Regionalsport „Ich bin dankbar, das miterleben zu dürfen“

Peter Perzl
Es läuft für die deutschen Skispringer bei der WM. Vor der Bergisel-Schanze freuen sich Horst Hüttel (rechts), sportlicher Leiter für die Disziplinen Nordische Kombination, und Bundestrainer Werner Schuster. Foto: Peter Perzl

Werner Schuster spricht von zwei grandiosen WM-Tagen. Der Skisprung- Bundestrainer gibt einen Einblick in sein Seelenleben. Seine Zukunft kann auch beim DSV liegen.

 
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Herr Schuster, wie fühlt es sich an, als Österreicher mit Deutschland bei einer WM am Bergisl mit zweimal Gold und einmal Silber so richtig abzuräumen?

Es waren zwei grandiose Tage für uns. Und der Sonntag ist eine ganz spezielle Geschichte. Der Mannschaftstitel ist ja der, dem wir wirklich lange hinterhergejagt sind. Die Voraussetzungen deuteten gar nicht darauf hin, dass wir so in die erste Woche starten würden. Ich freue mich natürlich riesig, dass sich meine Jungs für ihre harte Arbeit belohnt haben. Wir definieren uns stets als Team - da passt der Mannschaftstitel richtig gut. Was Karl Geiger geleistet hat, als Startspringer der Konkurrenz gleich mal 20 Punkte abzuluchsen, und Markus Eisenbichler als Schlussmann, war schon extrem stark. So etwas gibt einer Mannschaft natürlich Sicherheit. Man darf nicht vergessen, dass wir mit Andreas Wellinger den Olympiasieger auf der Bank hatten.

Wie viel Einfluss hatte der Sensationssieg von Eric Frenzel in der Nordischen Kombination am Vortag auf die Psyche?

Es nimmt auf alle Fälle Druck und sorgt für Stimmung, wenn am Anfang gleich mal eine Medaille kommt. So etwas ist immer wertvoll und wir haben es mit Freude und Respekt vernommen. Aber den ganz großen Einfluss hatte es nicht, weil doch die Teams separat funktionieren. Dennoch kennen sich die Sportler sehr gut untereinander und wohnen im gleichen Hotel. In letzter Konsequenz musst du aber trotzdem selbst in Form sein, um Großes zu leisten.

Ist beim Markus Eisenbichler damit der Knoten endgültig geplatzt? Er galt ja immer als der nicht unbedingt Beständigste ...

Von heute an ist er beständig. Es wäre vermessen, zu behaupten, mit einem Erfolg wäre alles anders. Für ihn wird es ein hartes Stück Arbeit, weiter auf so hohem Niveau zu springen. Er kann es aber und ist gut in Form. Jetzt hoffe ich, dass er die Saison richtig gut durchzieht, weil er einfach ein hohes Grundniveau besitzt. Auch für ihn war es der erste große Titel. Markus ist ein Grenzgänger. Einer, der das Limit sucht, phasenweise zwar beherrscht, aber natürlich auch immer wieder mal überzieht. Dass man da Abstriche machen muss, ist völlig normal.

Woher nimmt "Eisa", wie ihn alle nennen, diese Emotionen? Er war ja nach dem Sieg am Bergisel in Innsbruck und später auf der "Medal-Plaza" in Seefeld kaum mehr einzufangen.

Das ist so ein Typ mit einem ureigenen Charakter. Manchmal ist er auch ein richtiger Giftzwerg, aber er hat eine irrsinnige Leidenschaft für den Sport - und ist ein Stehaufmännchen par excellence. Markus hat schon viel auf den Deckel gekriegt in seinem Leben, hat sich aber nie unterkriegen lassen. Dafür ist er jetzt belohnt worden.

Und Karl Geiger bereitet Ihnen sicher genauso viel Freude?

Sehr große Freude sogar. Der Karl aber kommt von einer völlig anderen Ecke. Er ist viel ruhiger, beständiger, aber auch ein sehr harter Arbeiter. Seine Karriere verlief auch nicht wie auf einer Autobahn. Für mich ist er ein Riesenzeichen für den Nachwuchs. Ich würde Karl Geiger als talentiert, aber nicht als Jahrhundert-Talent bezeichnen. Er hat sich in vielen kleinen Schritten viel erarbeiten müssen und ist ein absolutes Vorbild für alle jungen Sportler.

Sorgenkind bleibt Andreas Wellinger. Benötigt er vielleicht auch mal ein Auszeit wie Eric Frenzel? Bei ihm lief es nach langer Durststrecke auf einmal wieder im Springen.

Da gibt es kein Patentrezept. Auch er war schon mal zu Hause, hat im Weltcup eine Woche ausgesetzt und trainiert. An seinem System ist irgendetwas faul heuer. Er hat nicht diese Absprungqualität. Andy ist gar nicht so weit weg von den anderen, dreht sich aber etwas im Kreis. Für ihn ist es ein hartes Jahr. Jetzt muss er weiterkämpfen und die Situation mit Demut nehmen und versuchen, sich in diesem Winter noch das eine oder andere Erfolgserlebnis holen. Im Sommer soll er durchstarten. Wir haben nicht vergessen, dass er uns in den letzten beiden Jahren die Kohlen aus dem Feuer geholt hat. Man sieht im "Deutschen Haus" in Seefeld, dass er sich mit den anderen mitfreut. So stelle ich mir ein Team vor.

Was gibt Ihnen dieser außergewöhnlich starke WM-Auftakt persönlich?

Ich bin irrsinnig dankbar, dass alles in eine so positive Richtung läuft. Ich habe das einfach genossen und tue es noch. Ich bin dankbar, dass ich so etwas miterleben darf. Es war mir ein großes Anliegen, dieses Jahr anständig und auf hohem Niveau zu beenden und hier noch wenigstens eine Medaille zu machen.

Wie bitte? Nur eine Medaille?

Das war mein Mindestziel. Wenn es gut läuft, habe ich mir gedacht, eine im Einzel und eine im Team. Das aber haben wir schon übertroffen.

Wenn Sie zurückblicken auf Ihre Arbeit für den Deutschen Skiverband: Wie fällt das Fazit aus?

Ich bin jetzt elf Jahre für den DSV tätig. Dieses Projekt war eine Riesenchance und hat sich gelohnt. Horst Hüttel, unser sportlicher Leiter, hat mir immer den Rücken freigehalten. Wir haben, so glaube ich, gemeinsam etwas Tolles aufbauen können und einige Erfolge feiern dürfen.

Was dürfen oder können wir noch bei dieser WM von Ihren Springern erwarten?

Zuerst einmal müssen wir uns auf die nächste Schanze einstellen. Das ist eine neue Herausforderung. Man hat im Weltcup keine Kleinschanzen mehr. Wir benötigen einen guten Absprung - und wir haben absprungstarke Springer. In diesem Flow, in dem wir uns befinden, ist durchaus wieder ein gutes Ergebnis möglich. Eine Medaille ist drin.

Sie haben Ihren Abschied als Bundestrainer bekanntgegeben. Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor? Werden Sie trotzdem weiter für den DSV tätig sein?

Es kann durchaus sein, aber ich weiß es noch nicht. Da gibt es im Moment auch keine Neuigkeiten zu vermelden. Jetzt bringen wir erst einmal diese WM zu Ende. Dann werden wir sehen, wo die Reise hinführt.

Das Gespräch führte Peter Perzl

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