Denn um von einem vorderen Startplatz ins Rennen zu gehen, müsste Gluth genügend Punkte für die Weltrangliste sammeln. Anhand der legt der Weltverband die Startpositionen fest. Nur: Die Punkte gibt es für die Platzierungen in den Rennen. Je besser der Fahrer abschneidet, desto mehr Punkte gibt es. Und so beißt sich die Katze selbst in den Schwanz. Um nach vorn zu kommen, muss Gluth gute Plätze einheimsen, schafft das aber nur schwer, weil er von weiter hinten startet. Andererseits: Gelingt ihm einmal der Sprung in die Top-20 der Weltrangliste, ist es auch sehr wahrscheinlich, dass er dort länger bleibt. "Das ist mein Ziel", sagt er. Möglichst schon in der nächsten Saison. Er muss die Schallmauer überwinden, um seiner Karriere noch einmal richtig Schwung zu verleihen.
Doch wie schafft er das? Entweder über Top-Platzierungen in den (großen) Weltcup-Rennen oder mit der Eichhörnchen-Methode: viele Punkte in kleineren Rennen sammeln. "Wenn ich gar kein Weltcup-Rennen gefahren wäre, würde ich wahrscheinlich sogar besser in der Weltrangliste stehen", sagt er. Denn vor den wichtigen Rennen finden kleinere Rennen statt - oft eben ohne die Beteiligung von Spitzenfahrern und daher mit der einfacheren Chance für Fahrer wie Gluth, Punkte für die Weltrangliste zu sammeln. Auf diese Karte setzt er aber auch in Zukunft nicht. Zu groß ist die Gefahr, dass er zu viele Rennen absolviert und in einen Leistungsstrudel nach unten hineingerät. "Die Mischung macht's", sagt er.
Wichtig ist dabei der Ausgleich zwischen Training und Wettkampf. Vor zwei Jahren war er zu viele Rennen gefahren, war dann zum Saisonhöhepunkt nicht fit. Dieses Jahr lief es besser. Seinen Saisonhöhepunkt setzte er zum ersten Weltcup-Block, fuhr im Mai im tschechischen Nove Mesto auch sein bestes Weltcup-Resultat ein (29.). "Diese Saison war ein Kennenlernjahr mit meinem neuen Trainer", sagt er. 2019 soll daher sein Jahr werden. Dafür hat sich Gluth einen Mentaltrainer genommen. Eben um die Kleinigkeiten anzupacken, die den Unterschied ausmachen. "Das hat mich nach vorn gebracht", sagt er. "Es geht darum, einen die eigenen Blockaden und Schwachstellen zu finden, den Fokus auf sich selbst zu legen." Der Tunnelblick ist wichtig, um durch den Tunnel der Trails zu kommen.
Die mentale Stärke sei auch etwas, wovon er in seinem beruflichen Leben profitieren will. Gluth fühlt sich zwar als Profisportler ("Aufgrund der Weltcup-Ergebnisse würde ich mich als Profi bezeichnen. Wenn ich sehe, wie viel Geld ich damit verdiene, bin ich höchstens Amateur."), studiert aber in Furtwangen Vollzeit. Damit heißt es nach seinem Abschlussrennen in Israel: kein Urlaub, sondern Master-Studium. In der zweiten November-Wochen beginnt dann auch schon wieder die Vorbereitung auf die neue Saison. Eine entscheidende Saison auch für Tokio 2020. Doch so weit möchte er noch gar nicht vorausdenken. "Ein konkretes Ziel ist es erst dann, wenn ich an der Nominierung dran bin. Ich muss jetzt erst noch den nächsten Schritt machen." Ganz nach vorn fahren. Und wenn er auf dem Weg dorthin eine Auszeit braucht, dann kann Martin Gluth sich zurückziehen: auf die Wanderwege rund um Helmbrechts. Wie damals als Kind auf dem Mountainbike.