Wunsiedel Respekt und die Bereitschaft zu vergeben

Von Christl Schemm und Richard Ryba
Bedauert den Rücktritt Margot Käßmanns: der Vizepräsident der bayerischen Landessynode, Dr. Peter Seißer. Foto:  

Wunsiedel - "Das hat eingeschlagen wie eine Bombe." Der Wunsiedler Ex-Landrat Dr. Peter Seißer steht am gestrigen Mittwoch noch unter dem Eindruck der Sitzung des Landeskirchenrats in Tutzing, von der er gerade nach Wunsiedel zurückgekehrt ist.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Wunsiedel - "Das hat eingeschlagen wie eine Bombe." Der Wunsiedler Ex-Landrat Dr. Peter Seißer steht am gestrigen Mittwoch noch unter dem Eindruck der Sitzung des Landeskirchenrats in Tutzing, von der er gerade nach Wunsiedel zurückgekehrt ist. Zuerst die Nachricht von der Alkoholfahrt der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), Margot Käßmann, am Dienstag und dann am gestrigen Mittwoch deren Rücktritt. Betroffen, aber auch voller Verständnis sowie Respekt und bereit zu verzeihen, zeigten sich die evangelischen Christen, mit denen wir gestern sprachen.

"Ich bedauere es, dass sie zurückgetreten ist", sagte denn auch Dr. Peter Seißer. Es sei schade, dass Margot Käßmann nicht den Vorschlag der EKD-Ratsmitglieder, zunächst keine Entscheidung zu treffen, nicht angenommen habe. "Aber das muss man respektieren", betont der Vizepräsident der bayerischen Landessynode und Mitglied der EKD-Synode. Seißer kennt die Ratsvorsitzende persönlich sehr gut und betont, dass sie stets einen sehr sympathischen Eindruck gemacht habe. Zwar sei es eigentlich unverzeihlich, dass sich Käßmann alkoholisiert ans Steuer gesetzt habe, doch werde es in Bayern wohl kaum jemand geben, der ihren Rücktritt nicht bedauere.

"Man kann nie sagen, das kann einem nicht passieren", sagt Seißer. Er respektiert, dass die Bischöfin nun die Konsequenz aus ihrem Fehlverhalten ziehe. "Sie wäre nicht anders behandelt worden wie jeder andere Pfarrer auch", sagt Seißer. "Neben den strafrechtlichen hätte auch dienstrechtliche Konsequenzen gegeben, zum Beispiel eine Gehaltskürzung."

"Das ist ihre Entscheidung, die respektiere ich", sagt auch Albrecht Schläger zum Rücktritt der Bischöfin. Für den früheren SPD-Landtagsabgeordneten, der in der evangelischen Kirchengemeinde in Hohenberg als Lektor tätig ist, wäre ein Rücktritt aber nicht notwendig gewesen: "Für jeden Menschen, der etwas Verrücktes gemacht hat und es einsieht, gilt: Tue Buße und sündige fürderhin nicht mehr." Auch eine Bischöfin habe einen Anspruch auf Absolution. In all der Aufregung um den Fehltritt von Margot Käßmann erinnert Schläger an die Worte von Jesus Christus im Hinblick auf eine Frau, die auf die schiefe Bahn gekommen ist: "Wer von Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein." Klar sei aber auch, so Albrecht Schläger: "In solch einem Zustand fährt man nicht Auto. Alkohol und Auto gehören nicht zusammen."

"Eine tragische Sache" ist für den Marktredwitzer Pfarrer Christoph Schmidt die ganze Angelegenheit. "Ich finde den Vorfall sehr schade, denn ich schätze Frau Käßmann als Theologin und Bischöfin." Sie habe bislang sehr glaubwürdig die Sache der Kirche nach außen vertreten. Der Rücktritt sei ihre persönliche Entscheidung. In gewissem Sinne könne man den Schritt aber nachvollziehen, denn Käßmann sei unter enormem Druck gestanden. Man müsse unterscheiden: "Wegen des Verkehrsdeliktes hätte sie ohnehin ihre Strafe bekommen. Damit wäre die Sache erledigt gewesen - in ihrer Funktion als Bischöfin aber hätte sie wegen der Alkoholfahrt auch in nächster Zeit große Schwierigkeiten gehabt."

"Jeder und jede macht Fehler", sagt der Selber Dekan Volker Pröbstl. Keine Bischöfin, kein Dekan, kein Gemeindemitglied sei unfehlbar. Bischöfin Käßmann werde die entsprechenden Strafgelder, den Entzug der Fahrerlaubnis und andere Sanktionen klaglos hinnehmen, "so wie jeder von uns für die Folgen seines Verhaltens einstehen muss". Ihn irritierte aber die klammheimliche Freude über den Fehltritt der Bischöfin und das Getöse mancher Medien, so der Kirchenmann. "Keiner hat je behauptet, dass Bischöfe oder Pfarrerinnen bessere Menschen seien. Ich wünsche mir für die, die in der Öffentlichkeit stehen, ein Stück Menschenfreundlichkeit, so wie sie jeder von uns für sich selber gerne hätte", sagt Pröbstl.

Für Irene Loch, die Leiterin des Frauenkreises der evangelischen Kirchengemeinde Thiersheim, ist es in erster Linie das Amt der EKD-Ratsvorsitzenden und Bischöfin, das nicht mit dem Fehlverhalten Käßmanns zusammenpasst. "So etwas könnte doch jedem einmal passieren", sagt die Mitarbeiterin im Pfarramt der Kirchengemeinde. In dieser Position habe sie oftmals mit "hochgestellten Persönlichkeiten" zu tun. Und sie sei sich bewusst, so Irene Loch, welchem enormen Termindruck diese Menschen ausgesetzt seien. "Ich würde Frau Käßmanns Verhalten nicht verurteilen", sagt Irene Loch. "Es ist betrüblich, weil sie eine Vorbildfunktion hatte. Aber wenn ich Stellung nehmen müsste, würde ich ihr vergeben."