Regionalsport Der Traum von Hawaii lebt weiter

Eine eiserne Frau ist Nadja Lindner vom ASV Kulmbach. Die Triathletin wäre beinahe beim legendären Ironman-Rennen in den USA dabei gewesen. Doch sie gibt nicht auf.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Wenn am Samstag am frühen Morgen auf Hawaii der Startschuss für die mehr als 2300 Starter des Ironman ertönt, dann wird sich Nadja Lindner gemütlich auf ihr Sofa in Wilmersreuth bei Mainleus setzen. Noch ein letztes Mal will sie sich das legendäre Rennen in der malerischen Küstenstadt Kailua-Kona im Livestream und Fernsehen anschauen. Viel lieber würde sie mit den anderen Triathleten ins offene Meer springen und zunächst die 3,9 Kilometer schwimmen. Denn die 36-Jährige hat einen Traum: einmal am Ironman Hawaii, der spektakulärsten Strecke der Serie, teilnehmen. "Das Ziel habe ich schon", sagt die gebürtige Kulmbacherin.

Ironman auf Hawaii

Der Triathlon-Wettkampf im Pazifik ist in den zurückliegenden Jahren fest in deutscher Hand: Der Starathlet Jan Frodeno gewann zuletzt zwei Mal. Im Jahr 2016 folgten mit Sebastian Kienle und Patrick Lange sogar zwei weitere Deutsche auf den Plätzen zwei und drei. "Deutschland ist im Triathlon Spitze, weil wir hier leicht die Möglichkeit haben, alle drei Disziplinen zu erlernen und zu verbessern", erklärt Nadja Lindner. Für sie ist der 36-jährige Frodeno auch dieses Jahr Favorit. "Aber auf Hawaii taucht immer ein Unbekannter auf." Den besonderen Reiz des Ironman auf Hawaii machen die erschwerten Bedingungen aus: 3,96 Kilometer schwimmen die Starter zunächst im badewannenwarmen Meer, ehe sie 180,2 Kilometer mit dem Rad durch die Lavafelder der Insel fahren. Im Anschluss daran steht noch der Marathon (42,2 Kilometer) bei brütend heißen Temperaturen an. Frodeno absolvierte die Strecke im Vorjahr in 8:06:30 Stunden. "Ich habe noch nie so sehr gelitten", sagte der gebürtige Kölner damals. "Es war die Hölle." Anja Beranek aus Fürth erreichte bei den Frauen einen starken vierten Platz.


Und beinahe hätte sie bereits ihren Startplatz für die Ironman-Weltmeisterschaft im nächsten Jahr in der Tasche gehabt. Beim Wettkampf in der Emilia Romagna schrammte sie nur wenige Minuten an einer sicheren Qualifikation vorbei. "Die Enttäuschung saß schon tief", erinnert sie sich an den Wettbewerb. "Ich wollte Italien nicht ohne den Slot verlassen. Das tut mir schon noch ein bisschen weh." Denn nach Hawaii darf nicht jeder Triathlet. Die Teilnehmerzahl ist stark begrenzt. "Hawaii ist kein Volkstriathlon", sagt Lindner. "Da starten nur die Besten." Und sie ist in ihrer Altersklasse nah dran an der Weltklasse.

In Italien benötigte die oberfränkische Powerfrau für die 3,9 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und den abschließenden Marathonlauf (42,2 Kilometer) knapp über zehn Stunden. Mit ihren 10:19:04 Stunden lag sie allerdings in ihrer Altersklasse fünf Minuten hinter Lucy Woollacott. Da es in jedem Wettbewerb nur eine geringe Anzahl an Startplätzen, auch Slots genannt, für Hawaii gibt, hatte Lindner das Nachsehen. Die Britin fliegt nun in die USA. Und Lindner muss weiter ihr Glück probieren.

Dabei ist es gar nicht so einfach, einen Wettkampf mit so guten Aussichten auf einen Slot zu finden. "Viele flüchten", erklärt sie. Das bedeutet: Da die Konkurrenz bei den wenigen Wettkämpfen in Europa sehr hoch ist, suchen sich die hiesigen Triathleten im fernen Ausland Ironman-Veranstaltungen aus, bei denen die Chancen besser stehen. "Das ist mit meinem Beruf aber nicht vereinbar", sagt die Lehrerin an der Hans-Edelmann-Mittelschule in Kulmbach.

Außerdem treibt beispielsweise ein Ironman auf Japan den finanziellen Aufwand für den ohnehin kostspieligen Sport noch weiter in die Höhe. So liegen die Startgebühren für einen Wettkampf locker bei 500 Euro. "Und dann kommen noch die Reisekosten hinzu." Für den Start auf Hawaii verlangt das Unternehmen Ironman, das zur chinesischen Wanda-Gruppe gehört, 825 Dollar (700 Euro). Doch selbst das nimmt die Amateursportlerin in Kauf.

Denn der Triathlon liegt Lindner. Obwohl sie in Vollzeit berufstätig ist, schafft sie es, mit Semi-Profis mitzuhalten. "Manche meiner Konkurrenten haben nur einen Halbtagsjob." Der Körper der quirligen Ausdauerathletin scheint für ihre Sportart wie gemacht: Für dieselben Leistungsfähigkeit muss sie weniger investieren als viele ihre Konkurrentinnen. 14 Stunden jede Woche trainiert sie in Spitzenzeiten. Und vor allem hat sie auch einen anderen Vorteil: "Meine Stärke ist, dass ich alle drei Disziplinen gut hintereinander kann." Schwimmen, Radfahren oder Laufen - bei allen dreien ist Lindner stark. Eine Paradedisziplin hat sie nicht, auch wenn sie fürs Radfahren am wenigsten trainieren muss. Das Schwimmen - oft die größte Hürde - hat sie sich hart erarbeiten müssen.

Doch warum hat es dann in der Emilia Romagna nicht gereicht? "Ich analysiere es noch. An meinen Zeiten lag es nicht." Vielmehr eben an der unerwartet starken Konkurrenz. Das Problem sei, dass es weltweit eine Vielzahl an leistungsstarken Athleten gibt. "In den vergangenen Jahren hat die Leistung deutlich angezogen", sagt sie. Während immer mehr Hobbysportler den Triathlon für sich entdeckt haben, aber keine Ambitionen hegen, geht es an der Spitze immer enger zu.

Daher kommt es auch auf die scheinbar kleinen Dinge an - wie zum Beispiel die Erholung. "Bei uns ist es auch besonders wichtig, dass man sich auch mal erholt. Vor allem wenn man noch arbeitet, will man ja auch im Beruf und Sport volle Leistung bringen." Lindner erholt sich beim Kochen oder Backen - oder gemeinsam mit ihrer Familie, wenn sie von Samstag auf Sonntag schon einmal vor dem Fernseher erlebt, wo sie bald hin will: das atemberaubende Rennen von Hawaii.

Autor

Bilder