Länderspiegel Mehr Distanz könnte nicht schaden

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Mehr Distanz könnte nicht schaden Quelle: Unbekannt

Gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern - dieses Ziel hat sogar Verfassungsrang. Die Stärkung des ländlichen Raums sollte für die Staatsregierung also eine Selbstverständlichkeit sein.

 
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Strukturschwächeren Gebieten unter die Arme zu greifen - das ist klassische Wirtschaftspolitik. Standard sozusagen. Es ist deshalb befremdlich, dass die Industrie- und Handelskammer (IHK) für Oberfranken nun Ministerpräsident Horst Seehofer ihre Große Ehrenmedaille verliehen hat. Wegen "herausragender Verdienste" um die oberfränkische Wirtschaft.

Ja, die Nordbayern-Initiative der Staatsregierung enthält einige wichtige und richtige Ansätze. Ohne die hier im Einzelnen zu bewerten oder auf etwaige Mängel im Gesamtkonzept einzugehen - es ist doch die ureigene Aufgabe von Politik, zu gestalten. Sie muss den Anspruch haben, Akzente zu setzen, Probleme zu lösen und eben nicht nur zu verwalten. Zu den zentralen Aufgaben einer Regierung gehört es, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Wirtschaft gedeihen kann. Muss die Kammer dem Ministerpräsidenten also eine Medaille in die Hand drücken, nur weil er seine Arbeit macht?

IHK-Präsident Heribert Trunk hat eine besondere Nähe zur Politik. Das bringt unbestritten einige Vorteile, doch mitunter könnte etwas mehr Distanz nicht schaden. Die gegenseitige Vereinnahmung von Politik und Wirtschaft stößt bei den Bürgern zunehmend auf Skepsis oder gar Ablehnung. Zu viel Lobbyismus ist vielen ein Dorn im Auge. Sie haben das Gefühl, dass kleine, elitäre Zirkel über ihre Köpfe hinweg entscheiden. Dabei lassen sich auch ohne Kumpanei und wechselseitige Beweihräucherung gemeinsam viele Dinge bewegen.

Der Theologe Dietrich Bonhoeffer verfasste einst eine beeindruckende Programmschrift für die Kultivierung der Distanz. Er fordert darin den Mut, "wieder ein echtes Gefühl für menschliche Distanzen aufzurichten und darum persönlich zu kämpfen". Reinhard K. Sprenger, einer der bekanntesten Autoren für Management-Literatur, mahnt, wo keine Distanz herrsche, werde alles unerträglich. Und er formuliert unmissverständlich: "Distanzen gehören auch zu den größten Errungenschaften der modernen, offenen Gesellschaften des Westens. Zum Beispiel die Trennung der Sphären von Staat, Recht, Wirtschaft, Religion und des Privaten."

Sprenger hat recht: Zu viel Nähe zwischen ebenjenen Sphären macht Außenstehende argwöhnisch.

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