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Nürnberg Ein Hauch von Aufbruchstimmung beim Club

Bernd Nürnberger
Gleich Vollgas auf dem Trainingsplatz: Der neue Club-Trainer Jens Keller (Zweiter von links) erklärt seinen Spielern eine Übung. Foto: Daniel Karmann

Jens Keller schwingt seit gestern das Zepter beim 1. FC Nürnberg. Bei seiner Vorstellung verrät er, wie er den Club wieder in ruhigeres Fahrwasser führen will.

 
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Nürnberg - Jens Keller, der neue Mann auf der Trainerbank des arg gebeutelten Fußball-Zweitligisten 1. FC Nürnberg ist kein Lautsprecher. Er ist ein Trainer, der anpacken und den Club möglichst schnell in die Erfolgsspur zurückführen will. Deshalb ging gestern bei seiner Vorstellung alles recht schnell. Nach nicht einmal einer halben Stunde war die für 11 Uhr anberaumte Pressekonferenz im Max-Morlock-Stadion vorbei. Keller wollte möglichst schnell zurück zum Trainingsgelände am Valznerweiher, konnte es gar nicht erwarten, Mannschaft und Trainerteam kennenzulernen. Schließlich stand um 14 Uhr bereits das öffentliche Training an, das viele Zaungäste verfolgten. Und da ging es gleich richtig zur Sache. Keller unterbrach immer wieder die Übungen, um Anweisungen zu geben. Der Kampf um die Stammplätze hat neu begonnen. Als Co-Trainer hat Keller den ehemaligen Profi Thomas Stickroth, 54, mitgebracht. Ob sich das Trainerteam noch weiter ändere, ließ der Chefcoach offen. Das ist aktuell nicht geplant", sagte er. "Man muss erst einmal sehen, wie man zusammenpasst."

Unbeantwortet bleibt die Frage, ob Jens Keller, dessen Verpflichtung von vielen Club-Anhängern durchaus auch kritisch gesehen wird, wirklich die erste Wahl der Verantwortlichen war. Sportvorstand Robert Palikuca vermittelte zumindest den Eindruck, voll auf die Karte Keller gesetzt zu haben. Gleich nach dem 1:3 in Bochum habe er mit ihm Kontakt aufgenommen. "Es hat dann mehrere Gespräche gegeben, und am Montag habe ich meine Pläne dem Aufsichtsrat unterbreitet. Ich bin sehr froh, sehr glücklich, dass es so schnell ging, dass unsere Ziele identisch sind", sagte ein erleichterter Sportvorstand. Denn Palikuca, der wegen seiner Personalpolitik selbst schwer in die Kritik geraten ist, weiß: Dieser Schuss muss nach dem Fehlgriff Damir Canadi sitzen.

Der Club wäre schließlich nicht der erste Profiverein, der von der Bundesliga in die dritte Liga durchgereicht wird. Paderborn und Ingolstadt lassen grüßen. Dass Jens Kellers letzte Rettungsaktion in Ingolstadt gründlich schief gegangen ist und er nach fünf Niederlage in Folge sofort wieder seinen Hut nehmen musste, führte der neue Club-Coach auf die Abschlussschwäche der Oberbayern vor dem Tor und indirekt auch auf falsche Schiedsrichter-Entscheidungen zurück. "Ich bin sehr froh, dass es jetzt den Videobeweis gibt", outete er sich als Befürworter des "Kölner Video-Kellers".

An einen Abstieg denkt bem Club trotz der derzeit prekären Situation freilich niemand. Doch auch von der vor der Saison ausgegebenen Zielvorgabe, möglichst schnell in die Bundesliga zurückzukehren, war bei Kellers Vorstellung nichts mehr zu hören. Bei der momentanen Tabellenkonstellation - der Club ist nur zwei Zähler von einem Abstiegsplatz entfernt - wäre dies auch zu vermessen. Das wissen freilich auch Keller und Palikuca. Deshalb gab sich der Sportvorstand bescheiden: "Für diese Saison gilt es, wieder in ruhige Fahrwasser zu kommen." Mittelfristig will der Club laut Palikuca aber eine Mannschaft aufbauen, die im oberen Tabellendrittel andere Ziele verfolgt.

Auch Keller beschäftigt sich daher erst einmal mit dem "Ist-Zustand". "Wenn man sich die Tordifferenz anschaut, weiß man, wo wir den Hebel ansetzen müssen. Wir müssen die Stabilität finden und die Defensive stärken", sagte der 48-Jährige mit Blick auf 27 Gegentreffer in 13 Spielen. Das ist der schlechteste Wert in der zweiten Bundesliga. Keller hat ein weiteres großes Problem der Mannschaft ausgemacht: Sie komme mit Rückschlägen nicht zurecht. "Aber jeder Einzelne hat die Qualität, hier beim Club zu spielen, und zwar deutlich besser als dies momentan der Fall ist." Und: "Ich bin hierher gekommen, weil ich von der Mannschaft überzeugt bin", verbreitete der ehemalige Schalker Coach einen Hauch von Aufbruchstimmung. Großen Wert werde er künftig auf aggressives und schnelles Umschaltspiel legen - in beide Richtungen. Zudem werde er versuchen, Spaß zu vermitteln und Selbstvertrauen wieder aufzubauen. "Denn die Mannschaft hat das Zeug dazu, bessere Leistungen abzuliefern."

Der 48-Jährige charakterisiert sich selbst als sehr kommunikativen Trainer, der die Mannschaft in vielen Dingen mitnimmt, aber: "Ich treffe auch harte Entscheidungen."

Dass der Club nach der Verletzung seiner drei Torhüter momentan keinen Profi-Keeper zwischen den Pfosten hat, beunruhigt Keller nicht sonderlich. "Der junge Benedikt Willert hat das gegen Bielefeld trotz fünf Gegentoren gut gemacht." Ob es sinnvoll sei, jetzt einen vertragslosen Profi zu holen, bezweifelte der Trainer: "Ein solcher Torhüter steht schließlich nicht voll im Training und würde auch seine Zeit brauchen. Ich hab jedenfalls keinen in der Hosentasche", sagte er bei seiner Vorstellung. Allerdings war nachmittags der vereinslose 25-jährige Torwart Felix Dornebusch, der zuletzt beim VfL Bochum unter Vertrag stand, mit auf dem Trainingsplatz..

Bis zu seinem ersten Punktspiel am 24. November bleiben Keller noch knapp anderthalb Wochen Zeit, die Mannschaft wieder in die Spur zu bringen. Dass es ausgerechnet gleich gegen den fränkischen Erzrivalen SpVgg Greuther Fürth geht, findet er "einfach nur geil". Keller: "Ich freue mich und finde es gut, dass es gleich zur Sache geht."

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