Menschen sind aber nicht nur mutig, sondern auch fröhlich: Singend zieht die Menge von 200 bis 250 Gottesdienstbesuchern gerade in Richtung Hackerplatz, wo die Zwischenkundgebung stattfinden soll, und dem Zug schließen sich weitere Bürger an.

13.20 Uhr: Etwa hundert Rechtsextreme haben sich als Gruppe versammelt, sie warten. In ihrer Nähe hängt ein Transparent der Aussteiger-Organisation "Exit".

12.45 Uhr: Mitglieder der Bürgerinitiative tragen drei Buchstaben auf der Egerstraße zur Kirche: "WUT". Pfarrer Jürgen Schödel erklärt, dass die Bürger wütend sind, weil die Neonazis wieder durch Wunsiedel marschieren dürfen. Wut empfänden auch viele auf das Gericht, dass den Zug der Rechtsextremen erlaubt hat. "Die lachen sich über den Rechtsstaat kaputt, weil sie marschieren dürfen."

12.30 Uhr: In die Stadt hineinzukommen ist gar nicht so einfach - auf allen Zufahrten kontrollieren Polizisten einreisende Fahrzeuge, die ihnen verdächtig vorkommen. Bislang gab es nach ersten Auskünften aber noch keine Auffälligkeiten oder gar Festnahmen. In der Stadt sebst ist jedes vierte bis fünfte Auto auf der Straße ein Polizeifahrzeug. Die Straßensperren in der Stadt sorgen bei einem Teil der Bevölkerung für Unmut, weil viele Bürger Umwege in Kauf nehmen müssen. Die Teilnehmer der demokratischen Kundgebung ziehen allmählich zur Friedhofskirche, wo um 13 Uhr ein ökumenischer Gedenkgottesdienst an die Opfer von Krieg und Verfolgung stattfinden wird.

11:50 Uhr: "Da sind ja mehr Polizisten als Einwohner in der Stadt", sagt ein Besucher. In der Tat sind sehr viele Beamte zu sehen, dazu jede Menge Einsatzfahrzeuge. Wunsiedel füllt sich.

Hintergrund: Viele Wunsiedler haben im Laufe der vergangenen Tage einen Flyer in ihrem Briefkasten gefunden, den das Rechtsextreme "Freie Netz Süd" veranlasst hat. Darin wird zur Teilnahme an einer Demonstration zum Volkstrauertag in der Festspielstadt eingeladen - auf seiner Homepage stellt das "Freie Netz Süd" die Aktion als Aufruf zum "Heldengedenken" vor. Die Wunsiedler haben gegen die Demonstration geklagt. Sie wollten sie verbieten lassen, weil sie fürchten, dass in Wahrheit hier dem Hitlerstellvertreter Rudolf Heß gedacht werden soll. Das Verwaltungsgericht Bayreuth erlaubt die Versammlung von Rechtsextremen in Wunsiedel nun doch.



Am heutigen Samstag planen zahlreiche Organisationen Aktionen gegen Rechtsextremismus. Die Bürgerinitiative "Wunsiedel ist bunt" veranstaltet eine Kundgebung "gegen das erneute Auftreten der Nazis", wie es in einer Mitteilung der BI heißt. Diese steht unter dem Motto "Mutig für Menschenwürde - wir gedenken der Opfer und nicht der Täter".

Beginn ist um 13 Uhr vor der Friedhofskirche mit einem ökumenischen Gottesdienst, den die Wunsiedler Pfarrerinnen und Pfarrer gestalten. Mit dabei ist "Fichtelgebirgs-Klezmorim". Um 13.50 Uhr startet der Gedenkzug auf der östlichen Todesmarschroute. Am Hackerplatz ist um 14 Uhr eine Zwischenkundgebung geplant. Die Hauptkundgebung beginnt um 14.30 Uhr in der Breiten Straße mit Begrüßungsreden und einem offenen Mikrofon. Ebenfalls um 14.30 Uhr gibt es am Gymnasium einen Infostand mit Button-Aktion. Der DGB veranstaltet von 14 bis 16.30 Uhr eine Kundgebung in der Bahnhofsstraße unter dem Motto "Europa der Arbeitnehmer ohne Rechtsextremismus". Um 16 Uhr beginnt der Gedenkzug auf der westlichen Todesmarschroute von der Breiten Straße über den Marktplatz und zurück. Das Programm kann sich ändern, falls Gerichtsentscheidungen die Veranstaltungsorte kurzfristig verlegen. Die BI wird gegebenenfalls darüber informieren.

Die Frankenpost berichtet heute ab dem frühen Nachmittag an diese Stelle live aus Wunsiedel.

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