Länderspiegel Smartphone-App als Alltagsführer für Flüchtlinge

Von Raphaela Rehwald
Flüchtlinge nutzen ihre Smartphones, um mit Angehörigen und Freunden zu kommunizieren. Mit einem speziellen Programm für Asylbewerber können sie ihre Handys jetzt auch in immer mehr Städten und Gemeinden als "Alltagsguide" verwenden. Sie erhalten über die App lokale Informationen in mehreren Sprachen. Foto: Sebastian Kahnert

Asylbewerber nutzen ihre Handys als wichtiges Informationsmittel. Ein bayerisches Projekt will zu einem bundesweiten Portal werden. Mit im Boot sind die Kommunen.

 
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Augsburg - Smartphones zählen zu den wichtigsten Hilfsmitteln, die Menschen auf der Flucht brauchen. Grund ist nicht nur der Kontakt zu Familie und Freunden, sondern auch die Nutzung des Internets als Informationsquelle. Doch wenn die Flüchtlinge in ihren neuen Wohnorten beispielsweise ein Zimmer oder eine Hebamme finden müssen, stehen sie angesichts der fremden Sprache und neuen Umgebung oft vor kaum lösbaren Problemen.

Immer mehr Initiativen bringen deshalb inzwischen spezielle Handy-Programme auf den Markt, mit denen Asylbewerber durch den Informations-Dschungel gelotst werden sollen. Ein Projekt aus Augsburg und München versteht sich als mehrsprachiger "Alltagsguide" für geflohene Menschen und will dabei weitere Kommunen als Partner ins Boot holen.

Diese App "Integreat" bietet eine erste Orientierungshilfe und versucht, die Fragen der Flüchtlinge in Arabisch oder Englisch zu beantworten. Das Informationsportal soll zwar einerseits lokal auf den Wohnort des Migranten ausgerichtet sein, andererseits aber allgemeine Informationen nicht vernachlässigen. Nachdem es in Augsburg entwickelt und zunächst getestet wurde, beteiligten sich inzwischen bundesweit eine Reihe von Kommunen. So nutzen im Freistaat auch Regensburg und Bad Tölz die Plattform, in anderen Ländern sind die nordrhein-westfälischen Städte Ahaus und Dormagen oder der hessische Main-Taunus-Kreis beteiligt.

Die Initiatoren vom Augsburger Integrationsprojekt "Tür an Tür" hatten bereits in der Vergangenheit die wichtigsten Informationen für Flüchtlinge gesammelt und dann in Papierform zusammengetragen. Diese Infos flossen in die App ein, das Programm soll aber noch weiterentwickelt werden: "Langfristig ist das Ziel, nicht nur Erstinformationen zur Verfügung zu stellen, sondern auch Themen wie Arbeitsmarktintegration oder Wohnungsmarkt anzugehen", sagt Andreas Bärnreuther von "Tür an Tür".

Die Augsburger taten sich für die Entwicklung der App mit einer Forschungsgruppe des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik der Technischen Universität (TU) in München zusammen. Dort sind die Wissenschaftler überzeugt, dass es praktisch überall Bedarf für solch ein lokales Handy-Nachschlagewerk gibt.

Es gebe bereits mehr als hundert Anfragen von Kommunen, sagt TU-Forscher Manuel Wiesche. "Jeder kann das nutzen", meint er.

Genutzt wird die App schon im Landkreis Germersheim in Rheinland-Pfalz. Anna Schneider von der Kreisbehörde weiß, dass das Programm gut ankommt - nicht nur bei den Asylbewerbern. Auch ehrenamtliche und hauptberufliche Helfer setzten die App häufig ein, erklärt sie. Sie sorgten auch dafür, dass alles aktuell bleibe: "Die Nutzer beteiligen sich an der Weiterentwicklung der Inhalte und teilen Ergänzungsvorschläge mit."

Insgesamt gibt es inzwischen mehrere Apps gezielt für Flüchtlinge. In Berlin entwickeln beispielsweise Syrer dank ihrer eigenen Erfahrungen mit der Bürokratie ein Programm für Asylbewerber. Darüber hinaus gibt es noch die "Ankommen"-App des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), quasi das offizielle Handy-Werkzeug. "Es war uns wichtig, nicht nur über den Ablauf des Asylverfahrens in Deutschland zu informieren, sondern auch Themenfelder wie Leben in Deutschland und den Zugang zum Arbeitsmarkt einzubinden", sagt Edith Avram von der Bundesbehörde in Nürnberg. Auch ein Deutsch-Sprachkurs des Goethe-Instituts ist in der Bamf-App enthalten.

Der bayerische Flüchtlingsrat ist insgesamt dennoch skeptisch, ob solche Angebote zu einem großen Erfolg werden. Flüchtlingsrat-Mitarbeiter Stephan Dünnwald hat die Erfahrung gemacht, dass die Informationsbeschaffung bei den Asylbewerbern meist über Mund-Propaganda erfolge und Apps erst dann genutzt würden, wenn es eigentlich schon zu spät sei.

Auch der CSU-Landtagsabgeordnete Martin Neumeyer, Integrationsbeauftragter der Staatsregierung in München, ist der Meinung, dass nicht zu viele Apps entwickelt werden sollten. "Man muss den Flüchtlingen die Informationen einfach und leicht verfügbar machen und sollte das Angebot übersichtlich gestalten", sagt er.

Grundsätzlich findet der niederbayerische Parlamentarier solche Angebote aber gut. Es sei bei diesen Projekten "bemerkenswert, wie sich junge, entwicklungsfreudige Leute kreativ in die Flüchtlingsarbeit einbringen".

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