Eilmeldung

VER Selb Gemeinsam raus aus dem Tal der Tränen

Bernd Nürnberger
Ryan McDonough und Achim Moosberger (von rechts) im Gespräch mit Fans. Foto: Mario Wiedel

Es menschelt beim VER Selb. Anhänger, Trainer und Spieler kommen sich bei einem außergewöhnlichen Fanstammtisch näher. Und sie hören sich gegenseitig zu.

 
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"Es besteht Redebedarf." Mit diesen Worten hat Fanbeauftragter Fabian Melzner den ersten Fanstammtisch des Eishockey-Oberligisten VER Selb in der laufenden Saison eröffnet. Und dass durchaus Redebedarf besteht, zeigte der sehr gute Besuch. Mehr als 100 Anhänger waren in die Gaststätte "Eisstadion" gekommen, um mit den Trainern, Spielern und zweitem Vorsitzenden Thomas Manzei zu diskutieren. Und sie durften es diesmal Auge in Auge tun. Die Protagonisten saßen nicht, wie sonst üblich, etwa ganz vorne oder oben auf einem Podium, sondern verteilten sich auf die vielen Tische in der Gaststätte. Und nach 15 Minuten wurden die Plätze gewechselt. So lernten die Fans viele Spieler hautnah und wohl auch von einer ganz anderen Seite kennen.

Es war die Mannschaft, die diesen Dialog mit den Fans wollte. Denn auch den Spielern ist nicht verborgen geblieben, dass im Fan-Lager der Wölfe große Unzufriedenheit mit dem bisher sportlich Erreichten herrscht. Der Graben zwischen den erfolgsverwöhnten Anhängern der Wölfe und der völlig verunsicherten Mannschaft wurde von Spiel zu Spiel, von Niederlage zu Niederlage tiefer. Von daher war der Fanstammtisch am Dienstagabend Balsam auf die geschundenen Seelen. Es menschelte richtig beim VER!

Die vielen wissbegierigen Fans merkten sehr schnell, dass die Spieler am meisten unter der sportlichen Misere leiden. Deshalb blieb die Kritik im Rahmen, persönliche Anschuldigungen gab es nicht, wie Stürmer Achim Moosberger hinterher erfreut feststellte. Er bescheinigte den Fans ein "Gefühl für die Situation" zu haben.

Die Spieler nützen in den vielen Gesprächen die Chance, den Anhängern einen Einblick in ihre Welt zu geben. So sind es für Achim Moosberger viele Kleinigkeiten, die dazu beigetragen haben, dass es derzeit beim VER sportlich nicht so gut läuft. "Es hat nicht auf einen Schlag angefangen, sondern wir sind Stück für Stück abgerutscht." Gesperrte Spieler, Verletzte, Pech im Abschluss und manchmal unglückliche Schiedsrichter-Entscheidungen hätten das Ihre dazu beigetragen. Moosberger sieht inzwischen die Talsohle erreicht, präsentiert sich auch im Gespräch mit der Frankenpost als Kämpfer. "Wir kommen da gemeinsam wieder raus. Denn wir sind alle top-motiviert und arbeiten die ganze Woche sehr hart."

Was macht Achim Moosberger so sicher? "Weil die Stimmung innerhalb der Mannschaft passt. Weil wir zusammenhalten. Weil es keine Grüppchenbildungen gibt. Und weil die Fans hinter uns stehen."

Dass die VER-Anhänger zuletzt die Mannschaft des Öfteren ausgepfiffen haben, findet Ryan McDonough gar nicht so schlimm. "Die Zuschauer haben das Recht, ihren Unmut zu äußern, wenn wir schlecht spielen."
Florian Lüsch dagegen gehen die Pfiffe schon unter die Haut. "Es ist kein schönes Gefühl, wenn man von den eigenen Fans ausgepfiffen wird", sagt der Stürmer, der zurzeit wegen eines Muskelfaserrisses im Bauchmuskel außer Gefecht ist. Auch er blickt voller Optimismus nach vorne: "Wir müssen an uns glauben, weiter Gas geben, dann kommt auch der Erfolg zurück." Wie zuvor Moosberger beschwört auch Lüsch den Zusammenhalt innerhalb der Truppe: "Der ist sehr, sehr, stark."

Ein Thema, das auch den Fans auf den Nägeln brennt, sind die rückläufigen Zuschauerzahlen. Damit wird vor allem Thomas Manzei konfrontiert. "Wir liegen deutlich hinter unseren Erwartungen und Planungen", räumt der zweite Vorsitzende ein. Vor der Saison habe der VER mit einem Zuschauerschnitt von 1600 kalkuliert, derzeit komme man gerade auf 1300. "Das ist in der Tat keine einfache Situation".

Was passiert, sollte der VER bereits in der ersten Playoff-Runde ausscheiden? "Das wäre für den Verein dann wirklich ein großes Problem", sagt Manzei und hofft, dass dem VER ein frühes Aus erspart bleibt. Der Vorstand befasst sich freilich auch damit. "Wir haben schon mehrere Hochrechnungen mit den unterschiedlichen Szenarien aufgestellt." Sorgen um den Bestand des Vereins müssen sich Fans nicht machen. "Keine Angst, wir haben Ideen im Vorstand", beruhigt Manzei die Wölfe-Anhänger.

Muss der Verein in Zukunft vielleicht kleinere Brötchen backen? "Wenn sich der momentane Trend fortsetzt, wird es sehr schwer, in Selb Eishockey auf diesem Niveau zu halten", redet Manzei erst gar nicht um den heißen Brei herum. "Dann müssen wir halt auch einmal mit dem Klassenerhalt zufrieden sein."

Doch längst ist das Kind nicht in den Brunnen gefallen. "Es ist noch alles möglich", werfen sowohl die Spieler als auch die Verantwortlichen die Flinte noch lange nicht ins Korn. Das vor der Saison ausgegebene Ziel, mindestens auf Platz vier nach der Meisterrunde zu stehen, um in der ersten Playoff-Runde mit einem Heimspiel zu beginnen, ist nicht mehr erreichbar. Da sind sich Spieler und Verantwortliche einig. Deshalb haben die Wölfe, derzeit Achter, zumindest Platz sechs oder fünf im Visier. "Wenn wir das geschafft haben, beginnt eine neue Runde, und in der ist alles möglich", traut Achim Moosberger der Mannschaft zu, in den Playoffs zu alter Stärke zurückzufinden.

Die Wende zum Guten wollen die Wölfe bereits am Wochenende einleiten, wenn es zwei Mal gegen den bisherigen Punktelieferanten Waldkraiburg geht. "Da müssen sechs Zähler her. Die sind wichtig für die Tabelle, für die Fans und für uns", stachelt Florian Lüsch seine Mannschaftskollegen an. Denn er selbst kann aufgrund seiner Verletzung noch nicht auflaufen. Und auch Ryan McDonough ist zumindest für das Auswärtsspiel am Freitag gesperrt.

Nach gut zwei Stunden nimmt Fabian Melzner nochmals das Mikrofon in die Hand, um Bilanz zu ziehen. "Für mich war der Abend recht positiv, ich hoffe für alle anderen auch", sagt der Fanbeauftragte und schließt die gelungene Veranstaltung mit einem Wunsch: "Ich hoffe, dieser Abend hat dazu beigetragen, die Wogen etwas zu glätten, damit die Köpfe wieder frei werden."

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