Es ist der 2. Dezember, also dreieinhalb Wochen nach dem Mauerfall. Schnee liegt auf dem Platz in Lichtenberg. Kein Grund aber, dieses historische Spiel abzusagen. "Es war ganz schön kalt", erinnert sich Helmut Welte. Der Wintereinbruch schreckt aber weder die Spieler noch die knapp 500 Fans, bei diesem Spiel, bei dieser sportlichen Wiedervereinigung dabei zu sein. "Wir haben schon gespürt, dass es etwas Besonderes ist", sagt Welte. Zumal damals nicht klar war, ob es nicht vielleicht bei diesem einen Spiel bleiben sollte - und dann wieder für 30 Jahre Funkstille herrschen würde. "Keiner wusste, ob die Grenze offen bleibt", sagt Welte. "Alles war unklar." Er musste es wissen, erlebte er doch die Grenzöffnung als Grenzpolizist hautnah mit.
Doch all die Gedanken um die ungewisse Zukunft der beiden deutschen Staaten geriet in den Hintergrund. Der Sport verdrängte alles. "Es war ein normales Fußballspiel", sagt Welte. "Jeder wollte gewinnen." Gerade in diesem historischen Spiel wollte keiner als Verlierer vom Platz gehen. Zunächst machte Lobenstein ordentlich Dampf. "Wir haben bis zur Pause mit 2:0 geführt", blickt Anders zurück. Lag es eventuell am Schiedsrichter? Lichtenberg hatte nicht nur die Fußballer aus Thüringen eingeladen, sondern auch gleich den Unparteiischen. "Er hat vielleicht die körperbetonten Aktionen nicht so abgepfiffen", gesteht Anders. "Wir im Osten haben einen körperbetonten Fußball gespielt." Doch das ist im Fußball, selbst in Freundschaftsspielen, nicht alles. Im zweiten Abschnitt nutzte Lichtenberg seine technische Überlegenheit und glich noch zum 2:2 aus.
Ein wenig freute sich auch Anders darüber: "Für den Abend war es wichtig, dass es keinen Sieger gab." Der erste Amateurfußball-Austausch zwischen Ost und West ging in die dritte Halbzeit. Klar. Denn eine lange Zeit brachliegende Freundschaft sollte wieder aufgewärmt werden. Die Gastgeber hatten für die Gäste aus dem Nachbarort - es liegen nur knapp zehn Kilometer zwischen beiden Gemeinden - schon für Unterkünfte gesorgt. So wurde aus der deutsch-deutschen Konkurrenz auf dem Platz eine deutsch-deutsche Freundschaft am Abend. In der Lichtenberger Halle wurde gefeiert. "Und auch ein paar Bier getrunken", wie Welte anmerkt. Viel wichtiger: Der Abend war der Beginn von Freundschaften, die bis heute halten. Bis vor wenigen Jahren spielten beide Altherren-Teams noch Freundschaftsspiele gegeneinander. Doch irgendwann schlief auch diese Tradition ein. "Das Verhältnis zwischen beiden Vereinen hat sich normalisiert", sagt Welte. Aus getrennten Nachbarn sind Nachbarklubs ohne viele Berührungspunkte geworden. Anders: "Das Prickeln fehlte irgendwann."
Nur jetzt, da sich der Mauerfall jährt, kramen sie nochmals die Fotos raus. Sie erinnern sich an diesen historischen Nachmittag - und an die Bilder an den Wänden zweier Sportheime, die den Anfang der ersten Ost-West-Begegnung auf einem Fußballplatz festhielten.