Von der kleinen Mary Patricia Plangman aber heißt es, sie habe sich in derart zartem Alter bereits durch ein psychiatrisches Grundlagenwerk geschmökert und so frühreif Einblick in die Verbiegungen des Verstandes und die Irrungen der Seele gewonnen. Vielleicht las sie Karl Menningers "The Human Mind" von 1930 auch erst ein paar Jahre später. Jedenfalls sollte solche Fachlektüre beizeiten ihr Selbstverständnis als Autorin lenken. Denn Patricia Highsmith - so nannte sich später die gebürtige Texanerin, die vor zwanzig Jahren, am 4. Februar 1995, 74-jährig starb -, sie wollte nicht, wie viele Kollegen, den Leser dafür interessieren, wer ein Verbrechen begangen hatte; sie interessierte sich selbst für die äußeren Impulse und inneren Prozesse, die einen Menschen in einen Mörder verwandeln. Dazu ersann sie keine Über- oder Untermenschen, Meisterdiebe oder Dämonen, sondern ließ Alltagstypen in die Abgründe stürzen, in die sie als Kind schon geschaut haben soll. Davor schreckten die Verlage zunächst zurück. Erst Alfred Hitchcock, der Highsmiths ersten gedruckten Roman "Zwei Fremde im Zug" von 1950 verfilmte, bescherte ihr den Durchbruch. Später bediente sich das Kino weiterhin gern bei ihren Stoffen, an denen heute der Diogenes-Verlag in Zürich die Weltrechte hält. Kongenial gelang 1999 Anthony Minghellas Adaption des "Talentierten Mr. Ripley". 1955 hatte Highsmith dieses erste ihrer berühmten fünf Ripley-Bücher herausgebracht. Da lagen Aufenthalte in verschiedenen Teilen der USA und in Europa bereits hinter ihr. 1983 siedelte sie sich im Tessin an; nach zwölf Jahren starb sie in Locarno. Durch ihr erzählerisches Können wie durch ihre seelenkundliche Kennerschaft erwarb sie sich den Ruhm, zu den differenziertesten und niveauvollsten Kriminalschriftstellern zu gehören. Einfach ein Krimi, wie ihn heute scheinbar jeder x-Beliebige eben mal schreibt, genügte ihr nicht.